Rz. 1

Unionsrechtliche Grundlage für die Umsatzbesteuerung von Einrichtungen des öffentlichen Rechts ist Art. 13 MwStSystRL, der weitgehend wortgleich aus Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie[1] übernommen worden ist. Die unionsrechtlichen Grundsätze zur Umsatzbesteuerung öffentlich-rechtlicher Einrichtung bestehen damit nahezu unverändert seit der Harmonisierung der Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer in der damaligen EG im Jahr 1977. Nach Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 MwStSystRL gelten Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts nicht als Steuerpflichtige, soweit sie Tätigkeiten ausüben oder Umsätze bewirken, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie in diesem Zusammenhang Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben. Sofern diese Behandlung als Nichtsteuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde, gelten sie nach Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL insoweit jedoch als Steuerpflichtige. In jedem Fall als Steuerpflichtige gelten sie gem. Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 3 MwStSystRL in Bezug auf die im Anhang I genannten Tätigkeiten. Nach Art. 13 Abs. 2 MwStSystRL können die Mitgliedstaaten die unter den dort aufgeführten Befreiungsvorschriften fallenden Tätigkeiten von Einrichtungen des öffentlichen Rechts als im Rahmen der öffentlichen Gewalt liegend behandeln.

 

Rz. 2

Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 MwStSystRL stellt eine Ausnahme von der allgemeinen Anordnung des Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 MwStSystRL dar, wonach als Steuerpflichtiger (jeder) gilt, wer selbstständig eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt. Durch die – für andere Steuersubjekte nicht bedeutsame – zusätzliche Steuerbarkeitsvoraussetzung einer größeren Wettbewerbsverzerrung werden Einrichtungen des öffentlichen Rechts umsatzsteuerlich privilegiert. Davon profitieren zunächst die ausdrücklich genannten Gebietskörperschaften (Staaten, Länder und Gemeinden). Der Anwendungsbereich und damit auch der Begriff der ebenfalls begünstigten sonstigen Einrichtung öffentlichen Rechts ist im Übrigen als autonomer Begriff des Unionrechts eng auszulegen. Deshalb kommt dafür z. B. die Heranziehung des weiten Begriffs der Einrichtung des öffentlichen Rechts im EU-Vergaberecht nicht in Betracht.[2] Ein wichtiges Indiz für das Vorliegen einer Einrichtung öffentlichen Rechts ist, ob der Einrichtung nach dem jeweiligen nationalen Recht hoheitliche Befugnisse zukommen. Erforderlich ist daneben eine körperschaftliche oder behördliche Struktur.[3] Privatrechtssubjekte fallen damit grundsätzlich nicht unter Art. 13 MwStSystRL, auch dann nicht, wenn sie in den Formen des öffentlichen Rechts als Beliehene tätig werden.[4] Das kann lt. EuGH allerdings anders zu beurteilen sein, wenn der Staat im Wege einer Auslagerung von Aufgaben einer bestehenden staatlichen Einrichtung eine privatrechtliche Gesellschaft errichtet und diese in die Organisation der öffentlichen Verwaltung "organschaftlich" eingegliedert ist, sodass die Gesellschaft in ihrer Autonomie begrenzt wird.[5] § 2b UStG, dessen Anwendung auf juristische Personen öffentlichen Rechts (jPöR) beschränkt ist, bleibt insoweit in seinem Anwendungsbereich hinter Art. 13 MwStSystRL zurück (Rz. 23b). Unselbstständige haushaltsgebundene Einrichtungen einer Gebietskörperschaft sind dagegen nicht als selbstständig i. S. d. Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 MwStSystRL handelnde Einrichtungen anzusehen.[6]

 

Rz. 3

Voraussetzung für die Anwendung des Art. 13 MwStSystRL ist des Weiteren, dass die Einrichtung öffentlichen Rechts i. S. v. Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 MwStSystRL wirtschaftlich tätig wird.[7] Wirtschaftlich sind nach Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL alle Tätigkeiten der dort namentlich genannten Leistungserbringer (Erzeuger, Händler oder Dienstleister einschließlich Urproduzenten, Landwirte sowie freie und diesen gleichgestellte Berufe) und insbesondere die Nutzung von körperlichen und nichtkörperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen. Erforderlich sind eine nachhaltige Tätigkeit und der Erhalt eines Entgelts als Gegenleistung für diese Tätigkeit.[8]; der Erhalt eines Entgelts allein, z. B. der bloße Bezug von Dividenden durch eine Holdinggesellschaft, ist nicht ausreichend.[9] Entgelt setzt ein gegenseitiges Leistungsaustauschverhältnis voraus, indem es als Vergütung für die dem Leistungsempfänger erbrachte Leistung gezahlt wird. Der EuGH sieht daher z. B. obligatorische öffentlich-rechtliche Rundfunkgebühren nicht als Entgelt für die Tätigkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten an.[10] Nicht jede nach Art. 2 Abs. 1 MwStSystRL nachhaltige entgeltliche Tätigkeit ist zudem auch zwangsläufig wirtschaftlich i. S. v. Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL. Der EuGH nimmt insbesondere dann, wenn das Entgelt nicht kostendeckend ist, ergänzend eine wertende Betrachtung aller Umstände vor, unter denen die Tätigkeit erfolgt. Danach kann trotz Nachhaltigkeit und Entgeltlichkeit der Tätigkeit ihre Wirtschaftlichkeit ausnahmsweise zu vern...

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