Rz. 83

Wenn die Voraussetzungen für eine Steuerermäßigung vorliegen, hat der leistende Unternehmer zwingend den ermäßigten Steuersatz auf den Umsatz anzuwenden. Er hat kein Wahlrecht, für diesen Umsatz – auch wenn er an voll vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer für deren Unternehmen ausgeführt wird – auf die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes freiwillig zu verzichten (§ 12 Abs. 2 UStG Rz. 27). Unternehmer, die auf eine von ihnen ausgeführte Lieferung oder sonstige Leistung – statt zutreffend den ermäßigten Steuersatz – fälschlicherweise (irrtümlich oder bewusst) den allgemeinen Steuersatz angewendet haben, schulden

  • die USt für den Umsatz zum ermäßigten Steuersatz und zusätzlich
  • die USt für die in einer Rechnung zu hoch ausgewiesene USt nach § 14c Abs. 1 UStG.[1]

Dabei berechnet sich die für den Umsatz geschuldete Steuer ausgehend vom tatsächlich vereinnahmten Preis für die Lieferung oder sonstige Leistung (Bruttobetrag). Aus diesem Bruttobetrag wird die zutreffende USt zum ermäßigten Steuersatz von 7 % mit 7/107 herausgerechnet.[2] Die nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldete USt (der sog. Mehrbetrag) ist die Differenz zwischen der in der Rechnung gesondert ausgewiesenen USt und der für den Umsatz geschuldeten USt. Ein unternehmerischer Leistungsempfänger darf – solange keine berichtigte Rechnung vorliegt – nur die für den Umsatz geschuldete USt als Vorsteuer abziehen, nicht etwa die in der Rechnung zu hoch ausgewiesene USt zum allgemeinen Steuersatz.[3]

 

Beispiel 3:

Ein Großhändler liefert im Januar 01 einem Einzelhändler einen in der Anlage 2 des UStG aufgeführten Gegenstand, sodass nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i. V. m. der Anlage 2 des UStG der ermäßigte Steuersatz anzuwenden ist. Der Großhändler geht irrtümlich von einem nicht begünstigten Gegenstand aus und erteilt eine Rechnung über 1.000 EUR zuzüglich 19 % = 190 EUR USt. Er meldet den Umsatz und die darauf entfallende Steuer in der USt-Voranmeldung für Januar 01 unter "steuerpflichtige Umsätze zum Steuersatz von 19 %" an und führt die USt von 190 EUR an das FA ab. Der Einzelhändler bemerkt den Fehler nicht. Er zieht die in Rechnung gestellten 190 EUR USt als Vorsteuer ab und begleicht zwei Wochen später den vollen Rechnungsbetrag von 1.190 EUR.

Das FA entdeckt beim leistenden Unternehmer die fehlerhafte Anwendung des ermäßigten Steuersatzes anlässlich einer späteren Außenprüfung. Es ermittelt die zutreffende Steuer für den Umsatz wie folgt:

 
Gesamtrechnungsbetrag 1.190,00 EUR
Herausrechnung der für den Umsatz geschuldeten Steuer mit 7/107 von 1.190 EUR 77,85 EUR
Nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldete USt (190 EUR abzüglich 77,85 EUR) 112,15 EUR

Wegen der Steuerschuld nach § 14c Abs. 1 UStG wird das FA im Ergebnis keine Umsatzsteuer-Erstattung vornehmen.

Der Einzelhändler darf nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG statt des in der ursprünglichen Rechnung ausgewiesenen Betrags von 190 EUR nur die vom Großhändler für den Umsatz geschuldete USt i. H. v. 77,85 EUR als Vorsteuer abziehen.

 

Rz. 84

Wenn der leistende Unternehmer über die Lieferung oder sonstige Leistung eine Rechnung erteilt hat, hat er nach § 14c Abs. 1 S. 2 UStG die Möglichkeit, diese zu berichtigen (Ausweis der USt zum ermäßigten Steuersatz statt bisher zum allgemeinen Steuersatz). Ob allerdings der leistende Unternehmer gegenüber seinem Leistungsempfänger die Differenz zwischen der bisher zum allgemeinen Umsatzsteuersatz ausgewiesenen Steuer und der Steuer zum ermäßigten Steuersatz zu erstatten hat, ist eine Frage des Zivilrechts, nicht des Steuerrechts. Maßgebend sind die Preisvereinbarungen in Angeboten, Verträgen usw. Danach kommen sowohl Rechnungsberichtigungen in Betracht, bei denen der in Rechnung gestellte Bruttobetrag unverändert bleibt, als auch Rechnungsberichtigungen, bei denen das Entgelt (Nettorechnungsbetrag) unverändert bleibt und darauf die USt zum ermäßigten Steuersatz ausgewiesen wird.[4] Wurde ein zu hoch ausgewiesener Rechnungsbetrag vom leistenden Unternehmer bereits vereinnahmt und steht dem Leistungsempfänger aus der Rechnungsberichtigung ein Rückforderungsanspruch zu, ist die Berichtigung des geschuldeten Mehrbetrags erst nach einer entsprechenden Rückzahlung an den Leistungsempfänger zulässig.[5]

 

Beispiel 4:

Der Großhändler aus Beispiel 3 berichtigt im Anschluss an die Außenprüfung des FA seine Rechnung. Diese berichtigte Rechnung ist für Zwecke der Berichtigung des Steuerbetrags nur anzuerkennen, soweit der leistende Unternehmer vom bereits vereinnahmten Rechnungsbetrag den Differenzbetrag i. H. v. 120 EUR (1.190 EUR abzüglich 1.070 EUR) an den Leistungsempfänger zurückgewährt.[6] Entsprechend verhält sich der Großhändler. In der berichtigten Rechnung führt er den Gegenstand nunmehr mit 1.000 EUR zuzüglich 7 % USt = 70 EUR (Bruttobetrag 1.070 EUR) auf und erstattet dem Einzelhändler die Differenz von 120 EUR.

Der Großhändler schuldet, sobald die Rechnungsberichtigung durch Rechnungseingang beim Einzelhändler wirksam geworden ist, lediglich die USt für den Umsatz zum ermäßigten Ste...

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