Rz. 350

§ 15 Abs. 1b UStG, der gem. § 27 Abs. 16 UStG[1] für Wirtschaftsgüter gilt, die aufgrund eines nach dem 31.12.2010 abgeschlossenen obligatorischen Vertrags oder gleichstehenden Rechtsakts angeschafft wurden oder mit deren Herstellung nach dem 31.12.2010 begonnen wurde, schließt den Vorsteuerabzug aus bei vom Unternehmer sowohl für Zwecke seines Unternehmens als auch für Zwecke, die außerhalb seines Unternehmens liegen, genutzten Grundstücken hinsichtlich der mit der privaten Verwendung im Zusammenhang stehenden Vorsteuern aus Lieferungen, der Einfuhr, dem innergemeinschaftlichen Erwerb oder beim Bezug von sonstigen Leistungen (Rz. 19). Das gilt auch bei Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, also z. B. für den Nießbrauch an Grundstücken oder die Erbpacht.

 

Rz. 351

Die Verwaltung hat die Geltungsanordnung gem. § 27 Abs. 16 UStG in den BMF v. 2.1.2012[2] und v. 24.4.2012[3] durch Übergangsregelungen bis Ende 2012 hinausgeschoben, weil sich die Unternehmen auf die kurzfristig vom Gesetzgeber geänderte Rechtslage nicht rechtzeitig einstellen konnten. Bei zeitlich gestreckten Herstellungsvorgängen soll es nicht beanstandet werden, wenn sich der Unternehmer auch für solche – die Herstellung des Grundstücks betreffenden – Eingangsleistungen, die nach dem 31.12.2012 bezogen werden, noch auf die bisher geltende Verwaltungsauffassung beruft. Das bedeutet, dass dann noch die vollständige Abzugsmöglichkeit für die Vorsteuern besteht und die spätere nichtunternehmerische Nutzung gem. § 3 Abs. 1b und Abs. 9a UStG zu versteuern ist. Diese Übergangsregelung kann also noch sehr lange Zeit Wirkung zeigen.

 

Rz. 352

Bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden ist § 15 Abs. 1b S. 1 UStG entsprechend anzuwenden.[4] Das ist systematisch sinnvoll, denn die Vorsteuerabzugsberechtigung hängt bei Gebäuden nicht davon ab, wer bürgerlich-rechtlicher Eigentümer ist. Vielmehr kommt es auf die Zuordnung des Gebäudes zu einem Unternehmen an. Dieses kann regelmäßig auf der Grundlage von Miet- oder Pachtverträgen ohne Weiteres auch auf fremden Grundstücken betrieben werden.[5]

 

Rz. 353

Der Gesetzgeber hat mit § 15 Abs. 1b UStG Art. 168a MwStSystRL umgesetzt, der die Folgen der EuGH-Rspr. zur Steuerpflicht der privaten Selbstnutzung von Unternehmensgrundstücken[6] und deren Bemessungsgrundlage[7] fiskalisch und systematisch auf das sinnvolle Maß zurückführt[8], denn der EuGH hatte sich mit der Rspr. zur steuerpflichtigen Selbstnutzung von unternehmerischen Gebäuden, die zum Vorsteuerabzug berechtigte, dogmatisch verirrt.

 

Rz. 354

§ 15 Abs. 1b UStG kann nur hinsichtlich der Gebäudeteile eingreifen, die dem Unternehmen im Rahmen des in Rz. 94ff. beschriebenen Zuordnungswahlrechts zugeordnet wurden. Die 10-%-Grenze gem. § 15 Abs. 1 UStG (Rz. 144ff.) muss also überschritten sein, um das Gebäude dem Unternehmen zuordnen zu können. Für ausschließlich privat genutzte Gebäude gibt es den Vorsteuerabzug schon nach § 15 Abs. 1 UStG nicht, vgl. das in Rz. 131 erwähnte Urteil des BFH v. 23.9.2009[9], sodass in diesen Fällen § 15 Abs. 1b UStG ohne Belang ist.[10] Die Zuordnungsentscheidung ist dem FA mitzuteilen.[11] Bei der Vorsteueraufteilung gem. § 15 Abs. 4 UStG gilt die Vorschrift entsprechend.[12]

 
Praxis-Beispiel

Steuerberater U errichtet im Jahr 2019 ein Gebäude, in dessen Erdgeschoss er seine Beratungskanzlei betreibt. Das erste Geschoss bewohnt er privat. Die Nutzfläche verteilt sich zu 65 % auf das Erdgeschoss und zu 35 % auf den ersten Stock.

Lösung:

U kann das Gebäude in vollem Umfang seinem Unternehmen zuordnen, denn die unternehmerische Nutzung beträgt mehr als 10 %. Das muss er dem FA mitteilen[13], denn sonst ist nach Abschn. 15.6a Abs. 7 UStAE davon auszugehen, dass er das Gebäude nur in dem Umfang seinem Unternehmen zuordnet, in dem er den Vorsteuerabzug geltend machen kann, d. h. zu 65 %. Da das Gebäude nach dem 31.12.2010 errichtet wurde, sind gem. § 27 Abs. 16 i. V. m. § 15 Abs. 1b UStG die Vorsteuern, die auf den ersten Stock entfallen, vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, mithin kann er 35 % dem Grunde nach nicht abziehen. Die nicht abzugsfähigen Vorsteuern müssen sowohl beim Bau als auch bei der Unterhaltung des Gebäudes konkret ermittelt werden, sodass z. B. die auf die Installation der Küche und der Sanitärräume in der Wohnung, die erfahrungsgemäß von der Ausstattung von Kanzleiräumen abweicht, ebenso wie z. B. die Fußbodenbeläge, gesondert zu betrachten sind. Die Vorsteuern können also nicht einfach pauschal mit 35 % entsprechend dem privat genutzten Flächenanteil vom Abzug ausgeschlossen werden.

Ein derartiger Aufteilungsschlüssel kommt aber z. B. für das Dach und andere Bauteile in Betracht, wenn eine direkte Zuordnung zu einer Nutzungsart nicht möglich ist.

 

Rz. 355

Die Folge des Vorsteuerabzugsverbots gem. § 15 Abs. 1b UStG zeigt sich in § 3 Abs. 9a UStG i. d. F. ab dem 1.1.2011, wonach die unter § 15 Abs. 1b UStG fallenden Grundstückteile wegen der Selbstnutzung nicht der Besteuerung als...

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