Rz. 35

Der BFH hat die Sachentscheidungsvoraussetzungen des finanzgerichtlichen Verfahrens von Amts wegen zu prüfen.[1] Neue Tatsachen sind daher vom BFH immer dann zu berücksichtigen und ggf. von Amts wegen zu ermitteln, wenn sie die Sachentscheidungsvoraussetzungen des Klageverfahrens betreffen[2] und damit für den Rechtsstreit in seiner Gesamtheit erheblich sind, z. B. Zulässigkeit der Klage[3]; Wirksamkeit der Klageerhebung[4]; Prozessfähigkeit[5]; Fehlen des Vorverfahrens[6]; Fehlens eines Einspruchs[7]; Fehlen einer notwendigen Beiladung bzw. unterbliebene notwendige Beiladung im Klageverfahren[8]; Rechtzeitigkeit der Vollmachtsvorlage[9]; Nachweis der Prozessvollmacht[10]; Einhaltung der Klagefrist[11]; Wegfall des Rechtsschutzinteresses der Klage[12]; Wegfall des Feststellungsinteresses für die Feststellungsklage[13]; Klagebefugnis[14]; Subsidiarität der Feststellungsklage.[15]

 

Rz. 36

Die Beteiligten können deshalb insoweit noch im Revisionsverfahren neue Tatsachen vorbringen. Der BFH ist hier zur eigenen Tatsachenfeststellung, erforderlichenfalls zur Beweisaufnahme nach den Grundsätzen des Freibeweises, berechtigt.[16] Er unterliegt keinen Beschränkungen, wenn Ergänzungen im Sachverhalt notwendig werden[17], kann aber auch zur weiteren Ermittlung an das FG zurückverweisen.[18] Die Ausübung des Ermessens orientiert sich an der Prozessökonomie.[19] Dabei sind weitere Prozessverzögerungen (Verfahrenskosten, Sachnähe und voraussichtliche Aufklärung) gegen die Hauptaufgabe des Revisionsgerichts, Rechtsfragen zu entscheiden, abzuwägen.[20] Eine Zurückverweisung zur Klärung der Sachurteilsvoraussetzungen eröffnet wie auch eine sonstige Zurückverweisung mangels Spruchreife ein neues erstinstanzliches Verfahren.

Hat das FG die Klage als unbegründet abgewiesen, obwohl es die Klage hätte als unzulässig abweisen müssen, ist das Urteil trotz dieses Rechtsfehlers nicht aufzuheben, weil sein Tenor zutreffend ist.[21] Die Revision wird dann mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage nicht unbegründet, sondern unzulässig ist.[22]

Keine Zulässigkeitsvoraussetzung der Klage i. d. S. ist die wirksame Bekanntgabe eines Steuerbescheids[23] oder die Rechtzeitigkeit des Einspruchs.[24]

[23] Gräber/Ratschow, FGO, 9. Aufl. 2019, § 118 Rz. 46; a. A.BFH v. 11.12.1985, I R 31/84, BStBl II 1986, 475.
[24] BFH v. 24.7.1984, VII R 122/80, BStBl II 1984, 791; Gräber/Ratschow, FGO, 9. Aufl. 2019, § 118 Rz. 46.

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