Rz. 94

Es müssen Lieferungen oder sonstige Leistungen für das Unternehmen des Abzugsberechtigten ausgeführt worden sein. Das bedeutet, dass die Vorumsätze der unternehmerischen Betätigung unmittelbar oder mittelbar dienen müssen und der Unternehmer der Leistungsempfänger ist. Diese Voraussetzung muss als Erstes zweifelsfrei feststehen.[1]

 

Rz. 94a

Der BFH sieht im Regelfall den zivilrechtlichen Vertragspartner als den Leistungsempfänger an. Es spielt für ihn daher keine Rolle, wer die Leistung tatsächlich (freiwillig) bezahlt hat oder wem sie wirtschaftlich zugutekommt. Deshalb hat er im Urteil v. 30.4.2014[2] einer KG den Vorsteuerabzug aus den Kosten einer notariellen Beurkundung über die Übertragung von Kommanditanteilen und einer bei ihr durchgeführten "Due Diligence"-Prüfung versagt, denn die KG hatte nicht die Aufträge für diese Leistungen erteilt. Der BFH lehnt zu Recht damit ausdrücklich die Auffassung von Stadie[3] ab, dass der Vorsteuerabzug demjenigen zustehe, der Kosten freiwillig übernommen hat. Im Urteil vom 6.6.2019[4] hat der BFH einem Unternehmen den Vorsteuerabzug aus Maklerleistungen zugesprochen, die für die Wohnungssuche für Angestellte angefallen sind, die vom Ausland in den inländischen Unternehmensbereich versetzt wurden. Das diente unzweifelhaft den Zwecken des Unternehmens.[5]

 

Rz. 94b

Im Urteil vom 31.5.2017[6] hat der BFH dem Mitglied einer Lotsenbruderschaft den Vorsteuerabzug aus der anteiligen Umlage von Entgelten für Bezüger der Lotsenbruderschaft versagt, weil das Mitglied nicht Leistungsempfänger dieser Bezüge war.

 

Rz. 94c

Unter Aufgabe seiner bisherigen Rspr.[7] gelangte der BFH im Urteil vom 21.11.2018[8] zu der Auffassung, dass eine Bruchteilsgemeinschaft nicht Unternehmer sein kann, sodass die Gemeinschafter als jeweiliger Unternehmer anteilig von ihnen zu versteuernde Leistungen erbringen. Dementsprechend sind auch sie die anteiligen Leistungsempfänger, wenn für Zwecke der Bruchteilsgemeinschaft Leistungen bezogen werden. Wörtlich führt der BFH aus: "Leistungsempfänger ist stets der einzelne Gemeinschafter entsprechend seiner Beteiligung, wobei sich das Recht auf den Vorsteuerabzug bei ihm gleichermaßen aus seiner eigenunternehmerischen Verwendung oder aus einem gemeinsamen Handeln der Gemeinschafter durch gemeinsame Nutzung des Rechts gegenüber Dritten ergeben kann. In beiden Fällen ist es der Gemeinschafter, der entsprechend seiner Beteiligungsquote den Vorsteuerabzug für sich als Unternehmer geltend machen kann".

 

Rz. 94d

Leider hat der BFH in diesem Urteil, wie schon im Urteil vom 1.10.1998[9] nichts dazu ausgeführt, wie die vom Leistenden zu erstellende Rechnung auszusehen hat. In Betracht kommt die Erteilung von jeweils getrennten Rechnungen an die einzelnen Gemeinschafter entsprechend ihrem Anteil oder eine Gesamtrechnung, in der die einzelnen Gemeinschafter mit ihrem jeweiligen Anteil aufzuführen sind. Das verlangt allerdings die Offenlegung der Anteilsverhältnisse an der sonst nach außen nicht auftretenden Gemeinschaft durch die Gemeinschafter.

 

Rz. 94e

Es ist nicht entscheidend, ob das zivilrechtliche Vertragsverhältnis mündlich oder schriftlich zustande kam. Freilich werden schriftliche Unterlagen die Bestimmung des umsatzsteuerlichen Leistungsempfängers in der Praxis erleichtern. Daher ist für die Praxis die Schriftform dringend zu empfehlen, sofern es sich nicht um die Geschäfte des täglichen Lebens handelt, bei denen sich aus der Rechnung die Art des Leistungsaustausches ergibt. Wenn z. B. ein Gastwirt auf dem Markt Gemüse einkauft, wäre es lebensfremd, dafür einen schriftlichen Kaufvertrag zu schließen. Aus der Rechnung mit den Angaben gem. § 14 UStG ergibt sich aber, dass hier eine Lieferung auf der Grundlage eines mündlich geschlossenen Vertrags stattfand.

 

Rz. 94f

Die unternehmerische Betätigung umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit im Rahmen eines Unternehmens, gleichgültig, wo diese ausgeübt wird. Wegen der sog. Unternehmenseinheit gem. § 2 Abs. 1 UStG bilden alle, u. U. völlig verschiedenartige Tätigkeiten des Unternehmers ein Unternehmen, Der Unternehmer hat also nur ein Unternehmen; der Vorsteuerabzug für die Vorleistungen für dieses Unternehmen richtet sich nach deren Verwendung für die im einheitlichen Unternehmen bewirkten Umsätze.

 

Rz. 95

Art. 168 MwStSystRL verlangt – ebenso wie früher Art. 17 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie – einen Bezug des Unternehmers "für Zwecke seiner besteuerten Tätigkeit". Das legt der EuGH in ständiger Rspr. seit dem Urteil v. 8.6.2000[10] so aus, dass ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsumsatz bestehen muss.[11] "Besteuert" bedeutet nach deutschem Sprachgebrauch "steuerbar", d. h. der Umsatzsteuersteuer unterliegend, unabhängig von Steuerpflicht oder Steuerfreiheit des Umsatzes. Der Zusammenhang mit der besteuerten Tätigkeit ist auch dann gegeben, wenn die Kosten für die Eingangsleistungen zu den allgemeinen Aufwendungen des Unternehmens gehören.

 

Rz. 95a

Der EuGH will dies a...

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