Rz. 31

Abweichungen von diesem Einheitsprinzip lassen Verwaltung und Rechtsprechung nur in wenigen, besonders gelagerten Ausnahmefällen zu:

2.2.2.2.1 Mehrere zivilrechtliche Sachen

 

Rz. 32

Besteht ein einheitlicher Gegenstand bereits zivilrechtlich aus mehreren selbstständigen Sachen, ist auch umsatzsteuerrechtlich eine Aufteilung des Gegenstands in mehrere Liefergegenstände i. S. d. § 3 Abs. 1 UStG möglich.

 
Praxis-Beispiel
  • Gebäude, die aufgrund eines Erbbaurechts errichtet werden, sind wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechts[1], zum Grundstück gehören sie nicht. Grundstück und Erbbaurecht (mit dem errichteten oder ggf. schon bei Bestellung des Erbbaurechts vorhandenen Gebäudes) bilden bürgerlich-rechtlich zwei selbstständige Sachen und können deshalb auch getrennt geliefert werden.
  • Ist für ein Grundstück Wohnungs- oder Teileigentum entsprechend den Regeln des WEG begründet, stellt jede Eigentumseinheit zivilrechtlich einen eigenen Gegenstand dar. Umsatzsteuerrechtlich ist deshalb in diesen Fällen jede Eigentumseinheit für sich lieferfähig.
  • Gebäude und andere Werke, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden werden, gehören nicht zum Grundstück und gelten zivilrechtlich als eigenständige Sache. Umsatzsteuerlich bilden sie deshalb einen vom Grundstück losgelösten eigenen Lieferungsgegenstand.

2.2.2.2.2 Bauwerke auf fremdem Boden

 

Rz. 33

Die Finanzverwaltung[1] lässt es bei Bauwerken auf fremdem Boden zu, dass Verfügungsmacht auch an wirtschaftlich abgrenzbaren Teilen eines Bauwerks (z. B. Stockwerk oder Wohnung eines Gebäudes) verschafft werden kann; insoweit nimmt sie also eine Aufteilung der einheitlichen Sache "Gebäude auf fremdem Boden" in mehrere Lieferungsgegenstände hin. Die wirtschaftlich nicht abgrenzbaren Teile eines Bauwerks (z. B. die einzelnen Heizkörper einer einheitlichen Heizungsanlage) sind dagegen nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht selbstständig lieferfähig. Die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder haben ausdrücklich darauf hingewiesen, dass hieraus keine Folgerungen für die umsatzsteuerliche Behandlung der Gebäude auf eigenem Boden gezogen werden dürfen[2]; dort gilt also nach Auffassung der Finanzverwaltung das Einheitsprinzip – bis auf die übrigen hier beschriebenen Ausnahmen – uneingeschränkt.

[2] OFD Frankfurt v. 5.4.1989, S 7100 A – 124 – St IV 10, DStR 1990, 218.

2.2.2.2.3 Gemischt-genutzte Gegenstände

 

Rz. 34

Bei einheitlichen Gegenständen, die sowohl zur Ausführung von Umsätzen im unternehmerischen Bereich als auch für nichtunternehmerische Zwecke verwendet werden (sog. gemischt-genutzte Gegenstände), hat der Unternehmer nach Ansicht des EuGH[1] das Wahlrecht, den nichtunternehmerisch genutzten Teil eines Gegenstands seinem Unternehmen zuzuordnen oder nicht. Dieses Wahlrecht ist nicht auf Grundstücke beschränkt, sondern gilt für alle gemischt-genutzten Gegenstände, also auch für Kfz, Computer, Segelyachten, Wohnmobile usw. Der Unternehmer kann diesen gemischt genutzten Gegenstand seinem Unternehmen vollständig, gar nicht oder auch nur teilweise zuordnen. Nach § 15 Abs. 1 S. 2 UStG setzt die vollständige oder teilweise Zuordnung des Gegenstands lediglich voraus, dass der Gegenstand zu mindestens 10 % für die unternehmerischen Zwecke verwendet wird; vgl. dazu auch § 2 UStG Rz. 339ff.

 

Rz. 35

Die dem Unternehmer vom EuGH eingeräumte Möglichkeit, den nichtunternehmerischen Teil eines gemischt-genutzten Gegenstands seinem Privatvermögen zuzuordnen, hat entscheidende Bedeutung für die Steuerbarkeit der Lieferung derartiger Gegenstände. Nach der Entscheidung des EuGH handelt ein Steuerpflichtiger beim Verkauf eines Gegenstands, von dem er einen Teil seiner privaten Nutzung vorbehalten hatte, hinsichtlich dieses Teils nicht als Steuerpflichtiger. Der EuGH begründet die Teilbarkeit der gemischt-genutzten Gegenstände damit, dass "ein Steuerpflichtiger, der einen Teil eines Gegenstands in seinem Privatvermögen belassen möchte, durch keine Bestimmung der Richtlinie daran gehindert sei, diesen dem Mehrwertsteuersystem zu entziehen".

 

Rz. 36

Da gemischt-genutzte Gegenstände aufgrund der zivilrechtlichen Gegebenheiten regelmäßig insgesamt veräußert werden, liegt aus umsatzsteuerlicher Sicht eine Lieferung vor, die sowohl den unternehmerisch als auch den nichtunternehmerisch genutzten Teil umfasst. Nach der Entscheidung des EuGH ergibt sich aus der Zuordnungsentscheidung des Unternehmers, dass der nichtunternehmerisch genutzte Teil vom Veräußerer "nicht als Steuerpflichtiger" i. S. d. Art. 2 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL geliefert wird. Aus nationaler Sicht ist davon auszugehen, dass der Unternehmer seine Lieferung insoweit nicht "im Rahmen seines Unternehmens" i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ausführt, als dieser den nichtunternehmerisch genutzten Teil des Gegenstands betrifft. Die Lieferung ist deshalb insoweit nicht steuerbar; der USt unterliegt nur der unternehmerisch genutzte Teil des Gegenstands.

 

Rz. 37

 
Praxis-Beispiel

Ein Unternehmer veräußert ein gemi...

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