Rz. 53

Greift die Verfahrensrüge durch, kann der BFH zur Verfahrensbeschleunigung nach pflichtgemäßem Ermessen bereits in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene FG-Urteil aufheben und den Rechtsstreit – ohne jede Prüfung in der Sache – an das FG zurückverweisen.[1] Die im Ermessen stehende Zurückverweisung ist immer geboten, wenn es an ausreichenden Feststellungen des FG fehlt.[2] Da das FG nunmehr den Verfahrensmangel beseitigen kann, wird die Durchführung eines Revisionsverfahrens dadurch regelmäßig vermieden.

Betrifft der Verfahrensmangel nur einen von mehreren selbstständigen Streitgegenständen des Klageverfahrens, können (und müssen) die Aufhebung des FG-Urteils und die Zurückverweisung an das FG auf diesen Streitgegenstand beschränkt werden.[3] Betrifft der zur Zurückverweisung führende Verfahrensmangel zwar nicht sämtliche mit der Nichtzulassungsbeschwerde angefochtenen Streitjahre, kann aber über die dort zu entscheidende Rechtsfrage nur aufgrund einer sämtliche Streitjahre betreffenden vorgreiflichen Rechtsfrage entschieden werden, so kann das Urteil insgesamt aufgehoben und die Sache hinsichtlich sämtlicher Streitjahre zurückverwiesen werden.[4]

Im Interesse der Beteiligten wird der BFH in sachgerechter Ermessensausübung von der Zurückverweisungsmöglichkeit grundsätzlich Gebrauch machen müssen, auch wenn die Nichtzulassungsbeschwerde zusätzlich auf grundsätzliche Bedeutung, Rechtsfortbildung oder Sicherheit der Rechtsprechungseinheit gestützt wurde. Denn bei einer Zulassung der Revision müsste der Beschwerdeführer nunmehr zunächst die Revision nach Abs. 7 begründen, die wegen des Verfahrensmangels des FG durch Revisionsurteil ohne eine weitere rechtliche Klärung voraussichtlich nach § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO ebenso zurückverwiesen würde.[5] Anders nur, wenn sich die grundsätzliche Bedeutung, Rechtsfortbildung oder Sicherung der Rechtsprechungseinheit auf eine verfahrensrechtliche Regelung bezieht, da Grundsatzfragen nicht im Beschlussverfahren, sondern vom Vollsenat zu klären sind.[6] Nur dann, wenn die grundsätzliche Bedeutung zu verneinen ist, kann die Rechtsfrage im Beschlussverfahren entschieden werden, z. B. weil es sich um auslaufendes Recht handelt[7] oder wenn die Rechtsfrage geklärt ist bzw. von einer Revisionsentscheidung mangels Klärungsbedürftigkeit keine weitere Klärung zu erwarten ist.[8]

Ist die Nichtzulassungsbeschwerde neben einem Verfahrensfehler auch auf andere Zulassungsgründe, z. B. grundsätzliche Bedeutung oder Divergenz, gestützt, kann der BFH nach § 116 Abs. 6 FGO an das FG zurückverweisen, ohne über diese weiteren Zulassungsgründe zu entscheiden. Ebenso kann der BFH, wenn mehrere Verfahrensfehler gerügt werden, bei Bejahung nur eines Verfahrensfehlers die Sache an das FG zurückverweisen und die Entscheidung über die anderen Verfahrensfehler offenlassen.

Das FG ist nach § 126 Abs. 5 FGO an die Rechtsauffassung des BFH in dem Zurückverweisungsbeschluss gebunden. Auch soweit der BFH die Entscheidung über eine Frage offen lässt, gibt er gelegentlich dem FG – ohne Bindungswirkung – sachdienliche Hinweise für die Fortführung des Verfahrens im zweiten Rechtsgang.[9] Zum Fortgang des Verfahrens nach Zurückverweisung s. Dürr, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 126 FGO Rz. 21f.

Ausnahmsweise kann der BFH im Nichtzulassungsbeschwerde-Verfahren unmittelbar das FG-Urteil aufheben und durch Beschluss – ohne Zurückverweisung – selbst eine abschließende Entscheidung treffen. Die Zurückverweisung erübrigt sich, wenn der Verfahrensmangel durch Aufhebung des angegriffenen Urteils beseitigt werden kann. Das betrifft Fälle, in denen der Verfahrensmangel darin besteht, dass das FG ein Urteil erlassen hat, das gar nicht hätte ergehen dürfen[10], z. B. wenn das FG-Urteil versehentlich gegen eine Person ergangen ist, die keine Klage erhoben hat[11], wenn das FG-Urteil über einen bereits erstinstanzlich abgeschlossenen Streitgegenstand entschieden hat[12] oder wenn das FG einen Bescheid aufgehoben hat, den der Kläger gar nicht angegriffen hat.[13]

Der BFH wendet über den Wortlaut hinaus § 116 Abs. 6 FGO entsprechend dahin an, dass dem BFH eine abschließende Entscheidung (ohne Zurückverweisung) möglich ist, wenn die im Fall der Zurückverweisung zu treffende Entscheidung bereits feststeht.[14] Das ist z. B. der Fall, wenn das FG ein Sachurteil getroffen hat, während der BFH die Klage für unzulässig hält. Bei einer Zurückverweisung an das FG müsste dieses wegen der Bindung an die Auffassung des BFH nach § 126 Abs. 5 FGO die Klage abweisen. Eine solche Zurückverweisung widerspräche der Prozessökonomie. Der BFH kann daher durch Beschluss nach § 116 Abs. 5 FGO selbst abschließend die Klage abweisen.[15]

Der BFH ist nicht verpflichtet, Beschwerdeführer und Beschwerdegegner vor einer Entscheidung nach § 116 Abs. 6 FGO auf die Möglichkeit der Zurückverweisung hinzuweisen. Das kann nur im Ausnahmefall gelten, um eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Überraschungsentscheidung zu vermeiden.

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