Rz. 10

Der Finanzrechtsweg nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO setzt ferner voraus, dass es sich bei der Streitigkeit um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit über Abgabenangelegenheiten handelt. Während das Tatbestandsmerkmal der öffentlich-rechtlichen Streitigkeit die Entscheidungskompetenz zwischen den ordentlichen Gerichten bzw. der Arbeitsgerichtsbarkeit sowie den allgemeinen und besonderen Verwaltungsgerichten (FG, SG, VG) abgrenzt, ist das Tatbestandsmerkmal der Abgabenangelegenheiten das zentrale Abgrenzungsmerkmal der Entscheidungskompetenzen der FG zu den anderen Verwaltungsrechtswegen. § 33 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 FGO schafft aber keine umfassende Zuständigkeit der FG für die gesamte öffentlich-rechtliche Tätigkeit der Finanzbehörden, sondern begrenzt die Zuständigkeit auf die mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften zusammenhängenden Angelegenheiten.[1]

 

Rz. 11

Nach der Legaldefinition des § 33 Abs. 2 FGO "sind unter Abgabenangelegenheiten alle mit der Verwaltung der Abgaben einschließlich der Abgabenvergütungen oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten einschließlich der Maßnahmen der Bundesfinanzbehörden zur Beachtung der Verbote und Beschränkungen für den Warenverkehr über die Grenze zu verstehen." Hiernach hat die Bestimmung des Begriffs der Abgabenangelegenheit vom Anwendungsbereich der abgabenrechtlichen Vorschriften auszugehen. Die an erster Stelle genannte Verwaltung der Abgaben ist nämlich ausweislich des Wortes "sonst" ein Beispielsfall für deren Anwendung.[2] Die abgabenrechtlichen Vorschriften sind in erster Linie bei Streitigkeiten über Steuern i. S. des § 3 Abs. 1 AO[3] einschließlich steuerlicher Nebenleistungen i. S. des § 3 Abs. 4 AO sowie Einfuhr- und Ausfuhrabgaben i. S. des § 3 Abs. 3 AO[4] heranzuziehen.

Über den engeren Bereich des so umschriebenen Steuerrechtsverhältnisses hinaus wird der Bereich der Abgabenangelegenheiten auf die damit zusammenhängenden Angelegenheiten erweitert und zugleich auch begrenzt. Die Angelegenheit muss gerade mit der Anwendung abgabenrechtlicher Vorschriften verknüpft und dadurch geprägt sein.[5] Zur Verwaltung dieser Abgaben i. S. des § 33 Abs. 2 FGO zählen daher bereits die Handlungen der Finanzbehörden zur Vorbereitung einer Besteuerung, die Ermittlung und Feststellung der Besteuerungsgrundlagen sowie der Steuerfestsetzung im Steuerfestsetzungsverfahren nach §§ 155ff. AO, im Feststellungsverfahren nach §§ 179ff. AO, im Rahmen der Außenprüfung nach §§ 193ff. AO und im Steueraufsichtsverfahren nach §§ 209ff. AO und auch die Erhebung und Vollstreckung der Abgaben (s. a. Rz. 14). Die Erteilung eines Hausverbots, das Vorsteher von Finanzbehörden ausgesprochen haben, ist hiernach jedenfalls dann keine Abgabenangelegenheit, wenn es allgemein, d. h. ohne Beschränkung auf ein konkretes steuerliches Verwaltungsverfahren ausgesprochen wurde. Derartige Hausverbote sind vielmehr Angelegenheiten des allgemeinen Verwaltungsrechts.[6]

 

Rz. 11a

Abgabenvergütungsansprüche[7] sind ebenso von § 33 Abs. 2 FGO eingeschlossen. Insbesondere das Kindergeld wird nach § 31 S. 3 EStG als Steuervergütung gezahlt, sodass in Kindergeldangelegenheiten der Finanzrechtsweg nur noch in den Fällen des § 1 BKGG – eigener Anspruch des Kindes – nicht eröffnet ist.[8] Die FG entscheiden daher über die Festsetzung und die Auszahlung, Nachzahlung und Rückforderung von Kindergeld[9], über die Aufrechnung der Familienkassen mit Rückzahlungsansprüchen[10] und auch über Streitigkeiten zwischen der Familienkasse und einem Sozialleistungsträger über Kindergelderstattungsansprüche i. S. des § 74 Abs. 1 S. 4, Abs. 2 EStG.

Ebenso ist für Streitigkeiten wegen der Mobilitätsprämie nach den §§ 101ff. EStG der Finanzrechtsweg eröffnet, weil die Mobilitätsprämie gem. § 105 Abs. 1 S. 4 EStG ebenfalls als Steuervergütung gilt und damit eine Abgabenangelegenheit i. S. des § 33 Abs. 2 FGO vorliegt.[11]

Obwohl für die Investitionszulage nach § 14 InvZulG, für die Arbeitnehmersparzulage nach § 14 Abs. 2 S. 1 des 5. VermBG und für die Wohnungsbauprämie nach § 8 Abs. 3 WoPG die Vorschriften der AO für Steuervergütungen jeweils für entsprechend anwendbar erklärt wurden, handelt es sich deswegen aber gerade nicht um eigentliche Abgabenvergütungen.[12] Die Verweisung auf die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der AO reichen nicht aus, denn Investitionszulage, Arbeitnehmersparzulage und Wohnungsbauprämie sind eben gerade keine Abgabenvergütungen. Diese Zahlungen werden daher auch nicht in Anwendung abgabenrechtlicher Vorschriften geleistet. Die Vorschriften der AO sind nur entsprechend anwendbar. Dies folgt bereits aus einem Vergleich zwischen § 33 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 FGO. Denn während § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO nach der Gesetzgebungs- und Verwaltungszuständigkeit für die "Abgaben" fragt, sodass die Anwendung der Vorschriften der AO nicht genügen kann, geht § 33 Abs. 1 Nr. 2 FGO ausdrücklich nur davon aus, dass eine Vol...

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