1 Allgemeines

 

Rz. 1

Die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG ergänzt die Steuervergünstigungen im Bereich der Gesundheitspflege (z. B. Steuerbefreiungen nach § 4 Nr. 14 bis Nr. 18 UStG und die Steuerermäßigungen nach Nrn. 51 und 52 der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 UStG). Zweck dieser Begünstigungsvorschrift ist es, den Betrieb von Schwimmbädern im Hinblick auf ihre bedeutsame Funktion zur Erhaltung und Wiederherstellung der Volksgesundheit steuerlich zu begünstigen.[1] Die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 9 S. 1 UStG beruht unionsrechtlich auf Art. 98 Abs. 2 i. V. m. Anhang III Nr. 13 und Nr. 17 MwStSystRL. Danach können die Mitgliedstaaten folgende Umsätze einem ermäßigten Steuersatz unterwerfen: "Eintrittsberechtigung für Sportveranstaltungen oder Zugang zum Live-Streaming dieser Veranstaltungen oder beides; Überlassung von Sportanlagen und Angebot von Sport- oder Bewegungskursen auch im Wege von Live-Streaming" sowie "medizinische Versorgungsleistungen und zahnärztliche Leistungen sowie Thermalbehandlungen" soweit sie nicht gem. Art. 132 Abs. 1 Buchst. b bis e MwStSystRL steuerbefreit sind". Sowohl der Begriff "Verabreichung von Heilbädern" in § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG als auch der Begriff "Thermalbehandlung" in Anhang III Nr. 17 MwStSystRL ist dahin zu verstehen, dass diese im Rahmen einer medizinischen Heilbehandlung erfolgen müssen.[2] Eine Definition des Begriffs Thermalbehandlungen enthält die MwStSystRL nicht. Auch aufgrund der systematischen Stellung in Kategorie 17 des Anhangs III der MwStSystRL und des Normzusammenhangs in dieser Kategorie, sowie des Grundsatzes der engen Auslegung von Befreiungen und Ausnahmevorschriften ist der Begriff jedoch dahingehend auszulegen, dass darunter nur Thermalbehandlungen fallen, die im Rahmen einer medizinischen Heilbehandlung bewirkt werden. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Entscheidung über die Ausübung des Rechts auf Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt. Die Mitgliedstaaten haben dabei die Möglichkeit, nur einzelne konkrete und spezifische Aspekte einer Kategorie von Leistungen i. S. d. Anhangs III MwStSystRL mit einem ermäßigten Steuersatz zu belegen, vorausgesetzt dass der Grundsatz der steuerlichen Neutralität beachtet wird. Diese den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit einer selektiven Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ist u. a. dadurch gerechtfertigt, dass Befreiungen und Ausnahmevorschriften eng auszulegen sind.[3]

 

Rz. 2

Die Steuerermäßigung für die Umsätze mit Schwimmbädern und Heilbädern gilt schon seit dem 1.1.1968. Nach seinem schriftlichen Bericht v. 30.3.1967 zu BT-Drs. V/1581[4] war der Finanzausschuss der Auffassung, dass für bestimmte Bereiche, in denen die Anwendung des Normalsteuersatzes nach vorliegenden Berechnungen zu nicht zu verantwortenden Preiserhöhungen oder, falls der Abnehmer höhere Preise nicht akzeptieren würde, zu einer nicht vertretbaren Gewinnschmälerung der Unternehmen geführt hätten, ein halbierter Steuersatz vorgesehen werden sollte. Der halbierte Steuersatz (damals 5 %) sollte u. a. auch für Schwimm- und Heilbäder gelten.

 

Rz. 3

Die Steuerermäßigung für die Bereitstellung von Kureinrichtungen ist erst zum 1.1.1980 in das Gesetz aufgenommen worden. Nach der Gesetzesbegründung[5] ist die Bereitstellung von Kureinrichtungen gegen Erhebung einer Kurtaxe eine einheitliche Leistung, deren einzelne Bestandteile für sich teilweise steuerfrei wären (z. B. Kurkonzerte) oder dem ermäßigten Steuersatz unterlägen (z. B. Schwimmbäder, Trinkkuren). Durch die Anwendung des allgemeinen Steuersatzes auf die einheitliche Leistung könnten sich für Bäderverwaltungen Wettbewerbsnachteile ergeben. Diese Nachteile würden durch die Erweiterung der Steuerermäßigung auf die Kureinrichtungen weitgehend beseitigt.

 

Rz. 4

Die Steuerermäßigung kommt regelmäßig den Endverbrauchern zugute, da die Leistungen der Schwimmbäder, Heilbäder und Kureinrichtungen i. d. R. an Privatpersonen erbracht werden. Sie knüpft nur an derartige Sachleistungen an, auf die Person des Unternehmers kommt es dabei nicht an. Die Steuerermäßigung gilt für alle Unternehmer, die die genannten Leistungen erbringen.

 

Rz. 5

Der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG kommt nur für die folgenden drei Tatbestände in Betracht:

  • die unmittelbar mit dem Betrieb von Schwimmbädern verbundenen Umsätze,
  • die Verabreichung von Heilbädern,
  • die Bereitstellung von Kureinrichtungen, soweit als Entgelt eine Kurtaxe zu entrichten ist.
[2] BFH v. 28.8.2006, V B 180/05 u. BFH v. 12.5.2005, V R 54/02, BFH/NV 2005, 1470 zu Saunaumsätzen eines Fitnessstudios; die Verwaltung war dieser Auffassung lange nicht gefolgt, vgl. OFD Hannover v. 21.8.2006, S 7243-12-StO 184; mittlerweile hat die Verwaltung sich der strengen Sicht des BFH angeschlossen; Rz. 42ff.
[3] Ständige EuGH-Rechtsprechung, EuGH v. 6.5.2010, C-94/09, Kommission/Frankreich, BFH/NV 2010, 1401.
[4] Nr. 4 Buchst. c des Allg...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Gold. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge