Rz. 201

Durch die Sicherungsübereignung wird bezweckt, den Schuldner (Sicherungsgeber) wie einen Pfandgläubiger zu sichern. Anders als bei der Pfandbestellung bleibt jedoch der Sicherungsgeber (Schuldner) in den weitaus meisten Fällen im Besitz des Sicherungsgegenstands. Aufgrund der Sicherungsabrede ist der Sicherungsnehmer (Gläubiger) verpflichtet, die dem Eigentümer sonst zustehenden Rechte nicht auszuüben. Der Sicherungsnehmer hat bis zu dem Zeitpunkt, in dem das Sicherungsgut verfällt, keine volle, sondern nur eine beschränkte Verfügungsmacht. Der Sicherungsnehmer (Gläubiger) darf den Gegenstand erst nach dem Eintritt des Verfalltags verwerten, sofern der Sicherungsgeber bis dahin seine Schuld nicht beglichen hat. Der Sicherungsnehmer ist zur Rückübereignung des Sicherungsgegenstands an den Sicherungsgeber (Schuldner) verpflichtet, wenn dieser den Sicherungsnehmer wegen seiner Forderung rechtzeitig befriedigt.

 

Rz. 202

Vereinbarungsgemäß soll der Sicherungsnehmer seine Verfügungsmacht erst dann ausüben, wenn der Sicherungsgeber das Sicherungsgut nicht mehr auslösen kann. Bis dahin kann der Sicherungsgeber das Sicherungsgut aufgrund der noch bei ihm liegenden Verfügungsmacht an einen Dritten veräußern.[1]

Mit der Verwertung durch den Sicherungsnehmer vollendet sich der mit der Sicherungsübereignung eingeleitete Liefervorgang.[2] Im Zeitpunkt der Verwertungshandlung verschafft der Schuldner dem Gläubiger und dieser seinem Abnehmer Verfügungsmacht am Sicherungsgut.[3] Für den Schuldner tritt in diesem Augenblick Umsatzsteuerbarkeit ein (wenn er Unternehmer ist und der Sicherungsgegenstand seinem Unternehmen zugeordnet war). Gleiches gilt für den veräußernden Gläubiger, wenn die Weiterveräußerung (Sicherheitsverwertung) im Rahmen seines Unternehmens geschehen ist.[4]

 

Rz. 203

Im Zeitpunkt der Verwertungshandlung fallen zeitgleich zwei Lieferungen an:

  • Der Schuldner (Sicherungsgeber) liefert an den Gläubiger (Sicherungsnehmer) und
  • der Gläubiger (Sicherungsnehmer) liefert an den Dritten.

Beide Lieferungen werden im Zeitpunkt der tatsächlichen Veräußerung des Sicherungsguts bewirkt[5], insbesondere wenn das Sicherungsgut

  • durch den Sicherungsnehmer (Gläubiger) im eigenen Namen und auf eigene Rechnung oder
  • durch den Sicherungsgeber im Namen und für Rechnung des Sicherungsnehmers

an einen Dritten veräußert wird.[6] Da der Sicherungsnehmer dem Dritten Verfügungsmacht am Sicherungsgut nur verschaffen kann, wenn er selbst im Besitz der Verfügungsmacht daran ist, muss die Lieferung des Sicherungsgebers an den Sicherungsnehmer die erste Lieferung im Doppelumsatz sein. "Zeitgleich" heißt insoweit, dass zunächst der Sicherungsgeber (an den Sicherungsnehmer) liefert und eine logische Sekunde später die Lieferung des Sicherungsnehmers an den Dritten erfolgt.

 

Rz. 204

Wird das Sicherungsgut vereinbarungsgemäß vom Sicherungsgeber im eigenen Namen, aber für Rechnung des Sicherungsnehmers veräußert, liegt ein Fall des § 3 Abs. 3 UStG vor (Kommissionsgeschäft). Das führt zur Annahme einer fiktiven Lieferung zwischen Kommittent (Sicherungsnehmer) und Kommissionär (Sicherungsgeber). Zuvor erfolgt aufgrund Eintritts der Verwertungsreife und Vornahme der Verwertungshandlung die Lieferung des Sicherungsguts vom Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer, sodass sich in diesem Fall drei Umsätze ergeben:

1. Lieferung: Der Sicherungsgeber liefert an den Sicherungsnehmer,

2. Lieferung: der Sicherungsnehmer liefert an den Sicherungsgeber (Kommissionsgeschäft) und

3. Lieferung: der Sicherungsgeber liefert an den Erwerber (Dritten),

sog. Dreifachumsatz.[7]

 

Rz. 205

Steuerschuldner der auf den jeweils ersten Umsatz (Sicherungsgeber an Sicherungsnehmer) entfallenden USt wird bei der Ausübung der Sicherungsübereignung gem. § 13b Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. Abs. 5 S. 1 UStG der Leistungsempfänger – soweit der Sicherungsgeber ein Unternehmer ist und die Lieferung im Rahmen seines Unternehmens ausführt ("Reverse-Charge-Verfahren"). Die Steuer entsteht dann mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Rechnung ausgestellt worden ist; erfolgt keine Rechnungsstellung, verlagert sich der Entstehungszeitpunkt auf den Ablauf des auf die Lieferung folgenden Kalendermonats. Voraussetzung ist dafür, dass der Umsatz außerhalb eines Insolvenzverfahrens ausgeführt wird. Der Leistungsempfänger kann die USt – soweit kein Ausschluss nach § 15 Abs. 2f. UStG eintritt – in gleicher Höhe gem. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 UStG als Vorsteuer abziehen.

 

Rz. 206

Ist der Sicherungsgeber nicht Unternehmer oder handelt er nicht im Rahmen seines Unternehmens, ist die Lieferung im Rahmen des Doppelumsatzes nicht steuerbar. Der Sicherungsnehmer führt dennoch im Rahmen seines Verwertungsumsatzes eine steuerbare und – soweit keine individuelle Steuerbefreiung zur Anwendung kommt – auch steuerpflichtige Ausgangsleistung aus. Allerdings kann in diesen Fällen die Differenzbesteuerung (§ 25a UStG) für den Sicherungsnehmer infrage kommen, wenn er als Wiederverkäufer einen beweglichen körperlichen Gegenst...

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