Rz. 9

Bereits am 29.10.2004 hatte die Europäische Kommission im Rahmen der Arbeiten zum sog. Mehrwertsteuerpaket auch einen Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG hinsichtlich der Vereinfachung der mehrwertsteuerlichen Pflichten vorgelegt, der einen allgemeinen "One-Stop-Shop" als Vorschlag zur Vereinfachung der steuerlichen Pflichten von EU-Unternehmern vorsah (KOM(2004)728). Die allgemeine Umstellung des Besteuerungsverfahrens für grenzüberschreitende Umsätze auf eine einzige Anlaufstelle stieß wegen der vielfältigen offenen technischen Fragen u. a. auf deutscher Seite auf Ablehnung.[1] Auf EU-Ebene konnten die Beratungen an dem Vorschlag nicht zu einem einvernehmlichen Abschluss geführt werden. Im Zuge der Verabschiedung des Mehrwertsteuerpakets war zunächst nur eine Einigung auf eine auf TRFE-Leistungen beschränkte kleine einzige Anlaufstelle (Mini-One-Stop-Shop) möglich. Die EU-Kommission hat den (insofern nicht erledigten) Vorschlag KOM(2004)728 schließlich im Jahr 2014 zunächst zurückgezogen.[2] Später haben sich die Mitgliedstaaten jedoch auf eine Ausweitung des Mini-One-Stop-Shops auf Fernverkäufe und alle grenzüberschreitenden Dienstleistungen an Nichtunternehmer mit Sitz oder Wohnsitz in der EU mWv 1.1.2021 geeinigt mit der Folge, dass der MOSS dann zum OSS (One-Stop-Shop) wird.[3]

 

Rz. 9a

Der Anwendungszeitpunkt des OSS wurde wegen der Verzögerungen bei den technischen Vorbereitungen infolge der COVID-19-Pandemie vom 1.1.2021 auf den 1.7.2021 verschoben.[4]

 

Rz. 10

Unionsrechtliche Grundlage für die Bestimmungen zum MOSS-Verfahren für EU-Unternehmer, die bis zum 30.6.2021 TRFE-Leistungen an Nichtunternehmer in einem anderen EU-Mitgliedstaat erbringen, sind zunächst die Art. 369 bis 369k MwStSystRL. Sie wurden durch Art. 5 Ziff. 15 der Richtlinie 2008/8/EG des Rates v. 12.2.2008 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG bezüglich des Ortes der Dienstleistung[5] mWv 1.1.2015 in die MwStSystRL eingefügt. Die Umstellung der Regelungen zum Leistungsort und die Einführung des MOSS-Verfahrens für in der Union ansässige Unternehmer in Bezug auf TRFE-Leistungen setzte jedoch eine über die bloße Harmonisierung durch noch umzusetzende Richtlinien hinausgehende unionsweite Vereinheitlichung der Rechtsauslegung des materiellen Rechts zum Leistungsort ebenso voraus, wie eine zwischen den Mitgliedstaaten eng abgestimmte Umsetzung und Abwicklung der MOSS-Prozesse. Ergänzend wurden daher folgende Bestimmungen erlassen:

  • unmittelbar geltende Verfahrensregelungen in Art. 57a bis 63c in MwStVO[6]
  • geänderte Bestimmungen zum Datenaustausch zwischen den Mitgliedstaaten in Art. 43 bis 47 der ZusammenarbeitsVO[7]
  • weitere Durchführungsregelungen hinsichtlich technischer Fragen der Erklärungsabgabe in der ZusammenarbeitsDVO.[8]
 

Rz. 11

Ergänzend zu den unter Rz. 4f. und Rz. 10 genanntenrechtlichen Regelungen hinsichtlich des Leistungsorts und des , für Umsätze bis zum 30.6.2021 geltenden MOSS-Verfahrens hat die EU-Kommission diverse Informationen ausgearbeitet und auf ihrer Homepage (http://ec.europa.eu/taxation) veröffentlicht. Neben umfangreichen Erläuterungen zu den Änderungen der Ortsregelungen für TRFE-Leistungen sind dies hinsichtlich des MOSS-Verfahrens insbesondere ein "Leitfaden zur kleinen einzigen Anlaufstelle für die Mehrwertsteuer", "Ergänzende Leitlinien für Prüfung der MOSS-Daten" und eine Liste der Kontaktstellen in den Mitgliedstaaten. Auch wenn die Titel etwas anderes vermuten lassen, handelt es sich dabei nicht um mit den Mitgliedstaaten abgestimmte Informationen. Sie haben als bloße Empfehlungen und Stellungnahmen der EU-Kommission i. S. v. Art. 288 Abs. 5 AEUV keine Rechtsverbindlichkeit. Maßgebend bleiben alleine die unmittelbar geltenden EU-Rechtsvorschriften sowie die Gesetze und Regeln in den Mitgliedstaaten, wie das BMF[9] zutreffend feststellt. Trotz ihrer fehlenden rechtlichen Relevanz könnte man die genannten Meinungsäußerungen als Maßnahmen zu einer gewissermaßen faktischen Harmonisierungsverdichtung in der Praxis begreifen, was von der EU-Kommission auch durchaus beabsichtigt sein dürfte.

 

Rz. 12

Die Umsetzung der in Rz. 10 genannten, für Umsätze bis 30.6.2021 geltenden unionsrechtlichen Vorgaben zur Einführung eines MOSS für EU-Unternehmen erfolgte durch das KroatienAnpG v. 25.7.2014[10], und zwar erst aufgrund der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages v. 2.7.2014[11], was dem Bundesrat den ersten Durchgang zu den MOSS-Regelungen und damit die Möglichkeit nahm, deren konkrete Ausgestaltung inhaltlich zu beeinflussen. Art. 8 Nr. 3 des KroatienAnpG fügte mit § 18h die Regelungen zum MOSS-Verfahren für TRFE-Leistungen in Deutschland ansässiger Unternehmer an Endverbraucher im übrigen EU-Ausland (Outbound-Fall) in das UStG ein. Diese Regelung trat gem. Art. 28 Abs. 4 des KroatienAnpG bereits am 1.10.2014 in Kraft. Durch Art. 9 des KroatienAnpG wurden mWv 1.1.2015 außerdem die korrespondierenden MOSS-Bestimmungen bei Leistungen von Unter...

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