Rz. 32

§ 86 Abs. 3 FGO regelt das Verfahren zur gerichtlichen Überprüfung der Weigerung entsprechend des Regelungsauftrags des BverfG.[1] Die gegenläufigen Interessen (Geheimhaltung einerseits und Rechtsschutz des Bürgers andererseits) werden dadurch in Einklang gebracht, dass die Akten dem BFH vorgelegt werden und dieser dann unter Verpflichtung auf Geheimhaltung und ohne Einsichtsmöglichkeit für die Beteiligten ("In-camera"-Verfahren) die gesetzlichen Voraussetzungen der Verweigerung prüft. Das In-camera-Verfahren dient nicht dazu, die im Hauptsacheverfahren streitige Rechtsfrage zu klären. Es geht ausschließlich um die Rechtmäßigkeit der Weigerung, die angeforderten Akten vorzulegen.[2]

 

Rz. 33

Ausschließlich zuständig ist der BFH, der auf Antrag eines Beteiligten (§ 57 FGO) durch Beschluss entscheidet. Für den Antrag gilt der Vertretungszwang[3], auch wenn der Antrag gem. § 86 Abs. 3 S. 2 FGO bei dem Gericht der Hauptsache (FG) zu stellen ist. Er ist nicht fristgebunden, aber bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz zu stellen.[4] Wird der Antrag nicht gestellt, kann eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Weigerung nicht erfolgen.[5] Der Antrag nach § 86 Abs. 3 FGO setzt voraus, dass das FG im finanzgerichtlichen Verfahren die Vorlage von bestimmten, bereits vorhandenen Urkunden und Akten, die Übermittlung elektronischer Dokumente oder die Erteilung von Auskünften angeordnet und die ersuchte Behörde sich daraufhin geweigert hat, dieser Aufforderung nachzukommen.[6] Ist dies nicht der Fall, ist der Antrag unzulässig.[7] Es handelt sich hierbei um ein Feststellungsverfahren.

 

Rz. 34

Das Gericht der Hauptsache kann in der Weise abhelfen, dass es an dem Vorlageverlangen nicht mehr festhält. Hilft es nicht ab, hat es die Akten an den BFH zu übersenden. Dieser hat die oberste Aufsichtsbehörde aufzufordern, die verweigerten Unterlagen vorzulegen.[8] Der BFH lädt die Aufsichtsbehörde zu diesem Zwischenverfahren bei.[9] Lässt das FG nach Auffassung des BFH erkennen, dass ihm an den vom FA nicht vorgelegten Unterlagen nicht oder nicht mehr gelegen ist, besteht für ein entsprechendes Feststellungsbegehren eines Verfahrensbeteiligten keine Veranlassung mehr. Dies kann beispielsweise gegeben sein, wenn das FG nach einer nicht vollständigen Aktenvorlage nicht auf der Nachreichung herausgenommener Blätter besteht, weil es insoweit eine Sachaufklärung nicht für erforderlich hält. In diesem Fall kann allerdings ein mit der Revision oder Nichtzulassungsbeschwerde angreifbarer Verfahrensmangel unzureichender Sachaufklärung vorliegen, wenn das FG die Beiziehung von Akten unterlässt, die vom materiell-rechtlichen Standpunkt des FG entscheidungserheblich waren.[10]

 

Rz. 35

Sobald das FG die Akten an den BFH abgegeben hat, kann das FG einen Beschluss über das Ruhen (mit Zustimmung der Beteiligten) oder über die Aussetzung des Verfahrens[11] erlassen, bis über das Zwischenverfahren bei dem BFH entschieden ist.[12]

 

Rz. 36

Im Gegensatz zu § 86 Abs. 3 FGO a. F. ist der BFH nicht auf eine bloße Prüfung der Glaubhaftmachung der Weigerungsgründe beschränkt. Vielmehr hat der BFH die Weigerung im Hinblick auf die Voraussetzungen der § 86 Abs. 1 und 2 FGO umfassend zu prüfen.[13] Er prüft, ob die Verweigerung der Aktenvorlage oder Auskunftserteilung aus den Gründen des § 86 Abs. 1 und Abs. 2 FGO rechtmäßig ist.[14]

 

Rz. 37

Der BFH entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss. Dabei überprüft er grundsätzlich nicht, ob die vom FG geforderte Aktenvorlage oder Auskunftserteilung entscheidungserheblich ist, da der BFH dabei grundsätzlich an die Rechtsauffassung des FG gebunden ist. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die Rechtsauffassung des Gerichts der Hauptsache offensichtlich fehlerhaft ist.[15] Kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass die Weigerung berechtigt war, hat er in der Begründung die Pflicht zur Geheimhaltung zu beachten.[16] War die Weigerung nicht berechtigt, kann der Beschluss ohne Einschränkung begründet werden, da dann ein Geheimhaltungsinteresse nicht gegeben ist.[17]

 

Rz. 38

Das Zwischenverfahren unterliegt den Vorschriften des materiellen Geheimschutzes.[18] Darunter wird der Schutz geheimhaltungsbedürftigen Materials gegen Entwendung oder Kenntnisnahme durch Unbefugte verstanden. Geheimhaltungsbedürftiges Material wird durch den Begriff der Verschlusssache konkretisiert.[19] Ggf. werden die Unterlagen in von der obersten Aufsichtsbehörde bestimmten Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt.[20] Korrespondierend wird das Akteneinsichtsrecht für die vorgelegten Unterlagen ausgeschlossen.[21]

 

Rz. 39

Das nichtrichterliche Personal unterliegt den Regelungen des personellen Geheimschutzes, sodass diese Personen eine Sicherheitsüberprüfung zu durchlaufen haben.[22]

 

Rz. 40

Ist die Weigerung berechtigt gewesen, dürfen für keinen Beteiligten aus der Verweigerung der Amtshilfe nachteilige Schlüsse gezogen werden.[23] Versehentlich durch das Gericht erlangte Aktenkenntnisse dürfen nicht verwertet werden.[24]

 

Rz. ...

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