1 Grundlagen

 

Rz. 1

Das durch die Klage begründete prozessuale Rechtsverhältnis wird u. a. inhaltlich bestimmt durch die Beteiligten (s. § 65 FGO Rz. 12; § 57 FGO Rz. 9) und den Gegenstand des Klagebegehrens (s. § 65 FGO Rz. 18). Insbesondere aus Gründen der Verfahrensvereinfachung und zur Vermeidung widersprüchlicher Entscheidungen ist die Verbindung mehrerer Klagen, die in einem Zusammenhang stehen (s. Rz. 10, 12), zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zweckmäßig (s. z. B. Hartmann, in B/L/A/H, ZPO, Vor § 59 Rz. 2 m. w. N.; zur objektiven Klagenhäufung durch einen Beteiligten s. § 43 FGO Rz. 1). § 59 FGO regelt unter diesem Gesichtspunkt die subjektive Klagenhäufung oder Streitgenossenschaft[1]. Diese ist die Verbindung mehrerer Einzelverfahren verschiedener Beteiligter (s. aber Rz. 4) zu einem einzigen Verfahren[2], wobei jedes der bisher einzelnen Verfahren seine Selbstständigkeit mehr oder minder beibehält (s. Rz 19).

 

Rz. 2

Die Streitgenossenschaft kommt für alle finanzgerichtlichen Verfahrensarten in Betracht. Die Regelungen gelten allerdings primär für das Klageverfahren und entsprechend für Nebenverfahren, insbesondere zur Erlangung vorläufigen Rechtsschutzes nach §§ 69, 114 FGO (s. Vor § 1 FGO Rz. 23, 24; vgl. BFH v. 26.4.1990, IX B 224/88, BFH/NV 1991, 240).

 

Rz. 3

Die "aktive" Streitgenossenschaft kann nur für die beteiligungsfähigen Kläger bzw. Antragsteller (s. § 57 FGO Rz. 9) begründet werden (s. z. B. Spindler, in HHSp, AO, § 59 FGO Rz. 4, 9).

 

Rz. 4

Eine "passive" Streitgenossenschaft, wenn also mehrere Beklagte am Verfahren beteiligt sind, kommt für die finanzgerichtlichen Verfahren nicht in Betracht, da die Zuständigkeit des FG an das Behördenprinzip (s. § 63 FGO Rz. 1) anknüpft (s. Rz. 7; § 38 FGO Rz. 3; anders noch BFH v. 1.8.1961, I 100/608, BStBl III 1962, 55 für eine nach neuem Recht nicht mehr denkbare Verfahrenslage). Auch bei einem Zuständigkeits- und damit Beklagtenwechsel (s. § 57 FGO Rz. 12a) wird zwischen der früher und der jetzt zuständigen Behörde keine Streitgenossenschaft begründet[3].

[2] Vgl. Hartmann, in B/L/A/H, ZPO, Vor § 59 Rz. 2.
[3] S. BFH v. 7.2.2007, V B 108, 109, 110/06, BFH/NV 2007, 870.

2 Voraussetzungen der Streitgenossenschaft

2.1 Allgemeines

 

Rz. 5

Für die Voraussetzungen der Streitgenossenschaft ordnet § 59 FGO die sinngemäße Anwendung der §§ 5963 ZPO an. Die Streitgenossenschaft führt zugleich auch zu einer objektiven Klagenhäufung (s. Rz. 1), sodass auch die Voraussetzungen des § 43 FGO erfüllt sein müssen (s. § 43 FGO Rz. 5ff.).

Die Zulässigkeit der Streitgenossenschaft ist von Amts wegen zu prüfen. Die Voraussetzungen der Streitgenossenschaft sind aber keine Sachentscheidungsvoraussetzungen für die gerichtliche Entscheidung, sondern das Gericht hat, wenn die Voraussetzungen nicht vorliegen, die Verfahren nach § 73 Abs. 1 FGO zu trennen und über jedes einzelne Verfahren gesondert zu verhandeln und zu entscheiden (vgl. Brandt, in Beermann/Gosch, AO, § 59 FGO Rz. 3; Spindler, in HHSp, AO, § 59 FGO Rz. 19; Tipke, in T/K, AO, § 59 FGO Rz. 5).

 

Rz. 6

Die "ursprüngliche" Streitgenossenschaft (s. Rz. 14) setzt nach § 59 ZPO formal voraus, dass mehrere Streitgenossen gemeinschaftlich klagen. Die Klagen müssen in einer einzigen Klageschrift (s. § 65 FGO Rz. 5) zusammengefasst und in dieser die Kläger (s. Rz. 4) gemeinsam bezeichnet werden (s. entspr. § 43 FGO Rz. 5; BFH v. 19.2.1991, VIII R 8/86, BFH/NV 1992, 175).

 

Rz. 7

Im Hinblick auf das Gebot des gesetzlichen Richters (s. Vor § 1 FGO Rz. 2a), über das die Hauptbeteiligten nicht verfügen können (s. § 4 FGO Rz. 2), kommt eine Streitgenossenschaft nur in Betracht, wenn dasselbe Gericht sachlich und örtlich[1] und innerhalb des Gerichts im Rahmen des Geschäftsverteilungsplans (s. § 4 FGO Rz. 10) derselbe Senat in derselben Besetzung für die Klagen zuständig ist (s. entspr. § 43 FGO Rz. 6; Brandt, in Beermann/Gosch, AO, § 59 FGO Rz. 14).

 

Rz. 8

Wird die Streitgenossenschaft durch die Verbindung mehrerer Einzelsachen durch das Gericht nach § 73 FGO begründet (s. Rz. 16), so ist im Hinblick auf das Steuergeheimnis[2] Voraussetzung für die Verbindung, dass sämtliche Kläger an dem streitigen Steuerrechtsverhältnis oder dem Rechtsvorgang, durch den der Steuertatbestand verwirklicht wurde, beteiligt sind[3].

 

Rz. 9

Die Streitgenossenschaft kommt nur für dieselbe Klageart (s. Vor § 1 FGO Rz. 10) in Betracht (vgl. Hartmann, in Baumbach/L/A/H, ZPO, Vor § 59 Rz. 6; Koch, in Gräber, FGO, § 59 Rz. 5).

2.2 Einfache Streitgenossenschaft

 

Rz. 10

Entsprechend den §§ 59, 60 ZPO können mehrere beteiligtenfähige Kläger (s. § 57 FGO Rz. 9, 16) als einfache Streitgenossenschaft klagen und verklagt werden, wenn

  • sie hinsichtlich des Verfahrensgegenstands in einer Rechtsgemeinschaft stehen. Die Art der Rechtsgemeinschaft ist hierbei unerheblich. Die Zulässigkeit der Streitgenossenschaft der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft ist nicht davon abhängig, dass die Rechtsgemeinschaft selbst nicht steuerrechtsfähig ist (a. A. Spindler, in HHSp, AO, § 59 FGO Rz. 14...

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