Rz. 78

Während die frühere Rechtsprechung[1] eher von quantitativen Aspekten bei der Prüfung der Nachhaltigkeit ausging, wird in der aktuellen Rechtsprechung vermehrt auf qualitative Kriterien für die Nachhaltigkeit Bezug genommen. Unter Berücksichtigung quantitativer Aspekte ergab sich eine nachhaltige Tätigkeit

  • bei Vornahme mehrerer gleichartiger Handlungen,
  • bei Vornahme einmaliger Handlungen, wenn diese entweder mit Wiederholungsabsicht ausgeführt werden oder zu einem andauernden Leistungsverhältnis (z. B. Dauerschuldverhältnis bei Vermietung) führen.
 

Rz. 79

Unter Berücksichtigung auch qualitativer Gesichtspunkte kommt es bei der Beurteilung der Nachhaltigkeit einer Tätigkeit auf das Gesamtbild der Verhältnisse an.[2] Für die Frage, ob jemand nachhaltig tätig war, kommt der tatsächlichen Würdigung der verschiedenen Kriterien, die je nach Einzelfall in unterschiedlicher Gewichtung für oder gegen die Nachhaltigkeit sprechen können, durch die Tatsacheninstanz eine besondere Bedeutung zu. Der BFH hat dabei eine Anzahl von Kriterien herausgearbeitet, anhand derer durch Abwägen der für die Nachhaltigkeit und gegen die Nachhaltigkeit sprechenden Umstände eine Beurteilung stattfinden kann:[3]

  • mehrjährige Tätigkeit,
  • planmäßiges Handeln,
  • auf Wiederholung angelegte Tätigkeit,
  • die Ausführung mehr als nur eines Umsatzes,
  • Vornahme mehrerer gleichartiger Handlungen unter Ausnutzung derselben Gelegenheit oder desselben dauernden Verhältnisses,
  • langfristige Duldung eines Eingriffs in den eigenen Rechtskreis,
  • Intensität des Tätigwerdens,
  • Beteiligung am Markt,
  • Auftreten wie ein Händler,
  • Unterhalten eines Geschäftslokals,
  • Auftreten nach außen, z. B. gegenüber Behörden.
 

Rz. 80

Diese Kriterien können allerdings nur eine grobe Abgrenzung der nachhaltigen Tätigkeit ermöglichen. Wäger[4] stellt zu Recht fest, dass die einzelnen Tatsachen als solche wenig aussagefähig sind und teilweise auch gleichsam für wie gegen die Unternehmereigenschaft sprechen können.

 

Rz. 81

Eine Beurteilung der Nachhaltigkeit der Tätigkeit kann nur anhand der Umsätze im Grundgeschäft erfolgen. Grundgeschäft ist dabei die Haupttätigkeit, die zur Erreichung des eigentlichen Unternehmenszwecks ausgeübt wird oder ausgeübt werden soll. Hilfsgeschäfte oder Nebengeschäfte können die Nachhaltigkeit der Betätigung nicht begründen (Rz. 326).

 

Rz. 82

Unterschiedliche Betätigungsfelder eines Unternehmers werden nach § 2 Abs. 1 S. 2 UStG grundsätzlich zu einem Unternehmen im Umsatzsteuerrecht zusammengeführt (ausführlich Rz. 258ff.). Damit aber solche unterschiedlichen Unternehmensbereiche zu einem einheitlichen Unternehmen zusammengeführt werden können, muss für jeden Unternehmensteil separat geprüft werden, ob die Voraussetzungen unternehmerischer Betätigung – hier insbesondere die Erfüllung der Nachhaltigkeit – in jedem Unternehmensteil vorliegen.

 

Beispiel: Separate Prüfung in unterschiedlichen Unternehmensteilen

Handwerksmeister H plant, ein Mietwohnhaus zu erwerben. Zur Feststellung, ob ein einheitliches Unternehmen vorliegt, muss geprüft werden, ob sowohl die Tätigkeit als Handwerksmeister als auch die Tätigkeit als Vermieter separat zu einer nachhaltigen Tätigkeit führt. Da dies gegeben ist, hat H ein einheitliches Unternehmen, welches den Bereich "Handwerk" und den Bereich "Vermietung" umfasst.

Gemüsehändler G baut sich eine umfangreiche Briefmarkensammlung auf, in deren Folge er auch Briefmarken veräußert und tauscht. Es muss geprüft werden, ob die Tätigkeit als Briefmarkensammler zu einer nachhaltigen Tätigkeit führt. Da dies nach der Rechtsprechung des BFH[5] nicht der Fall ist, wird G insoweit nicht Unternehmer. Damit kann auch kein einheitliches Unternehmen zwischen dem Gemüsehandel und dem Briefmarkensammeln bestehen.

 

Rz. 83

Die Häufigkeit der Ausführung von Umsätzen im Grundgeschäft ist hingegen (entgegen der früheren Rechtsprechung des BFH[6]) nicht mehr das alleinige Kriterium zur Beurteilung der Nachhaltigkeit. Somit kann auch die Ausführung nur eines Umsatzes – ohne dass der Unternehmer die Absicht hat, unter Ausnutzung derselben Umstände weitere Umsätze zu bewirken – zu einer Nachhaltigkeit führen. So hatte der BFH[7] einer Arbeitsgemeinschaft (ARGE) des Baugewerbes die Unternehmereigenschaft aufgrund nachhaltiger wirtschaftlicher Betätigung zuerkannt, obwohl sie tatsächlich nur einen Bauauftrag abwickeln wollte, da diese Tätigkeit offensichtlich nicht in die private Sphäre fällt.

 

Rz. 84

Von Bedeutung für die Beurteilung der nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit kann es jedoch sein, ob der Handelnde unter Ausnutzung derselben Verhältnisse wenigstens in der Lage ist, mindestens einen Umsatz im Kj. auszuführen. So hat der BFH für den Jahreswagenhändler entschieden, dass eine nachhaltige wirtschaftliche Tätigkeit dann vorliegt, wenn die Sperrfrist zur Weiterveräußerung der Fahrzeuge unter einem Jahr liegt, nicht jedoch, wenn die Sperrfrist mehr als ein Jahr beträgt und damit der Verkäufer – unter langjähriger Betrachtung – nicht wenigstens einen Umsatz im J...

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