Rz. 411

Die Nichtsteuerbarkeit nach § 1 Abs. 1a UStG setzt voraus, dass – neben der Möglichkeit, einen gesondert geführten Teilbetrieb zu veräußern – ein Unternehmen im Ganzen übertragen wird. Entscheidend ist, dass die übertragenen Vermögensgegenstände ein hinreichendes Ganzes bilden, um dem Erwerber die Fortsetzung einer bisher durch den Veräußerer ausgeübten unternehmerischen Tätigkeit zu ermöglichen, und der Erwerber dies auch tatsächlich tut.[1] Nach der Rechtsprechung des EuGH[2] muss die Gesamtheit der übertragenen Bestandteile hinreichen, um die Fortführung einer selbstständigen wirtschaftlichen Tätigkeit zu ermöglichen. Dabei ist jeweils nach der infrage stehenden wirtschaftlichen Betätigung zu beurteilen, ob die Gesamtheit sowohl bewegliche als auch unbewegliche Sachen umfassen muss. Dabei ist die im Rahmen der Geschäftsveräußerung im Ganzen erforderliche Möglichkeit der Fortführung aus der Sicht des Erwerbers zu bestimmen.[3]

 

Rz. 412

Auch ein einzelnes Wirtschaftsgut kann ein "Unternehmen im Ganzen" sein, und somit die wesentliche Betriebsgrundlage für eine Geschäftsveräußerung darstellen. Insbesondere liegt dies bei der Übertragung von Grundstücken vor. Die Übertragung eines Vermietungs- oder Verpachtungsunternehmens stellt unter den weiteren Voraussetzungen eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung dar.[4] Allerdings stellt das Gebäude als solches nicht das wesentliche Element dar, was alleine ausschlaggebend für eine Geschäftsveräußerung ist. Nach der Rechtsprechung des BFH[5] wie auch der Finanzgerichte[6] ist die Veräußerung eines Gebäudes ohne Übergang des Mietvertrags bzw. der Mietverträge keine Geschäftsveräußerung.[7] Die Übertragung eines unvermieteten Grundstücks führt nicht zur Übertragung eines Unternehmensteils, mit dem eine selbstständige Tätigkeit fortgeführt werden kann, sondern zur Übertragung eines einzelnen Vermögensgegenstands. Soweit der Erwerber das vermietete Immobilienobjekt mit den Mietverträgen fortführt (vgl. zur anschließenden Selbstnutzung Rz. 450), ist es nicht notwendig, dass Guthaben oder andere Dienstleistungsverträge auf den Erwerber übergehen. Schon 2009 hatte der BFH[8] festgestellt, dass bei der Übertragung von nur teilweise vermieteten oder verpachteten Grundstücken eine Geschäftsveräußerung vorliegt, wenn die nicht genutzten Flächen zur Vermietung oder Verpachtung bereitstehen und die Vermietungstätigkeit vom Erwerber für eine nicht unwesentliche Fläche fortgesetzt wird.

 

Rz. 412a

In einem weiteren Verfahren hat der BFH[9] zu der Frage Stellung genommen, in welchem Umfang eine Geschäftsveräußerung vorliegen kann, wenn ein teilweise vermietetes Gebäude an einen anderen übertragen wird, der insoweit die Vermietung fortsetzt. Der BFH hat dazu festgestellt, dass in dem Fall, in dem ein Veräußerer ein verpachtetes Geschäftshaus überträgt und der Erwerber die Verpachtung nur hinsichtlich eines Teils des Gebäudes fortsetzt, hinsichtlich dieses Grundstücksteils eine Geschäftsveräußerung i. S. d. § 1 Abs. 1a UStG vorliegt. Dies gilt unabhängig davon, ob der verpachtete Gebäudeteil "zivilrechtlich selbstständig" ist oder nicht. Damit kann sich die nicht steuerbare Geschäftsveräußerung auch nur auf Teilbereiche einer Immobilie beziehen. Dabei ist es nicht von Bedeutung, ob das Haus zivilrechtlich als Einheit anzusehen ist oder es ob sich zivilrechtlich um abgrenzbare Einheiten (Teileigentum) handelt.

 

Rz. 412b

Mit diesem Urteil hat der BFH eine ganz neue Lösung für die Übertragung von Immobilien gefunden. Es kommt damit nicht nur darauf an, ob eine Immobilie insgesamt im Rahmen einer Geschäftsveräußerung übertragen wird oder gar nicht. Es können auch Teile einer Immobilie im Rahmen einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung übertragen werden. Damit muss insbesondere darauf geachtet werden, welche Teile nicht steuerbar übertragen werden und welche Teile im Rahmen einer steuerbaren, aber nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfreien Lieferung übertragen werden. Für den steuerfreien Teil der Übertragung kann dann unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 und Abs. 3 UStG auf die Steuerfreiheit verzichtet werden. Dazu muss aber schon im notariellen Kaufvertrag auf die Steuerfreiheit verzichtet werden. Die Option ist in der Praxis oftmals notwendig, um eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG zulasten des Verkäufers zu verhindern. Eine teilweise Geschäftsveräußerung liegt auch dann vor, wenn der Erwerber das zunächst vom Veräußerer gepachtete (teilweise eigenbetrieblich und teilweise untervermietete) Grundstück nach dem Erwerb weiterhin teilweise vermietet.[10]

 

Rz. 412c

Die entscheidende Abgrenzung, ob die Übertragung der Immobilie als nicht steuerbare Geschäfts- oder Teilbetriebsveräußerung angesehen werden kann oder ob eine steuerbare (Teil-)Lieferung gegeben ist, hängt nicht davon ab, ob das Gebäude im Moment der Übertragung zufällig teilweise leerstehend ist oder nicht. Auch ein teilweise leerstehendes Gebäude kann insgesamt im Rahmen einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußer...

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