Rz. 1

§ 95 FGO bestimmt, dass das Gericht über eine Klage, d. h. über das selbstständige Rechtsschutzbegehren, grundsätzlich durch Urteil entscheidet. An selbstständigen Verfahren, die keine Klageverfahren und daher durch Beschluss zu entscheiden sind, kennt die FGO das Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung eines Verwaltungsakts gem. § 69 Abs. 3 FGO, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 114 FGO und das Beweissicherungsverfahren gem. § 82 FGO i. V. m. §§ 485ff. ZPO.[1] Unselbstständige Nebenverfahren, wie im Bereich der Kosten oder Vollstreckung sowie wegen Prozesskostenhilfe, werden ebenso wie viele prozessleitende Maßnahmen durch Beschluss entschieden.

 

Rz. 2

Das Urteil unterscheidet sich hinsichtlich Form, Inhalt, Zustandekommen und möglicher Rechtsmittel vom Beschluss.[2] An seine Urteile ist das Gericht nach Erlass[3] gebunden.[4] Es kann sie, auch wenn es ihre Fehlerhaftigkeit selbst erkennt, grundsätzlich nicht ändern; anders dagegen regelmäßig bei Beschlüssen. Den Beschwerden gegen Beschlüsse kann durch dasselbe Gericht abgeholfen werden.[5]

 

Rz. 3

Die FGO unterscheidet zwischen folgenden Arten von Urteilen. Neben dem das Verfahren insgesamt abschließenden Endurteil über den vollen Streitgegenstand[6] werden das Zwischenurteil allein über die Zulässigkeit der Klage[7], das Teilurteil über nur einen Teil eines teilbaren Streitgegenstands[8] und das Zwischenurteil über eine Vorfrage[9] geregelt. Anerkenntnis- und Verzichtsurteile[10] kennt der vom Amtsermittlungsprinzip beherrschte finanzgerichtliche Prozess hingegen nicht. Das FA kann der Anfechtungsklage nur durch Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Bescheids die Grundlage entziehen, nicht aber durch Anerkenntnis. Das folgt aus § 100 FGO.[11] Diese Fälle werden in der Praxis durch die Rücknahme der Klage bzw. die übereinstimmende Erledigungserklärung aufgrund einer tatsächlichen Verständigung[12] gelöst. Ein Vorbehaltsurteil gem. § 155 FGO i. V. m. § 302 ZPO (Vorbehalt hinsichtlich einer erklärten Aufrechnung) oder § 599 ZPO (Urkunden- und Wechselprozess) kommt im FG-Prozess wegen des Amtsermittlungsgrundsatzes grundsätzlich nicht in Betracht, obwohl es in § 6 Abs. 2 FGO ausdrücklich erwähnt ist.[13] Ein Vorbehaltsurteil lässt sich nur bei im finanzgerichtlichen Verfahren äußerst seltenen allgemeinen Leistungsklagen rechtfertigen.[14] Versäumnisurteile sind im Finanzgerichtsprozess wegen des dort herrschenden Untersuchungsgrundsatzes nicht statthaft.[15] Bei Anfechtungsklagen gegen Verwaltungsakte, die mit Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung Bestandskraft erlangen, ist zu entscheiden, wenn nicht ein Fall der Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO gegeben ist.[16] Die Prozessrechtslehre unterscheidet noch zwischen Gestaltungs-, Leistungs- und Feststellungsurteil, je nach dem zugrunde liegenden Klageziel und der davon abhängigen Klageart.[17] Des Weiteren wird noch zwischen Sach- und Prozessurteil unterschieden, je nachdem, ob in der Sache, also über den materiell-rechtlichen Anspruch, entschieden worden ist, oder ob die Klage schon wegen fehlender Prozessvoraussetzungen als unzulässig abgewiesen wurde, was Auswirkungen auf die Rechtskraft[18] hat.

 

Rz. 4

Urteile ergehen nach Beratung und Abstimmung[19] i. d. R. aufgrund mündlicher Verhandlung.[20] An ihnen wirken fünf bzw. drei Richter mit[21], soweit nicht ein einzelner Richter allein entscheidet.[22] Sie bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Verkündung oder Zustellung.[23] Form und Inhalt sind in § 105 FGO im Einzelnen geregelt. Berichtigungsmöglichkeiten sind nur sehr eingeschränkt nach §§ 106, 107 FGO möglich. An den Inhalt ist das Gericht nach Erlass des Urteils gebunden.[24] Der Umfang der Entscheidung ergibt sich aus der Zusammenschau von Urteilstenor und Entscheidungsgründen.[25]

 

Rz. 5

Daraus folgt, dass auch fehlerhafte Urteile grundsätzlich wirksam werden. Sie können nur mit Rechtsmitteln[26] angefochten werden. Bei besonders schweren Mängeln besteht ausnahmsweise die Möglichkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens.[27] Urteilsentwürfe, nicht verkündete oder nicht zugestellte Urteile oder solche, die nicht von Gerichten erlassen wurden, sind Nicht- oder Scheinurteile. Gegen diese ist zur Beseitigung des Rechtsscheins ebenso wie gegen nichtige Urteile (gegen nicht der Gerichtsbarkeit unterliegende oder nicht beteiligte Personen) die Revision oder Wiederaufnahme möglich.[28] Liegt der Sache nach ein Urteil vor (Entscheidung über eine Klage), ist aber in der Form eines Beschlusses entschieden worden, sind die Voraussetzungen von § 119 FGO erfüllt, sodass absolute Revisionsgründe gegeben sind.

 

Rz. 6

Die Klagen werden durch Urteil entschieden, soweit nichts anderes bestimmt ist. Die FGO kennt nur die folgenden Ausnahmen vom Grundsatz der Entscheidung durch Urteil:

  • Gerichtsbescheid, soweit kein Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt wird[29];
  • Klagerücknahme mit deklaratorischem Einstellungsbeschluss[30];
  • Verwerfung der Revision als unzulässig durch Beschluss[31];
  • einstimmi...

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