Rz. 9

Der Lieferungsbegriff des § 3 Abs. 1 UStG stimmte nach Auffassung des deutschen Gesetzgebers bei Verabschiedung des UStG 1980 mit dem des Art. 5 der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 14 MwStSystRL) überein.[1]

 

Rz. 10

Zum 1.1.2007 wurde die Grunddefinition der Lieferung aus Art. 5 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie inhaltlich unverändert in Art. 14 Abs. 1 MwStSystRL übernommen. Nach Art. 14 Abs. 1 MwStSystRL gilt als Lieferung eines Gegenstands "die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen". Einem körperlichen Gegenstand gleichgestellt sind nach Art. 15 MwStSystRL Elektrizität, Gas, Wärme oder Kälte und ähnliche Sachen. Als Lieferungen gelten gem. Art. 14 Abs. 2 MwStSystRL ferner bestimmte Gegenstandsübertragungen, z. B. auf behördliche Anordnung oder kraft Gesetzes[2], aufgrund eines Miet- oder Ratenkaufvertrags oder im Rahmen eines Kommissionsverhältnisses.[3] Des Weiteren können die Mitgliedstaaten bestimmte Bauleistungen als Lieferungen betrachten (Art. 14 Abs. 3 MwStSystRL).

 

Rz. 11

Einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt ist die Entnahme eines Gegenstands.[4] Daneben besteht nach Art. 18 MwStSystRL die Möglichkeit, auch bestimmte Innenumsätze, Änderungen in der Verwendung eines Gegenstands sowie den Besitz von Gegenständen bei Einstellung der unternehmerischen Tätigkeit als Lieferung gegen Entgelt zu behandeln.

 

Rz. 12

Nach Art. 19 MwStSystRL steht es den Mitgliedstaaten weiterhin frei, die Übertragung oder Einlage eines Gesamt- oder Teilvermögens nicht als Lieferung zu behandeln (§ 1 Abs. 1a UStG).

 

Rz. 13

Der Verbringenstatbestand des Art. 17 MwStSystRL ist in § 3 Abs. 1a UStG aufgenommen worden. Danach gilt als Lieferung gegen Entgelt das Verbringen eines Gegenstands aus einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat zur eigenen Verfügung. Allerdings sind die in der MwStSystRL aufgenommenen Ausnahmetatbestände in Deutschland nicht gesetzlich, sondern nur auf Verwaltungswege[5] geregelt worden; vgl. dazu auch § 3 Abs. 1a UStG Rz. 7. Die zum 1.1.2020 in Art. 17a MwStSystRL aufgenommenen Konsignationslagerregelung ist in Deutschland im Wesentlichen in § 6b UStG aufgenommen worden. Dies ist auch sachgerecht, da es sich bei der Regelung über die EU-grenzüberschreitenden Konsignationslagerfälle nicht um die Grunddefinition von Lieferungen handelt, sondern nur die Abwicklung und Ausgestaltung in diesen Fällen grenzüberschreitend harmonisiert werden.

 

Rz. 14

Die in Art. 14 Abs. 4 und Art. 14a MwStSystRL mWv 1.1.2021 aufgenommenen Definitionen zu den innergemeinschaftlichen Fernverkäufen von Gegenständen bzw. Fernverkäufe von aus Drittgebieten oder Drittländern eingeführten Gegenständen sowie die Regelungen über die Verkäufe über elektronische Schnittstellen sind (bisher) in Deutschland noch nicht umgesetzt worden.

 

Rz. 15

Die Bestimmung des Begriffs "Lieferung eines Gegenstands" in Art. 14 Abs. 1 MwStSystRL stellt bewusst nicht auf die Eigentumsübertragung ab, die in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich geregelt ist. Sie erfasst vielmehr nach ihrem Wortlaut jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands, die den Abnehmer ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre er sein Eigentümer.[6] Hierdurch soll gewährleistet werden, dass der Lieferungsbegriff in allen Mitgliedstaaten einheitlich angewendet wird.

Rz. 16–19 einstweilen frei

[1] Abschn. B zu § 3 der Begründung des Regierungsentwurfs zum UStG 1980, BT-Drs. 8/1779.
[2] In Deutschland umgesetzt in § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 UStG.
[3] In Deutschland im Rahmen der Fiktion einer Lieferung in § 3 Abs. 3 UStG umgesetzt.
[4] Art. 16 MwStSystRL; in Deutschland entsprechend in § 3 Abs. 1b UStG umgesetzt.
[6] EuGH v. 8.2.1990, C-320/88, Safe Rekencentrum B. V., UR 1991, 289; EuGH v. 12.1.2006, C-354/03, C-355/03 und C-484/03, Optigen u. a., BFH/NV Beilage 2006, 144; EuGH v. 21.2.2006, C-255/02, Halifax, BFH/NV Beilage 2006, 260.

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