Rz. 15

Hat der Senat den Rechtsstreit nach § 6 FGO auf eines seiner Mitglieder zur Entscheidung übertragen, gelten hinsichtlich des weiteren Verfahrens keine Besonderheiten. Die Vorschriften der FGO sind mit der Maßgabe anzuwenden, dass nach Übertragung anstelle des vollen Senats oder des Vorsitzenden oder Berichterstatters nunmehr allein der Einzelrichter[1] tätig wird, gegen dessen Entscheidung auch nur die sonst üblichen Rechtsmittel gegeben sind. Mit der Übertragung geht die gesamte Tätigkeit des Gerichts in diesem Rechtsstreit unbegrenzt auf den Einzelrichter als gesetzlichen Richter[2] über. Er ist nunmehr das erkennende Gericht. Der Gesetzgeber geht hier von der grundsätzlichen Gleichwertigkeit der Entscheidungen eines Einzelrichters und des Senats aus. Dem Senat bleibt es überlassen, nach seiner im Regelfall nicht überprüfbaren Ermessensentscheidung[3], den Rechtsstreit dem Einzelrichter zu übertragen.[4]

 

Rz. 16

Wird ein Einzelrichter wegen der Besorgnis der Befangenheit erfolgreich abgelehnt, wird sein geschäftsplanmäßiger Vertreter als Einzelrichter für das Verfahren zuständig. Das gilt auch dann, wenn in dem ursprünglichen Übertragungsbeschluß der Einzelrichter namentlich benannt war.[5]

 

Rz. 17

Der Einzelrichter bleibt auch dann der zuständige Spruchkörper, wenn im Fall einer Zurückverweisung durch die Revisionsinstanz ein anderer Senat zuständig wird, ohne dass ausdrücklich an den Vollsenat zurückverwiesen[6] oder der Rechtsstreit durch das Präsidium gem. § 21e Abs. 1 GVG auf einen anderen Senat übertragen wird.[7] Auch der Vorsitzende hat keine Leitungsfunktion mehr.[8] Die einzige Besonderheit besteht darin, dass der Einzelrichter unter gewissen engen Voraussetzungen die Sache auf den Senat zurückübertragen kann.[9] Grundsätzlich ist die Rückübertragung aber unzulässig.

 

Rz. 18

Der Einzelrichter ist nach Übertragung zuständig für alle Neben- und Folgeentscheidungen sowie unselbstständige Nebenverfahren. Er ist allerdings nicht zugleich zuständig für solche selbstständigen Nebenverfahren (z. B. Aussetzung der Vollziehung oder einstweilige Anordnung) oder selbstständigen Zwischenverfahren wie eine Richterablehnung, die im Regelfall im Zeitpunkt der Entscheidung über die Zuweisung der Sache an den Einzelrichter nicht vorhersehbar oder absehbar sind.[10] Soweit ein "automatischer" Übergang der Zuständigkeit auch für selbstständige Nebenverfahren angenommen wird[11], ist dem nicht zuzustimmen. Die Befürworter entscheiden die Notwendigkeit eines Übertragungsbeschlusses danach, ob das Hauptsacheverfahren rechtshängig ist oder nicht. Dieses Unterscheidungsmerkmal ist jedoch in § 6 FGO nicht vorgesehen. M. E. ist der Begriff des "Rechtsstreits" nicht in dieser Art und Weise auszudehnen, auch um Rechtssicherheit im Hinblick auf den gesetzlichen Richter zu gewährleisten, zu dem der Einzelrichter durch den Übertragungsbeschluss wird. Es bleibt dem Senat unbenommen, jeweils einen Übertragungsbeschluss zu erlassen, wenn die Voraussetzungen des § 6 FGO vorliegen. In der Praxis dürfte dies nicht problematisch sein.

[1] Von der Möglichkeit der Entscheidung mit zwei ehrenamtlichen Richtern hat im Augenblick kein Land Gebrauch gemacht, s. Pahlke, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 5 FGO Rz. 16.
[5] BFH v. 26.10.1998, I R 22/98, BStBl II 1999, 60; Gräber/Herbert, FGO, 9. Aufl. 2019, § 6 Rz. 22; Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 6 FGO Rz. 17.
[8] Gräber/Herbert, FGO, 9. Aufl. 2019, § 6 Rz. 22.
[10] BFH v. 24.2.2005, VIII B 216/03, BFH/NV 2005, 1328 m. w. N.; BFH v. 26.8.1997, VII B 80/97, BFH/NV 1998, 463; Gräber/Herbert, FGO, 9. Aufl. 2019, § 6 Rz. 19.
[11] Sunder-Plassmann, in HHSp, AO/FGO, § 6 FGO Rz. 69ff.; Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 6 FGO Rz. 5, 18.

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