1 Allgemeines

 

Rz. 1

Dem Gerichtsbescheid nach § 90a FGO kommt grundsätzlich Urteilswirkung zu. § 90a FGO ist eine Ausnahme vom rechtsstaatlichen Grundsatz des Anspruchs auf mündliche Verhandlung. Diese Ausnahme ist unbedenklich, weil den Beteiligten das Recht auf mündliche Verhandlung nicht genommen wird[1]. Der BFH kann allerdings, auch nach Ergehen eines Gerichtsbescheids, in dem die Revision zugelassen wurde, gem. § 126a FGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden, sodass im gesamten Verfahren keine mündliche Verhandlung stattfinden könnte. Neben der Regelung in § 90a FGO, nach der auch ein Gerichtsbescheid des Vorsitzenden/Berichterstatters im Einverständnis der Beteiligten gem. § 79a Abs. 3 FGO ergehen kann[2], findet sich eine Sondervorschrift für den Gerichtsbescheid in § 79a Abs. 2, 4 FGO für die Entscheidung durch den Vorsitzenden oder Berichterstatter[3].

 

Rz. 2

Das Gericht kann anstelle eines Urteils, und zwar jeden Urteils, auch Zwischen-, Teil- oder Grundurteils[4], nicht aber anstelle eines Beschlusses[5], einen Gerichtsbescheid erlassen. Nach einem Zwischengerichtsbescheid kann auch ein Endgerichtsbescheid ergehen[6]. Erspart werden die mündliche Verhandlung und die Beteiligung der ehrenamtlichen Richter beim FG[7]. Sonst ist aber beim Gerichtsbescheid mit der gleichen Gründlichkeit wie beim Urteil zu verfahren. Der Gerichtsbescheid berechtigt das Gericht nicht zu einer nur summarischen Prüfung. Durch einen Gerichtsbescheid erhalten die Beteiligten die Gelegenheit, die Auffassung des Gerichts kennenzulernen. Beantragen die Beteiligten mündliche Verhandlung, können sie gezielt weiter vortragen, um eine Änderung der Auffassung des Gerichts zu erreichen.

 

Rz. 3

Die Rechtsbehelfe gegen Gerichtsbescheide wurden in § 90a Abs. 2 FGO mit Wirkung v. 1.1.2001 neu geregelt.

2 Entscheidung durch Gerichtsbescheid, § 90a Abs. 1 FGO

2.1 Ermessen des Gerichts

 

Rz. 4

§ 90a Abs. 1 FGO räumt dem Gericht Ermessen ein, in geeigneten Fällen durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Schwierigkeiten tatsächlicher Art lassen einen Fall regelmäßig nicht als geeignet zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid erscheinen, weil eine weitere Tatsachenfeststellung jedenfalls im Rahmen einer mündlichen Verhandlung möglich ist. Allerdings kann nach einem Erörterungstermin[1] ein Gerichtsbescheid erlassen werden. Sind schwierige Rechtsfragen zu entscheiden, kann dies gleichfalls durch einen Gerichtsbescheid erfolgen, wobei die Revision zugelassen werden kann, um den Beteiligten zu ermöglichen, die Rechtsfrage schnell vom BFH entscheiden zu lassen[2]. Bei Verfahren mit einem Streitwert bis einschließlich 500 EUR kann auch ein Verfahren nach § 94a FGO sinnvoll sein.

 

Rz. 5

Die Beteiligten können den Erlass eines Gerichtsbescheids beantragen, haben aber keinen Anspruch darauf. Ein entsprechender Antrag ist als Anregung an das Gericht zu verstehen. Eines ablehnenden Beschlusses bedarf es nicht. Auch der ausdrückliche Hinweis eines Beteiligten, er verzichte nicht auf die mündliche Verhandlung, oder der ausdrückliche Antrag auf mündliche Verhandlung hindert das Gericht nicht am Erlass eines Gerichtsbescheids[3]. Nur ist dann eher mit dem nachträglichen Antrag auf mündliche Verhandlung[4] und damit der Wirkungslosigkeit des Gerichtsbescheids zu rechnen. Vor Erlass eines Gerichtsbescheids kann den Beteiligten hierzu rechtliches Gehör gewährt werden, wobei deren Stellungnahmen in die Ermessensentscheidung, ob durch Gerichtsbescheid entschieden wird, einfließen sollten. Zwingend ist der vorherige Hinweis auf den Erlass eines Gerichtsbescheids jedoch nicht[5]. Soweit nach der früheren Rechtsprechung vor Erlass eines Gerichtsbescheids rechtliches Gehör zu gewähren ist[6], ist dies durch die Fassung des § 90a Abs. 2 FGO ab 2001 überholt. Seitdem haben die Beteiligten immer die Möglichkeit, mündliche Verhandlung zu beantragen, womit dem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs Genüge getan ist[7].

[3] FG Düsseldorf v. 11.8.1997, 14 K 3453/95 G, EFG 1997, 1447, Rev. vom BFH abgelehnt: I R 111/97.
[4] S. Rz. 10ff.
[5] Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 90a FGO Rz. 4.
[7] Mai, in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 90a FGO Rz. 20; Gräber/Herbert, FGO, 8. Aufl. 2015, § 90a Rz. 6; BFH v. 2.4.2014 V R 62/10, BFH/NV 2014, 1210 m. w. N.

2.2 Form und Inhalt

 

Rz. 6

Äußere Form, notwendiger Inhalt und Zustellung des Gerichtsbescheids entsprechen denen eines Urteils. §§ 104, 105 FGO gelten entsprechend[1]. Auch über die Zulassung der Revision ist zu entscheiden. Die Ermessensentscheidung, dass durch Gerichtsbescheid entschieden wird, bedarf keiner Begründung. Die Rechtsmittelbelehrung muss sowohl über die Urteilswirkung als auch über die Möglichkeit des Antrags auf mündliche Verhandlung belehren.

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