4.1 Zulassungsgründe

 

Rz. 7

Die Voraussetzungen der Revisionszulassung sind in § 115 Abs. 2 FGO abschließend geregelt.[1] Liegt einer der gesetzlichen Zulassungsgründe vor, muss das FG oder der BFH auf eine Nichtzulassungsbeschwerde die Revision zulassen. Fehlen die Voraussetzungen für die Zulassung, darf sie nicht zugesprochen werden. Dem FG und dem BFH steht insoweit kein Ermessen zu.[2]

Die Revision ist nach der Neufassung ab 2001 (Rz. 1) nur aus den folgenden drei gesetzlichen Zulassungsgründen des § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen:

  • Nr. 1: Grundsätzliche Bedeutung; entspricht Abs. 2 Nr. 1 a. F.; Rz. 9ff.;
  • Nr. 2: Erfordernis einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung; bisher: Abweichung von einer Entscheidung des BFH oder des BVerfG;
  • Nr. 3: Verfahrensmangel; entspricht der bisherigen Nr. 3 in Abs. 2 a. F.; Rz. 46ff.

Bis zu der Neuregelung ab 2001 wurde der Zulassungsgrund der Rechtsfortbildung dem Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung in Abs. 2 Nr. 1 FGO zugeordnet. Nunmehr enthält Nr. 2 mit dem Erfordernis der Rechtsfortbildung die Elemente des Merkmals der grundsätzlichen Bedeutung i. S. d. bisherigen Auslegung zu Nr. 1. Es handelt sich lediglich um einen Spezialfall der Grundsatzrevision des Nr. 1 ohne sachliche Änderung.[3] Dient eine Entscheidung des BFH der Rechtsfortbildung, liegt daher regelmäßig auch eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung vor.[4]

Der Zulassungsgrund der Sicherung der Rechtsprechungseinheit nach Nr. 2 wird i. S. zweier Fallgruppen ausgelegt:

  • Abweichung (Divergenz) von der Entscheidung eines anderen Gerichts (Rz. 28ff.);
  • willkürliche oder greifbar gesetzwidrige Entscheidung des FG ("qualifizierter Rechtsanwendungsfehler", Rz. 44ff.).

Auch im Divergenzfall handelt es sich allerdings lediglich um eine Untergruppe der grundsätzlichen Bedeutung (Rz. 26). Vor der Neufassung war in Abs. 2 Nr. 2 a. F. lediglich eine Abweichung von einer Entscheidung des BFH oder des BVerfG aufgeführt. Nunmehr kommt auch eine Abweichung von der Rechtsprechung anderer Gerichte allgemein in Betracht (Rz. 26). Darüber hinaus soll mit der Neuformulierung des Zulassungsgrundes Nr. 2 die Revisionszulassung um Fälle schwerwiegender unrichtiger Rechtsanwendung durch das FG erweitert werden. Denn die Beseitigung einer offensichtlich unzutreffenden Entscheidung dient in gleicher Weise der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.[5]

Nach dem Prinzip der Zulassungsrevision ist die Revision nur gegeben, wenn sie zugelassen worden ist.[6] Das FG kann die Revision nur im Urteil bzw. Gerichtsbescheid zulassen. Lässt das FG die Revision im Urteil nicht zu, kann die Zulassung vor dem BFH mit der Nichtzulassungsbeschwerde erstritten werden. Gegen den Gerichtsbescheid, der die Revision nicht zulässt, ist nur der Antrag auf mündliche Verhandlung zulässig (Rz. 6). Das FG ist im Nichtzulassungsbeschwerde-Verfahren nicht (mehr) eingeschaltet, d. h., es kann die Revision nicht im Wege der Abhilfe auf eine Nichtzulassungsbeschwerde hin nachträglich zulassen.

Die Zulassung im FG-Urteil muss ausdrücklich geschehen; i. d. R. wird sie im Tenor am Ende ausgesprochen. Die Zulassungsentscheidung kann aber auch in die Gründe aufgenommen werden. Hat sich das FG im Urteil weder im Entscheidungstenor noch in den Gründen zu der Revisionszulassung geäußert, liegt folglich keine Zulassung vor.[7] Zur Entscheidung des FG über die Zulassung s. Rz. 65.

Mindestens ein Zulassungsgrund muss vorliegen.[8] Lässt sich die Fehlerhaftigkeit des FG-Urteils nicht einem der gesetzlichen Zulassungsgründe zuordnen, scheidet die Revisionszulassung aus. Eine Ausweitung der Zulassungsgründe durch die Rspr. ist daher nicht möglich. Die Revisionszulassungsgründe sind in § 115 Abs. 2 abschließend aufgeführt.[9]

Die vom BFH entwickelten Kriterien für die Auslegung der Zulassungsgründe gelten nicht nur für den BFH im Nichtzulassungsbeschwerde-Verfahren, sondern ebenso für das FG für seine Zulassungsentscheidung im FG-Urteil. Die Praxis zeigt jedoch, dass auf der Ebene der FG die Zulassungskriterien – vor allem bei der Frage der grundsätzlichen Bedeutung – gelegentlich unterschiedlich streng, z. T. großzügiger als nach der Rspr. des BFH, beurteilt werden. Ferner wird aufgrund der Neuformulierung des zweiten Zulassungsgrunds in Abs. 2 Nr. 2 (Sicherung der Rechtsprechungseinheit) eine großzügigere Zulassungspraxis befürwortet.[10] Zu den Konsequenzen für die Anregung der Zulassung beim FG s. Rz. 65. Der Zulassung wegen Verfahrensmängeln[11] kommt für das FG allerdings keine Bedeutung zu, da sich das FG kaum selbst eines eigenen Verfahrensfehlers bezichtigen dürfte.

Das vom BVerfG betonte rechtsstaatlich geforderte Prinzip der Rechtsmittelklarheit als Ausfluss der Messbarkeit und Vorhersehbarkeit staatlichen Handels gebietet, dass die Wege zur Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen klar vorgezeichnet sind.[12] Da die Zulassungsgründe in § 115 Abs. 2 FGO durch unbestimmte Begriffe umschrieben sind, ist dem Gebot der Rechtsmittel...

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