Rz. 66

Der innergemeinschaftliche Erwerb setzt eine im Inland steuerbare Lieferung[1] und damit voraus, dass der Ort der Lieferung im Inland liegt. Lieferungen, die im Ausland, also auch im übrigen Gemeinschaftsgebiet bewirkt werden, sind nicht steuerbar. Da § 1a UStG aus der Sicht der Union den innergemeinschaftlichen Erwerb definiert, ohne einen Bezug auf das in § 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG genannte Inland zu nehmen, war es erforderlich, eine gesonderte Regelung des Orts des innergemeinschaftlichen Verbringens in § 3d UStG zu treffen.

 

Rz. 67

Nach § 3d S. 1 UStG wird der innergemeinschaftliche Erwerb in dem Gebiet des Mitgliedstaats bewirkt, in dem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befindet.[2] Verwendet der Erwerber eine von einem anderen Mitgliedstaat erteilte USt-IdNr., so entsteht die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb sowohl in diesem Mitgliedstaat als auch in dem Mitgliedstaat, in dem die Beförderung oder Versendung endet.[3]  Der Erwerber kann der Besteuerung in dem Mitgliedstaat, dessen USt-IdNr. er verwendet, nur entgehen, wenn er diesem Mitgliedstaat nachweist, dass der Erwerb im Empfangsmitgliedstaat besteuert worden ist. Von dem Bestimmungslandprinzip kann abgewichen werden, wenn der Erwerber dem Lieferer gegenüber eine in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellte USt-IdNr. verwendet.[4] Weitere Abweichungen können sich aus den Sonderregelungen für den Versandhandel[5], Lieferungen an Bord von Schiffen, Luftfahrzeugen oder Eisenbahnen[6] und Lieferungen von Gas über Erdgasnetze, Elektrizität und Wärme und Kälte über Wärme- und Kältenetze[7] ergeben.

 

Rz. 68

§ 3d UStG bestimmt nicht den Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs, sondern nur den Mitgliedstaat, in dem der innergemeinschaftliche Erwerb bewirkt wird. Die Vorschrift stellt auch nicht auf den Ort ab, an dem sich der Gegenstand bei der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet. Im Gegensatz zu § 3 Abs. 5ff. UStG (§ 6a UStG Rz. 32ff.) spielt es für den innergemeinschaftlichen Erwerb keine Rolle, ob der Gegenstand der Lieferung vom Lieferer oder vom Erwerber oder von beiden oder in deren Auftrag befördert oder versendet wird.[8] § 3d UStG stellt eine selbstständige Ortsbestimmung für den innergemeinschaftlichen Erwerb, unabhängig von § 3 Abs. 5a ff. UStG dar.

 

Rz. 69

Versenden liegt vor, wenn jemand die Beförderung eines Gegenstands durch einen selbstständigen Beauftragten ausführen oder besorgen lässt, z. B. Spediteur.[9]  Der Lieferer muss bei der Übergabe des Gegenstands an den Beauftragten alles Erforderliche getan haben, um den Gegenstand an den bereits feststehenden Abnehmer, der sich grundsätzlich aus den Versendungsunterlagen ergibt, gelangen zu lassen. Es reicht aus, wenn in diesem Zeitpunkt der Abnehmer mit hinreichender Sicherheit leicht und einwandfrei aus den Umständen und Unterlagen abgeleitet werden kann.[10]

Befördern ist jede Fortbewegung eines Gegenstands.[11]  Eine Beförderung liegt auch vor, wenn der Gegenstand der Lieferung mit eigener Kraft fortbewegt wird.[12] Die Beförderung ist beendet, wenn der Gegenstand der Lieferung seinen Bestimmungsort erreicht hat. Die Beurteilung, wo eine Beförderung endet, ist im Wesentlichen das Ergebnis einer tatsächlichen Würdigung.[13] Die nach Erreichung des Bestimmungsorts vorgenommenen Beförderungen stellen eine erstmalige Verwendung des erworbenen Gegenstands dar und haben auf den Bestimmungsort grundsätzlich keinen Einfluss.[14]

Wird bereits vor der Beförderung oder Versendung die Verfügungsmacht über den Gegenstand der Lieferung dem Abnehmer oder dessen Beauftragten verschafft, kann ein innergemeinschaftlicher Erwerb auch vorliegen, wenn der Gegenstand zu einem späteren Zeitpunkt in das Inland befördert oder versendet wird.

 

Rz. 70

Vom Ort der Lieferung zu unterscheiden ist der Zeitpunkt der Lieferung, auch wenn die beiden häufig zusammenfallen. Der Zeitpunkt der Lieferung ist für die Besteuerung maßgebend.[15] Nach Auffassung des BFH[16] zu § 3 Abs. 6 UStG regelt diese Bestimmung nicht nur den Ort, sondern auch den Zeitpunkt der Lieferung. In der MwStSystRL werden Ort und Zeitpunkt des innergemeinschaftlichen Erwerbs gesondert geregelt. Nach Art. 68 S. 1 MwStSystRL tritt der Steuertatbestand zu dem Zeitpunkt ein, in dem der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen bewirkt wird, d. h. sämtliche Voraussetzungen, zu denen insbesondere die Verschaffung der Verfügungsmacht und das Gelangen ins Inland gehören (Art. 20 Unterabs. 1 MwStSystRL), erfüllt sind.

 

Rz. 70a

Es existiert keine Bestimmung, nach der die Beförderung oder der Versand des Gegenstands zum Erwerber binnen einer bestimmten Frist beginnen oder abgeschlossen sein muss. Die Anwendung einer solcher Frist würde den Erwerbern die Möglichkeit geben, den Mitgliedstaat, in dem z. B. der Erwerb eines neuen Fahrzeugs besteuert wird, danach auszuwählen, wo die Steuersätze und Bedingungen für sie am günstigsten sind, und damit zu Wettbewerbsverzerrungen führen.[17] Der EuGH hat daher in der Rs. vom 19.12.2013

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