Rz. 67

Eine natürliche Person ist dann nicht selbstständig tätig, wenn sie in ein Unternehmen dergestalt eingegliedert ist, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet ist. Bei dieser Abgrenzung handelt es sich insbesondere auch um die Abgrenzung der Arbeitnehmereigenschaft, da die negative Definition in § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG der positiven Bestimmung für die nichtselbstständige Tätigkeit im Ertragsteuerrecht entspricht.[1] Die Eingliederung natürlicher Personen in ein Unternehmen beruht im Allgemeinen auf einem Anstellungsverhältnis. Durch den Anstellungsvertrag verliert die natürliche Person bezüglich der Tätigkeit bei dem Unternehmer ihre Selbstständigkeit. Allerdings können nicht nur ausschließlich die rechtlichen Gegebenheiten in die Beurteilung einbezogen werden. Um zur nichtselbstständigen Angestelltentätigkeit zu kommen, muss auch die tatsächliche Durchführung dem Vertrag entsprechend erfolgen. Allerdings kann eine natürliche Person neben einer nichtselbstständigen Tätigkeit auch eine selbstständige Tätigkeit ausüben.[2]

 

Rz. 68

Für die Frage, ob die natürliche Person im Einzelfall selbstständig oder nichtselbstständig auftritt, kommt es immer auf das Gesamtbild der Verhältnisse an. Die Beurteilung muss somit immer die Besonderheiten des Einzelfalls würdigen. Dabei müssen alle Umstände, die für und gegen eine selbstständige Tätigkeit sprechen, gegeneinander abgewogen werden.[3] Der BFH hat jedoch – nicht abschließende – Kriterien herausgearbeitet, anhand derer die Abwägung unter Beachtung des Gesamtbilds der Verhältnisse erfolgen kann.[4] Dabei sind die Voraussetzungen zwar umsatzsteuerrechtlich gesondert zu prüfen, es werden aber dieselben Grundsätze angewandt, die auch bei der einkommen- und gewerbesteuerrechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden. Die FinVerw verweist insoweit auf die in H 19.0 LStH aufgeführten Abgrenzungsmerkmale.[5] Für eine Arbeitnehmereigenschaft können danach insbesondere folgende Merkmale sprechen:

  • persönliche Abhängigkeit,
  • Weisungsgebundenheit hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit,
  • feste Arbeitszeiten,
  • Ausübung der Tätigkeit gleich bleibend an einem bestimmten Ort,
  • feste Bezüge,
  • Urlaubsanspruch,
  • Anspruch auf sonstige Sozialleistungen,
  • Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall,
  • Überstundenvergütung,
  • zeitlicher Umfang der Dienstleistungen,
  • Unselbstständigkeit in Organisation und Durchführung der Tätigkeit,
  • kein Unternehmerrisiko,
  • keine Unternehmerinitiative,
  • kein Kapitaleinsatz,
  • keine Pflicht zur Beschaffung von Arbeitsmitteln,
  • Notwendigkeit der engen ständigen Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern,
  • Eingliederung in den Betrieb,
  • Schulden der Arbeitskraft und nicht eines Arbeitserfolgs,
  • Ausführung von einfachen Tätigkeiten, bei denen eine Weisungsabhängigkeit die Regel ist.
 

Rz. 69

Besondere Bedeutung bei der Prüfung der Selbstständigkeit kommt dem Handeln auf eigene Rechnung und eigene Verantwortung sowie dem Unternehmerrisiko (Vergütungsrisiko) zu. Wird eine Vergütung für Ausfallzeiten nicht gezahlt, spricht dies für Selbstständigkeit; ist der Steuerpflichtige von einem Vermögensrisiko der Erwerbstätigkeit grundsätzlich freigestellt, spricht dies gegen Selbstständigkeit.[6] Unternehmerstellung und Beitragspflicht zur gesetzlichen Arbeitslosen- und Rentenversicherung schließen sich im Regelfall aus.[7]

 

Rz. 69a

Früher wurde die Aufsichtsratstätigkeit (vergleichbar auch Beiratstätigkeit) unterschiedslos als eine selbstständig ausgeführte unternehmerische Betätigung angesehen. Nachdem der EuGH[8] und nachfolgend der BFH[9] entschieden hatten, dass keine unternehmerische Betätigung ausgeführt wird, wenn nur eine nicht tätigkeitsabhängige Festvergütung gezahlt wird, hatte die FinVerw im Juli 2021[10] einen neuen Abschn. 2.2 Abs. 3a UStAE eingeführt. In Ermangelung eines Vergütungsrisikos liegt bei einer nicht variablen Festvergütung keine selbstständig ausgeführte Tätigkeit vor. Die Grundaussage gilt aber nur dann, wenn eine Festvergütung (z. B. als pauschale Aufwandsentschädigung) gezahlt wird. Sitzungsgelder, die nur für die tatsächliche Teilnahme an Sitzungen gezahlt werden, sowie nach dem tatsächlichen Aufwand bemessene Aufwandsentschädigungen stellen keine solche Festvergütungen dar und führen dann zur Unternehmereigenschaft. Nach Auffassung der FinVerw liegt eine unternehmerische Betätigung eines Aufsichtsrats aber weiterhin vor, wenn eine variable Vergütung bezahlt wird. Bei einer sowohl aus festen als auch aus variablen Bestandteilen zusammengesetzten Vergütung soll danach eine insgesamt unternehmerische Betätigung vorliegen, wenn die variablen Vergütungsanteile (ohne direkte Reisekostenerstattung) mindestens 10 % der gesamten Vergütung ausmachen. Die Berechnung erfolgt jeweils für das Geschäftsjahr der Gesellschaft oder Einrichtung. Die Leistung des Aufsichtsrats für seine allgemeine Aufsichtsratstätigkeit ist mit Ablauf des Geschäftsjahrs der Gesellschaft erbracht. Für Zahlungen, die für Aufsichtsratssitzungen geleistet werden (Sitzungsgelder, ...

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