Rz. 180

Das Auseinanderfallen von formaler und wirtschaftlicher Rechtsstellung hat besondere Bedeutung beim sog. Leasing-Vertrag. Zivilrechtlich wird der Leasingvertrag als atypischer Mietvertrag behandelt, bei dem das Eigentum am Leasinggegenstand beim Leasinggeber verbleibt. Man unterscheidet zwischen:

  • "Operating-Leasing" mit unbestimmter Grundmietzeit und jederzeitiger Kündigungsmöglichkeit (ggf. unter Einhaltung kurzer Kündigungsfristen), das wie ein Mietverhältnis ausgestaltet ist. Die Instandhaltung obliegt häufig dem Leasinggeber, der auch die Gefahr des zufälligen Untergangs trägt.
  • "Finanzierungs-Leasing", bei dem für den Leasingnehmer die Finanzierung von im Betrieb benötigten Wirtschaftsgütern im Vordergrund steht. Hier wird der Leasingvertrag für einen Zeitraum abgeschlossen, der kürzer als die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer ist, und kann grundsätzlich erst danach gekündigt werden (sog. Grundmietzeit). Die Gefahr des zufälligen Untergangs sowie der Verschlechterung (z. B. durch Abnutzung oder Beschädigung) trifft im Allgemeinen den Leasingnehmer, welcher auch die Gewährleistungsansprüche übernimmt.
  • "Spezialleasing", als Unterform des Finanzierungs-Leasings, bei dem der Leasinggegenstand speziell auf die Bedürfnisse des Betriebs des Leasingnehmers zugeschnitten ist und nach Ablauf der Grundmietzeit nur noch bei diesem wirtschaftlich sinnvoll verwandt werden kann. Es findet häufig Anwendung bei Immobilien-Leasingverhältnissen der Städte und Gemeinden (sog. Kommunales-Immobilien-Leasing).
  • "Sale-and-lease-back-Leasing", bei dem der Betriebsinhaber einzelne oder mehrere ihm gehörende Anlagegüter an eine Leasinggesellschaft verkauft, um sie anschließend (zurück) zu mieten. Das Leasingverhältnis wird dabei entweder als Spezialleasing, Finanzierungs- oder Operating-Leasing ausgestaltet.
 

Rz. 181

Weder im UStG noch in der MwStSystRL wird das Rechtsinstitut des Leasing-Vertrags namentlich erwähnt. In Art. 14 Abs. 2 Buchst. b MwStSystRL wird lediglich bestimmt, dass "die Übergabe eines Gegenstands aufgrund eines Vertrags, der die Vermietung eines Gegenstands während eines bestimmten Zeitraums oder den Ratenkauf eines Gegenstands vorsieht mit der Klausel, dass das Eigentum spätestens mit der Zahlung der letzten fälligen Rate erworben wird", als Lieferung zu behandeln sei. Der EuGH[1] hatte schon in einer Entscheidung im Oktober 2017 diese Regelung auch für einen Mietvertrag mit Kaufoption angewendet, wenn aufgrund der finanziellen Vertragsbedingungen davon ausgegangen werden kann, dass die Optionsausübung zum gegebenen Zeitpunkt (Ende der Vertragslaufzeit) als die einzig wirtschaftlich rationale Möglichkeit für den Leistungsempfänger erscheint.

 

Rz. 182

In Deutschland lehnte sich die herrschende Meinung zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Leasingverträgen eng an die ertragsteuerliche Zurechnung des Leasinggegenstands an.[2] Dies folgte nicht aus einer Bindung des Umsatzsteuerrechts an das Einkommensteuerrecht, sondern aus der in beiden Steuerarten in gleicher Weise zu stellenden Frage, wem die wirtschaftliche Substanz des Leasinggegenstands zuzurechnen ist. Umsatzsteuerrechtlich lag dementsprechend eine Lieferung des Leasingguts an den Leasingnehmer vor, wenn es diesem einkommensteuerrechtlich zuzurechnen war.[3]

[1] EuGH v. 4.10.2017, C-164/16, Mercedes-Benz Financial Services UK Ltd, BFH/NV 2017, 1695, BStBl II 2020, 179.
[3] Abschn. 3.5 Abs. 5 S. 1 und 2 UStAE in der bis 17.3.2020 geltenden Fassung.

3.2.2.3.1 Abkehr von der ertragsteuerrechtlichen Betrachtung

 

Rz. 183

Nachdem der EuGH[1] als Voraussetzung für eine Lieferung festgestellt hatte, dass für die Annahme einer Lieferung zwei Bedingungen notwendig sind, die sich nicht mit der bisherigen ertragsteuerrechtlichen Betrachtungsweise in Einklang bringen ließen, musste die Finanzverwaltung[2] ihre bis dahin vertretene Rechtsauffassung ändern. Damit bei einem Leasingvertrag oder einem auf Übertragung des Eigentums gerichteten Mietvertrag[3] von einer Lieferung ausgegangen werden kann, müssen kumulativ die folgenden zwei Voraussetzungen vorliegen:

  1. Der Vertrag muss ausdrücklich eine Klausel zum Übergang des Eigentums an dem Gegenstand des Miet- oder Leasingvertrags vom Leasinggeber auf den Leasingnehmer enthalten[4] und
  2. aus den Vertragsbedingungen muss deutlich hervorgehen, dass das Eigentum am Gegenstand automatisch auf den Leasingnehmer übergehen soll, wenn der Vertrag bis zum Vertragsablauf planmäßig ausgeführt wird. Dabei ist auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen und die Voraussetzungen aus objektiver Sicht zu beurteilen.
 

Rz. 184

Bei einer im Vertrag enthaltenen unverbindlichen Kaufoption soll – schon nach den Feststellungen des EuGH und so auch von der Finanzverwaltung[5] inhaltlich übernommen – die Bedingung erfüllt sein, wenn angesichts der finanziellen Vertragsbedingungen die Optionsausübung am Vertragsende in Wirklichkeit als einzig wirtschaftlich rationale Möglichkeit für den Leasingnehmer erscheint. Dabei darf der Vertrag d...

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