Rz. 160

Der Berichtigungszeitraum beginnt mit dem"Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung"des Wirtschaftsguts (§ 15a Abs. 1 S. 1 UStG), also grundsätzlich nicht mit dem Beginn eines bestimmten Kalenderjahres. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch der Zeitpunkt der tatsächlichen Vornahme des Vorsteuerabzugs. Nicht maßgebend ist ferner der Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung des Wirtschaftsguts. Von Bedeutung ist diese Unterscheidung, wenn die erstmalige Verwendung in einem anderen Jahr als dem der Anschaffung oder Herstellung erfolgt.

 
Praxis-Beispiel

Anlieferung des Wirtschaftsguts im Dezember 01, erstmalige Verwendung zur Ausführung von Umsätzen am 14.1.02.

Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 UStG für den Voranmeldungszeitraum IV/01; die Anwendung des § 15 Abs. 2ff. UStG bestimmt sich nach den beabsichtigten Ver­wendungsverhältnissen in 02 (Rz. 74). Beginn des Berichtigungszeitraums: 14.1.02.

 

Rz. 161

Die Regelung des Beginns des Berichtigungszeitraums in § 15a Abs. 1 S. 1 UStG entspricht zwar nicht der Grundregel des Art. 187 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL, wonach der Berichtigungszeitraum bereits im Jahr des Erwerbs oder der Herstellung des Investitionsguts beginnt. Die deutsche Regelung ist jedoch als nach Art. 187 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL zulässige Ausnahme anzusehen.[1]

 

Rz. 162

Wird ein fertiges Wirtschaftsgut nur teilweise in Gebrauch genommen oder nicht voll genutzt, so wird grundsätzlich mit der teilweisen Ingebrauchnahme das gesamte Wirtschaftsgut zur Ausführung von Umsätzen verwendet; es laufen nicht mehrere Berichtigungszeiträume. Dabei ist für die nicht genutzten Teile des Wirtschaftsguts die Verwendungsabsicht maßgebend (Abschn. 15a.3 Abs. 2 S. 5 u. 6 UStAE).[2] Diese Betrachtung gilt m. E. auch bei wirtschaftlich teilbaren Wirtschaftsgütern, insbesondere Gebäuden (so auch Abschn. 15a.3 Abs. 2 S. 4 UStAE).

 

Rz. 163

Wird ein Wirtschaftsgut (z. B. Gebäude) bereits entsprechend dem Baufortschritt in Verwendung genommen, noch bevor es insgesamt fertiggestellt ist, so beginnt für jeden gesondert in Verwendung genommenen Teil des Wirtschaftsguts mit dessen erstmaliger Verwendung ein besonderer Berichtigungszeitraum zu laufen. Der einzelnen Berichtigung sind jeweils die Vorsteuerbeträge zugrunde zu legen, die auf den entsprechenden Teil des Wirtschaftsguts entfallen.[3]

Gleiches gilt, wenn ein Wirtschaftsgut bei einer Sanierung entsprechend dem Sanierungsfortschritt wieder in Verwendung genommen wird.[4]

 

Rz. 164

Steht ein Gebäude vor der erstmaligen Verwendung leer, beginnt der Berichtigungszeitraum nach § 15a Abs. 1 UStG erst mit der erstmaligen tatsächlichen Verwendung.[5]

 

Beispiel (Abschn. 15a.3 Abs. 3 UStAE):

Ein Unternehmer errichtet ein Bürogebäude. Die im Zusammenhang mit der Herstellung des Gebäudes in Rechnung gestellte USt beträgt in den Jahren 01 100.000 EUR und 02 300.000 EUR.[6] Die abziehbaren Vorsteuerbeträge nach § 15 UStG belaufen sich vor dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung auf 100.000 EUR, da der Unternehmer im Jahr 01 beabsichtigte und dies schlüssig dargelegt hat, das Gebäude nach Fertigstellung zu 100 % für zum Vorsteuerabzug berechtigende Zwecke zu verwenden, während er im Jahr 02 beabsichtigte, das Gebäude nach Fertigstellung zu 0 % für zum Vorsteuerabzug berechtigende Zwecke zu verwenden. Das Gebäude steht nach der Investitionsphase ein Jahr leer (Jahr 03). Ab dem Jahr 04 wird das Gebäude zu 100 % für zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze verwendet.

Insgesamt in Rechnung gestellte USt: 400.000 EUR

Ursprünglicher Vorsteuerabzug (Ermittlung eines prozentualen Verhältnisses des ursprünglichen Vorsteuerabzugs zum Vorsteuervolumen insgesamt): 100.000 EUR.[7]

Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung: 1.1.04

Dauer des Berichtigungszeitraums: 1.1.04 bis 31.12.13

Tatsächliche zum Vorsteuerabzug berechtigende Verwendung im Berichtigungszeitraum:

ab Jahr 04: 100 %

Änderung der Verhältnisse:

ab Jahr 04: 75 % (100 % statt 25 %)

Vorsteuerberichtigung pro Jahr:

400.000 EUR/10 Jahre = 40.000 EUR pro Jahr

ab Jahr 04: jährlich 30.000 EUR[8] nachträglicher Vorsteuer­erstattungsanspruch

 

Rz. 165

Durch Leerstandszeiten nach der erstmaligen – wenn auch nur kuzzeitigen -tatsächlichen Verwendung eines Gegenstands wird der Ablauf des Berichtigungszeitraums weder unterbrochen noch verkürzt oder verlängert. In diesen Fällen ist dann anhand der Verwendungsabsicht über eine Berichtigung nach § 15a UStG zu entscheiden.[9] Eine Mindermeinung in der Literatur sieht hingegen den Leerstand eines Gebäudes auch dann als "erstmalige Verwendung" an, wenn die Absicht der tatsächlichen Verwendung für Ausgangsumsätze besteht. Ob der Leerstand gleich nach der Fertigstellung oder erst nach vorheriger Vermietung erfolge, sei nicht entscheidend.[10]

 

Rz. 166

Bei mehreren im Rahmen einer Maßnahme zu einem Berichtigungsobjekt zusammengefassten Lieferungen bzw. sonstigen Leistungen beginnt der die Maßnahme betreffende eigene Berichtigungszeitraum (Rz. 45, Rz. 53) zu dem Zeitpunkt, zu dem der Unternehmer das Wirtschaftsgut nach Durchfüh...

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