Rz. 374

Nach Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL gelten Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts nicht als Steuerpflichtige, soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder Umsätze bewirken, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten oder Umsätzen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben. Falls sie solche Tätigkeiten ausüben oder Umsätze bewirken, gelten sie für diese Tätigkeiten oder Umsätze jedoch als Steuerpflichtige, sofern eine Behandlung als Nichtsteuerpflichtiger zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Darüber hinaus gelten juristische Personen des öffentlichen Rechts für bestimmte, abschließend in Anhang I[1] zur MwStSystRL aufgeführte Tätigkeiten immer als Unternehmer, soweit diese Tätigkeiten nicht unbedeutend sind. Darüber hinaus können die Mitgliedstaaten nach Art. 13 Abs. 2 MwStSystRL bestimmte, abschließend aufgezählte steuerfreie Leistungen, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts ausgeführt werden, als Leistungen bestimmen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen.

 

Rz. 375

Die Frage der Unternehmereigenschaft der jPöR ist damit aus Sicht des Unionsrechts nach Art. 13 MwStSystRL anhand der folgenden Kriterien zu beurteilen:

  • Unternehmerisch wird die jPöR tätig, wenn sie wirtschaftlich tätig wird. Keine Unternehmereigenschaft liegt vor, wenn sie Leistungen ausführt, die ihr im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen.
  • Leistungen, die der jPöR im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, können dann unternehmerisch ausgeführt sein, wenn die Ausführung der Leistung im nichtunternehmerischen Bereich zu einer größeren Wettbewerbsverzerrung führen würde.
  • Bestimmte – abschließend aufgeführte – Leistungen führen immer zu unternehmerischen Betätigungen, wenn diese Tätigkeiten wirtschaftlich nicht unbedeutend sind.
  • Mitgliedstaaten haben die Möglichkeit, bestimmte steuerfreie Leistungen, die im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit ausgeführt werden, als Leistungen im Rahmen der öffentlichen Gewalt zu definieren. Dazu bedarf es aber einer eindeutigen nationalen Regelung.
 

Rz. 376

Um hoheitliche Tätigkeiten handelt es sich nach der gefestigten Rechtsprechung des EuGH[2] dann, wenn die Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Rahmen der eigens für sie geltenden rechtlichen Regelung Tätigkeiten ausüben.

 

Rz. 377

Zu der Frage der "größeren Wettbewerbsverzerrung" hatte der EuGH mehrfach Stellung bezogen. In einer Entscheidung von 2008[3] hat der EuGH die Rahmenbedingungen für die Prüfung der Wettbewerbsverzerrung festgelegt:

  • Ob eine Wettbewerbsverzerrung vorliegen kann, ist jeweils anhand der tatsächlich ausgeführten Tätigkeit zu beurteilen, die Beurteilung bezieht sich nicht auf einen lokalen Markt im Besonderen.
  • Es kommt nicht darauf an, dass die Tätigkeit gegenwärtig den Wettbewerb verzerrt, auch die Möglichkeit einer potenziellen Wettbewerbsverzerrung gegenüber erst später in den Markt eintretenden Wirtschaftsteilnehmern ist mit zu berücksichtigen. Allerdings darf die Möglichkeit für einen privaten Wirtschaftsteilnehmer, in den realen Markt einzutreten, nicht nur rein hypothetisch, sondern muss realistisch möglich sein.
  • Der Begriff der "größeren" Wettbewerbsverzerrungen ist dahingehend auszulegen, dass die gegenwärtigen oder potenziellen Wettbewerbsverzerrungen mehr als unbedeutend sein müssen. Ob eine solche "größere" Wettbewerbsverzerrung vorliegt, ist aber immer der Feststellung des nationalen Gerichts vorbehalten.[4]

Als Maßstab für die Beurteilung der Unternehmereigenschaft der jPöR muss danach immer der Grundsatz der Neutralität des Umsatzsteuerrechts herangezogen werden. Von den allgemeinen Besteuerungsgrundsätzen abweichende Regelungen müssen immer so ausgelegt werden, dass sie zur geringstmöglichen Beeinträchtigung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität führen. Die Grundsätze aus der Rechtsprechung des EuGH werden entsprechend vom BFH umgesetzt.[5]

 

Rz. 378

Unklar blieb aber, ob eine Wettbewerbsverzerrung nur dann von unionsrechtlicher Bedeutung für die Unternehmereigenschaft der jPöR sein kann, wenn die Behandlung als Nichtunternehmer der jPöR einen Vorteil (und damit dem privaten Wettbewerber einen Nachteil) bringen würde oder ob sich eine relevante Wettbewerbsverzerrung auch dadurch ergeben kann, dass die jPöR durch die Behandlung als Nichtunternehmer einen Nachteil erleidet. Diese Frage wurde vom EuGH[6] eindeutig durch sein Urteil Salix dahingehend beantwortet, dass die jPöR, soweit sie Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, nach dem Unionsrecht nicht nur dann als Unternehmer anzusehen sind, wenn ihre Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen zulasten ihrer privaten Wettbewerber führen würde, sondern auch dann, wenn derartige Verzerrungen zu ihren eigenen Lasten die Folge wäre.

 

Rz. 379

Die Frage, ob eine Tätigkeit einer jPöR eine unternehmerische Betätigung ist und damit im Ergebnis der USt unterliegt – sow...

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