Rz. 7

Nach Abs. 2 hat der BFH als Revisionsgericht grds. auch die Entscheidungen des FG zu überprüfen, die dem Urteil vorausgegangen sind und die vorweggenommene Teile des FG-Urteils darstellen (Abs. 2 Hs. 1). Für die Rechtmäßigkeit dieser Vorentscheidungen ist deren Ergebnis, nicht die Begründung maßgebend.

 

Rz. 8

Die Regelung gilt für das Beschwerdeverfahren entsprechend.[1]

 

Rz. 9

Von der Überprüfung ausgenommen sind nach Abs. 2 Hs. 2 jedoch die nach gesetzlichen Vorschriften nicht anfechtbaren, dem FG-Urteil vorausgegangenen Entscheidungen. Diese müssen vom BFH hingenommen werden, jedoch nur in ihrem Ergebnis, nicht in ihrer Begründung und hinsichtlich der Folgerungen daraus. Die gesetzlich ausdrücklich als unanfechtbar bezeichneten Entscheidungen des FG können somit auch nicht im Revisionsverfahren mit einer Revisionsrüge angefochten werden. Darunter fallen z. B.

  • Beschlüsse im Zusammenhang mit der Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter, § 6 Abs. 4 FGO.[2] Eine Besetzungsrüge ist daher grundsätzlich ausgeschlossen[3]; zur ausnahmsweisen Überprüfbarkeit bei "greifbarer Gesetzeswidrigkeit" BFH v. 28.1.2003, VI B 75/02, BFH/NV 2003, 926; BFH v. 21.12.2004, II B 13/04, BFH/NV 2005, 897; s. § 6 FGO Rz. 21;
  • Beschlüsse über die Fristsetzung für einen Beiladungsantrag, § 60a S. 2 FGO. Ein Fehler des Beschränkungsbeschlusses kann jedoch einen Revisionsgrund darstellen[4];
  • Beweisbeschlüsse, § 128 Abs. 2 FGO;
  • Fristsetzung zur Vorlage bestimmter Unterlagen nach § 79b FGO[5];
  • Beschlüsse nach § 70 S. 2 FGO, Entscheidungen über den Rechtsweg nach § 17a Abs. 2, 3 GVG;
  • prozessleitende Verfügungen (z. B. Terminsbestimmung, Terminsaufhebung, Abkürzung der Ladungsfrist usw.), § 128 Abs. 2 FGO[6];
  • Entscheidungen im Richterablehnungsverfahren. Da die Ablehnung eines Befangenheitsantrags nach § 128 Abs. 2 FGO unanfechtbar ist, unterliegt sie nicht der Überprüfung in einem Revisionsverfahren[7];
  • Entscheidungen über die Ablehnung von Gerichtspersonen, Sachverständigen und Dolmetschern[8];
  • Beschlüsse über die Ablehnung einer Tatbestandsberichtigung[9];
  • Beschlüsse über Verbindung und Trennung von Verfahren[10];
  • Beschlüsse im Prozesskostenhilfe-Verfahren.[11]
 

Rz. 10

Über den Wortlaut des § 124 Abs. 2 FGO hinaus sind gem. § 155 FGO i. V. m. § 512 ZPO von der revisionsgerichtlichen Prüfung auch ausgeschlossen die Vorentscheidungen, die in einem besonderen Verfahren selbstständig angefochten werden können.[12] Die in dem vorgesehenen Verfahren nicht oder nicht mit Erfolg angefochtenen Vorentscheidungen sollen nicht nochmals im Revisionsverfahren angefochten werden können, z. B.

  • Zwischenurteile[13];
  • Teilurteile[14];
  • Ergänzungsurteile[15];
  • beschwerdefähige Beschlüsse des FG.
 

Rz. 11

Der grundsätzliche Ausschluss der Überprüfung unanfechtbarer Entscheidungen des FG im Revisionsverfahren hat indes nicht zur Folge, dass daraus – mittelbar – sich ergebende Verfahrensverstöße nicht mehr revisionsrechtlich angegriffen werden könnten. Die Bindung des BFH bezieht sich auf die unanfechtbare Entscheidung als solche. Abs. 2 schließt deshalb die Rüge solcher Verfahrensmängel nicht aus, die als Folge der beanstandeten Vorentscheidung fortwirken und damit dem angefochtenen FG-Urteil anhaften, z. B. wenn die Vorentscheidung gegen das Willkürverbot verstößt (greifbar gesetzwidrig ist oder ohne sachlichen Grund ergangen ist) oder ein Verfahrensgrundrecht verletzt wird, etwa der Anspruch auf rechtliches Gehör oder auf den gesetzlichen Richter.[16]

Voraussetzung ist allerdings ein greifbar gesetzwidriger und damit willkürlicher Verstoß gegen ein Verfahrensgrundrecht.[17]

  • So kann z. B. mit der Besetzungsrüge geltend gemacht werden, die Übertragung auf den Einzelrichter beruhe auf einem groben Rechtsverstoß i. S. einer "greifbaren Gesetzwidrigkeit"[18], d. h, wenn die Übertragung mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar ist, weil sie jeder Grundlage entbehrt und inhaltlich dem Gesetz fremd[19] bzw. willkürlich ist.[20] Die pauschale Behauptung, die Übertragung sei ermessensfehlerhaft, genügt nicht.[21]
  • Eine greifbare Gesetzwidrigkeit des Beschlusses über die Rückübertragung des Rechtsstreits durch den Einzelrichter auf den Senat ist nicht schon deshalb gegeben, weil die Anhörung des Beteiligten vor Erlass des Übertragungsbeschlusses nach § 6 Abs. 3 FGO unterblieben ist.[22]
  • Auch kann gerügt werden, das FG sei bei der Fassung des Übertragungsbeschlusses nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen.[23]
  • Bei der Ablehnung eines Befangenheitsgesuchs können solche Verfahrensmängel geltend gemacht werden, die als Folge des Ablehnungsbeschlusses dem angefochtenen Urteil anhaften. Ein Verfahrensmangel liegt daher nur vor, wenn die Ablehnung gegen das Willkürverbot verstößt oder ein Verfahrensgrundrecht verletzt wird, wie der Anspruch auf rechtliches Gehör oder auf den gesetzlichen Richter.[24] Ein Verfahrensgrundrecht wird z. B. auch verletzt, wenn die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch dem Beteiligten versehentlich nicht bekannt gegeben wurde, d...

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