Rz. 86

Die Vorschrift setzt voraus, dass das Entgelt bzw. Teilentgelt in Form von Anzahlungen, Abschlagzahlungen, Vorauszahlungen, Vorschüssen o. Ä. vereinnahmt wird, bevor der Umsatz ausgeführt wird. Wird eine Leistung ausgeführt, bevor die mit einer Anzahlungs- oder Vorausrechnung angeforderte Zahlung eingeht, so muss die Versteuerung zum Zeitpunkt der Leistungsausführung vorgenommen werden und nicht erst im Zeitpunkt des späteren Zahlungseingangs. Das entspricht der Grundregel des § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a S. 1 UStG.

 
Praxis-Beispiel

Ein Unternehmer (Monatszahler), der seine Umsätze nach vereinbarten Entgelten versteuert, liefert eine Ware zum Preis von 100.000 EUR + 19 % USt. Er fordert mit einer Vorausrechnung den vollen Betrag von 119.000 EUR im März an, erhält diesen Betrag aber erst im September. Die Ware liefert er bereits im April. Die USt entsteht mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums April.

 

Rz. 87

Da die Vorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a S. 4 UStG einen selbstständigen und abschließenden Steuerentstehungstatbestand enthält, müssen vom vormaligen Organträger versteuerte Anzahlungen für Leistungen, die erst nach Beendigung der Organschaft abschließend erbracht werden, bei der Steuerfestsetzung gegenüber der vormaligen (jetzt selbstständigen) Organgesellschaft berücksichtigt werden. Andernfalls käme es im Umfang der bereits versteuerten Leistungen zu einer Doppelbesteuerung.[1]

 

Rz. 88

Eine Vereinnahmung des Entgelts oder Teilentgelts liegt vor, wenn es dem Unternehmer in der Weise zugeflossen ist, dass er wirtschaftlich darüber verfügen kann. Auf den Zeitpunkt der Rechnungserteilung kommt es genauso wenig an wie auf die Fälligkeit der Entgeltforderung. Die Steuer entsteht nur insoweit, als ein Entgelt bzw. Teilentgelt tatsächlich vereinnahmt worden ist, und zwar auch dann, wenn das im Voraus vereinnahmte Entgelt bzw. Teilentgelt niedriger ist als in der Rechnung angegeben.[2]

 

Rz. 89

Anzahlungen, Abschlagszahlungen, Vorauszahlungen usw. führen nur dann zur Entstehung der Steuer, wenn sie für eine (nach Art, Umfang und Zeitpunkt) bestimmte oder zumindest bestimmbare Leistung entrichtet werden.[3] Fehlt es dagegen bei der Vereinnahmung der Zahlung noch an einer konkreten Leistungsvereinbarung, kann u. U. eine bloße Kreditgewährung vorliegen. Aus den Umständen des Einzelfalls (z. B. bei dauernder Geschäftsverbindung mit regelmäßig sich wiederholenden Aufträgen) kann sich ergeben, dass es sich gleichwohl um eine Anzahlung auf eine künftige Leistung handelt, die zur Entstehung der Steuer führt.[4] Eine Kreditgewährung wird man dann annehmen müssen, wenn die Zahlung durch den Empfänger zu verzinsen ist.[5]

 

Rz. 90

Kommt es nicht zur Ausführung der vereinbarten Leistung, ist die Anzahlungsbesteuerung gem. § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG insoweit zu berichtigen, als das Entgelt (die Anzahlung) tatsächlich zurückgezahlt wird.[6] Steht allerdings im Zeitpunkt der Vereinnahmung der Anzahlung bereits fest, dass die vertraglich geschuldete Leistung nicht mehr erbracht wird oder werden kann, so findet die Anzahlungsbesteuerung keine Anwendung. Die Anzahlung ist in diesem Fall eine nicht steuerbare bloße Hingabe von Geld.[7]

 

Rz. 91

Der Erwerb einer Multifunktionskarte (Chipkarte), die zur Inanspruchnahme verschiedener Leistungen benutzt werden kann (z. B. Telefondienstleistungen, Parken in Parkhäusern, Benutzung von Parkscheinautomaten, Inanspruchnahme von Leistungen im öffentl. Personennahverkehr), erschöpft sich in dem Umtausch eines Zahlungsmittels "Bargeld" in ein anderes Zahlungsmittel "elektronisches Geld". Der Vorgang ist nicht steuerbar; die Besteuerung ist erst bei der konkreten Leistungserbringung durch die jeweiligen Unternehmer vorzunehmen.[8] Gibt jedoch z. B. ein Parkhausunternehmer eine Karte aus, die nur zum Parken in seinen Parkhäusern berechtigt, handelt es sich bei dem vereinbarten "Kaufpreis" für die Parkhauskarte um ein vorausbezahltes Entgelt für das Parken. Die USt entsteht in diesen Fällen bei der Vereinnahmung des vorausbezahlten Entgelts, d. h. bei Ausgabe der Parkhauskarte, gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a S. 4 UStG.[9]

 

Rz. 92

Bei der Abgabe von Einzweckguthabenkarten (Monofunktionskarten) in der Telekommunikation entsteht die Steuer gem. § 13 Abs. 1 Buchst. a S. 1 UStG bei der Soll-Besteuerung mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistung (Ermöglichung der Inanspruchnahme von Telefondienstleistungen oder Vermittlungsleistung) ausgeführt worden ist, regelmäßig also mit der Abgabe der Telefonkarte.[10] Für vor dem 1.1.2013 abgegebene Telefonkarten beanstandet die Verwaltung nicht, wenn der Unternehmer unter Berufung auf die bisherige Verwaltungspraxis den vereinnahmten Betrag erst bei Aktivierung des Kartenguthabens als Anzahlung versteuert.

 

Rz. 93

Werden Gutscheine ausgegeben, die nicht zum Bezug von hinreichend bezeichneten Leistungen berechtigen, handelt es sich lediglich um den Umtausch eines Zahlungsmittels in ein anderes Zahlungsmittel. Eine Anzahlung liegt nicht vor, da die Le...

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