Rz. 239

Die organisatorische Eingliederung liegt vor, wenn der Organträger seinen Willen auch im täglichen Geschäft bei der Organgesellschaft durchsetzen kann. Damit stellt die organisatorische Eingliederung eine Fortsetzung der Möglichkeiten der finanziellen Eingliederung dar, jedoch auf einer anderen Ebene im Unternehmen. Die Willensbildung auf der Gesellschafterebene muss sich zur Erfüllung der organisatorischen Eingliederung auch bei der Organgesellschaft bei der Ausführung der täglichen Geschäfte tatsächlich fortsetzen. Dabei muss sichergestellt sein, dass die Weisungen des Organträgers bei der laufenden Geschäftsführung der Organgesellschaft auch tatsächlich ausgeführt werden.[1] Während der BFH[2] früher davon ausgegangen war, dass wenigstens durch die Gestaltung der Beziehungen zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft sichergestellt sein muss, dass eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung bei der Organtochter nicht stattfindet, hat er dies ausdrücklich aufgegeben.[3] Es ist nicht mehr ausreichend, wenn der Organträger eine von seinem Willen abweichende Willensbildung (z. B. bei einer Pattsituation) bei der Organgesellschaft ausschließen kann, da ein derartiges Vetorecht es dem Organträger nicht ermöglicht, die Aufgabe des "Steuereinnehmers" für die Organgesellschaft zu erfüllen, der Organträger muss positiv in der Lage sein, seinen Willen bei der Organgesellschaft durchsetzen zu können.[4] Die rechtliche Möglichkeit, auf die Geschäfte der Organgesellschaft einwirken zu können, ist somit nicht ausreichend für die Annahme der organisatorischen Eingliederung. Der aktienrechtlichen Abhängigkeitsvermutung aus § 17 AktG[5] kommt keine Bedeutung im Hinblick auf die organisatorische Eingliederung bei der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft zu. Es muss tatsächlich sichergestellt sein, dass die Organgesellschaft durch den Organträger beherrscht wird.

 

Rz. 240

Die organisatorische Eingliederung setzt regelmäßig damit eine personelle Verflechtung der Geschäftsführungen des Organträgers und der Organgesellschaft voraus.[6] Diese personelle Verflechtung wird insbesondere durch die sog. Personalunion verwirklicht. In diesem Fall ist die Geschäftsleitung des Organträgers oder der Organträger persönlich auch in der Geschäftsleitung der Organgesellschaft leitend tätig. Dadurch ist die Durchsetzung des Willens des Organträgers in den täglichen Entscheidungsprozessen der Organgesellschaft sichergestellt. Die organisatorische Eingliederung kann sich aber auch daraus ergeben, dass Mitarbeiter des Organträgers als Geschäftsführer der Organgesellschaft tätig sind.[7]

 

Rz. 241

Der BFH geht in seiner Rechtsprechung – jeweils "im Regelfall" – davon aus, dass die organisatorische Eingliederung nur durch institutionell abgesicherte unmittelbare Eingriffsmöglichkeiten in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung der Organgesellschaft umgesetzt werden kann. Unklar ist aber aus der Rechtsprechung des BFH, wieweit die Absicherung der unmittelbaren Eingriffsmöglichkeiten in die laufende Geschäftsführung der Organgesellschaft tatsächlich reichen muss. Hier wird immer auf den Einzelfall abzustellen sein und geprüft werden müssen, ob es dem Organträger tatsächlich im Alltagsgeschäft möglich ist, durch eine personelle Verflechtung Entscheidungen, die gegen den Willen des Organträgers gerichtet sind, in jedem Fall zu verhindern und unmittelbar seinen Willen durchzusetzen. Nach der Rechtsprechung des BFH[8] ist es für eine organisatorische Eingliederung nicht ausreichend, dass ein leitender Mitarbeiter des Mehrheitsgesellschafters nur Prokurist bei der möglichen Organgesellschaft ist, während es sich beim einzigen Geschäftsführer der GmbH um eine Person handelt, die weder Mitglied der Geschäftsführung noch Angehöriger des Mehrheitsgesellschafters ist. Ebenfalls nicht ausreichend für die organisatorische Eingliederung ist die mit der finanziellen Eingliederung zwangsläufig einhergehende Möglichkeit der Weisung durch Gesellschafterbeschluss, noch sind regelmäßige Berichte über die Geschäftsführung ausreichend für das Vorliegen der organisatorischen Eingliederung, auch wenn diese auf einer vertraglichen Pflicht zur Berichterstattung beruhen.[9]

 

Rz. 242

Damit ist die früher mögliche Begründung der organisatorischen Eingliederung durch andere Beweisanzeichen nicht mehr möglich. So war es früher nach einer Entscheidung des BFH[10] ausreichend, wenn der Sitz beider Gesellschaften sich im gleichen Gebäude befindet, gemeinsame Telefonanschlüsse und ein gemeinsames Postschließfach genutzt werden. In diesem Fall war es nicht von Bedeutung, dass getrennte Einkaufsabteilungen und Vertriebsabteilungen vorliegen und die Buchführung und die Betriebsabrechnungen ebenfalls getrennt durchgeführt werden. Gemeinsame Geschäftsräume sind allerdings weiterhin nicht zwingende Voraussetzung für die Annahme einer organisatorischen Eingliederung. Es kann auch dem Willen des Organträgers entsprechen, dass die Organgesellschaft in eigenen ...

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