Rz. 73

Eine Umsatzsteuer-Nachschau kann allerdings trotz Betretensrecht nur durchgeführt werden, wenn die Beamten überhaupt Zutritt erhalten. Sollte bei dem "Besuch" niemand anwesend sein, dann besteht keinesfalls ein Recht zum Öffnen der Räumlichkeiten, die Umsatzsteuer-Nachschau ist gerade keine strafprozessuale Durchsuchung mit dem Recht auf Zwangsmaßnahmen[1], bei der solche Maßnahmen im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zulässig, mitunter sogar geboten sind. Den Beamten bleibt hier keine andere Möglichkeit, als noch einmal zur Durchführung der Umsatzsteuer-Nachschau zu erscheinen (evtl. nach einer vorherigen Ankündigung). Zu fragen ist allerdings nach den Handlungsmöglichkeiten in dem (seltenen) Fall, in dem die Beamten den Inhaber zwar antreffen, dieser ihnen aber auch nach Belehrung den Zutritt schlicht verweigert. Alternativ ist noch der Fall denkbar, in denen den Beamten zwar der Zutritt gewährt wird, die Einsicht in Akten und Daten aber (ausdrücklich) verweigert wird. Von Bedeutung ist dies nicht für den Regelfall des ehrlichen Unternehmers, bei dem ein Prüfer der Finanzbehörde zur Durchführung einer Umsatzsteuer-Nachschau erscheint. Wichtig ist vielmehr die Frage nach den Handlungsalternativen, wenn ein betrügerisch auftretender Unternehmer – bei dem aber noch kein strafrechtlicher Anfangsverdacht besteht – die Durchführung einer Umsatzsteuer-Nachschau schlicht verweigert.

 

Rz. 74

Allgemein ist zunächst davon auszugehen, dass eine Umsatzsteuer-Nachschau nur stattfinden kann, wenn der Inhaber der Räume oder sein Vertreter die Amtsträger entweder einlässt – auch unter ausdrücklichem Widerspruch – oder die Beamten unmittelbaren Zwang anwenden. In diesem Zusammenhang wurde bereits darauf hingewiesen (Rz. 64ff.), dass das Merkmal des "freiwilligen Betretenlassens" im Rahmen der Umsatzsteuer-Nachschau nach § 27b UStG nicht ganz unproblematisch ist, was unabhängig davon gilt, ob es sich um Wohn- oder Geschäftsräume handelt.

 

Rz. 75

Die Amtsträger sollten deshalb bei der Geltendmachung des Betretensrechts immer mit Umsicht – dies gilt vor allem bei minderjährigen oder sonst erkennbar geschäftsunfähigen Personen – vorgehen. Hier dürfen insbesondere keine – tatsächlich nicht durchführbaren – Drohungen ausgesprochen werden.[2] Wenn der Unternehmer die Beamten zwar einlässt, er diesem Vorgehen aber gleichzeitig widerspricht – er sich also lediglich der Vornahme der Amtshandlung beugt –, dann wird das Betretenlassen m. E. – in diesem in der Praxis kaum vorstellbaren Fall – nicht freiwillig gewährt. Bei einem derartigen Sachverhalt ist auch die Unterscheidung von zu betretenden Wohn- oder Geschäftsräumen von erheblicher Bedeutung, denn § 27b Abs. 1 S. 2 UStG lässt ein Betreten von Wohnräumen nur zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu (Rz. 40ff.). Dabei dürften gemischt genutzte Räume – insbesondere solche, deren Nutzung auf einen ersten Blick hin nicht erkennbar ist – besonders problematisch sein, denn der Beamte muss erst einmal wissen, dass er hier (verfassungsrechtlich besonders geschützte) Wohnräume betritt.

 

Rz. 76

Eine wichtige Frage für die Praxis besteht nun darin, was geschieht, wenn den Amtsträgern das Betreten der Geschäftsräume oder der gemischt genutzten Räume zwecks Durchführung einer Umsatzsteuer-Nachschau ausdrücklich verweigert wird[3] oder wenn ihnen die Einsicht in Unterlagen oder Daten versagt wird. Da die Anordnung der Nachschau einen Verwaltungsakt darstellt (Rz. 28f.), kann die Finanzbehörde gegen derartige Weigerungen zunächst mit den Zwangsmitteln der §§ 328ff. AO vorgehen, wobei hier wohl insbesondere die Anwendung von unmittelbarem Zwang nach § 331 AO infrage kommt, um die Räume gegen den Willen des Inhabers betreten zu können. Zu beachten ist, dass die Umsatzsteuer-Nachschau einen gesetzlich normierter Bestandteil der Mitwirkungspflichten von Steuerpflichtigen darstellt. Insoweit kann der Prüfer immer darauf hinweisen, dass die Verletzung der Mitwirkungspflicht negative steuerliche Folgen haben kann, etwa weil ein begehrtes Vorsteuerguthaben nicht ausbezahlt wird.

 

Rz. 77

Inwieweit eine Anwendung unmittelbaren Zwangs bei einer Umsatzsteuer-Nachschau sinnvoll ist, erscheint allerdings zweifelhaft.[4] Zunächst sind die hier regelmäßig erscheinenden Amtsträger der Finanzverwaltung – die Umsatzsteuer-Sonderprüfer – i. d. R. nicht zur Anwendung unmittelbaren Zwangs geschult und ausgerüstet; häufig genug erscheint auch nur ein einzelner Prüfer. Zudem kann der unmittelbare Zwang gem. § 331 AO erst angewendet werden, wenn das Zwangsgeld oder die Ersatzvornahme nicht zum Ziel führen oder "untunlich" sind. Des Weiteren bedarf es einer vorherigen Androhung nach § 332 AO mit Fristsetzung; im Ergebnis ist also eine unmittelbare Umsetzung kaum durchführbar. Eine wirklich überzeugende Handlungsalternative ist die Anwendung unmittelbaren Zwangs daher m. E. nicht.[5]

 

Rz. 78

Als Handlungsalternative ist des Weiteren der unmittelbare Übergang zu einer Außenprüfung nach § 27...

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