Rz. 251

Seit dem 1.1.1980 bietet § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG die Möglichkeit zum Abzug der Vorsteuern, die aus An- oder Vorauszahlungen stammen. Voraussetzung dafür ist, dass eine Rechnung mit gesondertem Ausweis der USt vorliegt und dass die Zahlung geleistet worden ist. Im Gegensatz zum in § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG geregelten (Normal-)Fall des Sollprinzips, dass der Vorsteuerabzug erst nach Ausführung der Leistung, aber ohne Rücksicht auf die Zahlung des Entgelts geltend gemacht werden kann, verlangt § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 UStG, dass die Zahlung geleistet ist. Diese Einschränkung des Sollprinzips durch eine Anzahlungs-Istbesteuerung dient der Sicherung des Steueraufkommens, denn anderenfalls ist die Gefahr gegeben, dass ständig über fingierte Aufträge abgerechnet würde, um den Vorsteuerabzug aus den Vorausrechnungen als billige Finanzierungsquelle zu missbrauchen. Der EuGH hat in dem Urteil v. 21.2.2006[1] entschieden, dass der Begriff der Anzahlung eine Spezifizierung der zu erbringenden Leistung verlangt, sodass es nicht möglich ist, bei Gesetzesänderungen über Anzahlungen den Vorsteuerabzug zu konservieren nach dem Stand des Gesetzes vor seiner Änderung.[2] Obschon in § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 UStG i. d. F. vor dem 1.1.2004 nicht ausdrücklich auf § 14 UStG verwiesen wurde, mussten nach dem Sinnzusammenhang an die Rechnung über die noch auszuführende Leistung die gleichen formellen Anforderungen gestellt werden wie an die Rechnungen, die über bereits bewirkte Umsätze erteilt werden. Seit dem 1.1.2004 ist dies durch S. 2 von § 15 Abs. 1 UStG ausdrücklich klargestellt. In Abschn. 14.8 Abs. 7 und Abschn. 15.3 Abs. 3 UStAE finden sich mehrere praktische Beispiele zur Rechnungserteilung bei Anzahlungen und dem entsprechenden Vorsteuerabzug.

 
Praxis-Beispiel

Wenn ein Wartungsvertrag für eine Maschine o. Ä. z. B. über den Zeitraum eines Kj.s läuft, ist die Leistung Wartung erst nach Ablauf des betreffenden Jahrs bewirkt. Wird nun bereits im Laufe des Jahrs über die Leistung ordnungsgemäß abgerechnet, kann der Leistungsempfänger den Vorsteuerabzug schon in dem Voranmeldungszeitraum geltend machen, in dem er gezahlt hat. Wird der Betrag in Teilbeträgen gezahlt, ist der Vorsteuerabzug entsprechend den Teilzahlungen aufzuteilen.

 

Rz. 251a

Im Urteil v. 29.1.2015[3] hat der BFH den Vorsteuerabzug aus Anzahlungen für ein zum Zweck der Verpachtung gekauftes, später aber tatsächlich nicht geliefertes Blockheizkraftwerk versagt, weil die Erbringung der eingekauften Leistung von Anfang an so unsicher war, dass bei objektivierter Sicht der Besteller wusste oder hätte wissen müssen, dass die Leistung ausbleiben werde. Dazu beruft sich der BFH auf das Urteil des EuGH v. 13.3.2014[4], wonach der Vorsteuerabzug aus Anzahlungen voraussetzt, dass alle maßgeblichen Elemente des Steuertatbestands der künftigen Lieferung oder sonstigen Leistung zum Zeitpunkt der Anzahlung genau bestimmt sind. Daran fehlt es aber in den Fällen der Unsicherheit.

 

Rz. 252

Wenn auf eine Voraus- oder Abschlagsrechnung nur ein geringerer Betrag als der in Rechnung gestellte gezahlt wird, ist nur ein entsprechend geringerer Vorsteuerabzug zulässig.[5] Die Verwaltung hat zu dem gleichfalls möglichen Fall, dass ein höherer Betrag als der im Voraus in Rechnung gestellte gezahlt wird, nicht Stellung genommen. Da es in derartigen Fällen am Ausweis der USt in der zutreffenden Höhe fehlt, kommt nur der Vorsteuerabzug aus dem in der Rechnung offen ausgewiesenen Betrag in Betracht, denn der Vorsteuerabzug aus Anzahlungen ist nur zulässig, soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung der Leistung entfällt.

 

Rz. 253

Bei einer Schlussrechnung ergibt sich der Vorsteuerabzug aus der ausgewiesenen Steuer abzüglich der bereits in den Abschlagsrechnungen enthaltenen Umsatzsteuer.[6] Der leistende Unternehmer muss in der Schlussrechnung die erhaltenen Anzahlungen und die darauf entfallende USt angeben, wenn für diese Anzahlungen USt offen in Rechnung gestellt wurde.[7] Damit ist sichergestellt, dass der Leistungsempfänger nicht durch Abzug der Vorsteuer aus der Anzahlungsrechnung und nochmals aus der Endrechnung bezüglich der gleichen Leistung zweimal den Vorsteuerabzug geltend machen kann. Wird § 14 Abs. 5 UStG bei der Schluss- oder Endrechnung nicht beachtet, dann schuldet der leistende Unternehmer den zu hoch ausgewiesenen Betrag nach § 14c Abs. 1 UStG.[8] Der Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger muss in diesem Fall versagt werden, weil keine ordnungsgemäße Rechnung i. S. v. § 14 Abs. 1 UStG vorliegt.[9]

 

Rz. 254

Wie beim Vorsteuerabzug nach bewirkter Leistung ist auch beim vorgezogenen Vorsteuerabzug aus Anzahlungen der Vorsteuerabzug erst zulässig, wenn beide Voraussetzungen, d. h. Vorliegen der ordnungsgemäßen (Voraus- oder Abschlags-)Rechnung und Leistung der Zahlung oder Teilzahlung, erfüllt sind.

 

Rz. 255

Weil die Istversteuerung nur eine vorgezogene Versteuerung der Anzahlungen bewirkt, die (endgültige) Entstehung der Steuer bzw. des Vorsteuerabzugs...

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