Rz. 3

Die Revision beschränkt sich grundsätzlich auf die rein rechtliche Prüfung des Streitstoffs. Erst in der Revision vorgetragene neue Tatsachen können und dürfen vom BFH nicht berücksichtigt werden. Er ist an die tatsächlichen Feststellungen des FG gebunden.[1] Die Bindung bezieht sich nicht nur auf die unmittelbar festgestellten Tatsachen, sondern auch auf deren Würdigung durch das FG, d. h. die Schlussfolgerung aus den festgestellten Tatsachen. Diese Schlussfolgerungen sind für den BFH bereits bindend, wenn sie nur möglich sind. Sie müssen nicht zwingend oder allein möglich sein. Die Bindung besteht, sofern die Würdigung nicht gegen Verfahrensgrundsätze, gegen die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt, d. h., sie muss logisch und nachvollziehbar sein. Es ist also unerheblich, wenn auch eine andere Schlussfolgerung möglich und ebenfalls zutreffend gewesen wäre.[2]

Das gilt auch für die Auslegung von Verträgen und Willenserkärungen. Auch hier prüft der BFH nur, ob die allgemeinen Auslegungsregeln[3] beachtet sind und ob die Auslegung des FG gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt, d. h. jedenfalls möglich ist.[4] Die rechtliche Einordnung des von den Vertragspartnern Gewollten ist dagegen Rechtsanwendung, die in vollem Umfang dem BFH obliegt.[5]

Die Bindung entfällt nur dann, wenn in Bezug auf die festgestellten Tatsachen zulässige und begründete Verfahrensrügen, insbesondere die Rüge mangelnder Sachaufklärung, vorgebracht werden.[6] Deshalb können Rechtsfragen, die sich nur stellen, wenn von einem anderen als dem vom FG festgestellten Sachverhalt ausgegangen wird, im Revisionsverfahren nur entschieden werden, wenn hinsichtlich dieser Feststellungen begründete Verfahrensrügen vorgebracht werden.[7]

Darüber hinaus besteht auch keine Bindung hinsichtlich der Sachurteilsvoraussetzungen der Klage, der Zulässigkeitsvoraussetzungen der Revision und bei der Beurteilung von Prozesserklärungen, Wiederaufnahmegründen, Gegenrügen und bei einer veränderten Prozesslage.[8] Die fristgerechte Klageerhebung ist als Sachurteilsvoraussetzung vom BFH von Amts wegen zu prüfen. Dabei ist er an die tatsächlichen Feststellungen des FG nicht gebunden.[9] Die Bindung an die tatsächlichen Feststellungen gilt entsprechend im Nichtzulassungsbeschwerde-Verfahren.[10]

Wegen der Bindung an die Tatsachenfeststellung des FG und der Unzulässigkeit neuen Tatsachenvortrags vor dem BFH ist im Verfahren vor dem FG Sorge zu tragen, dass der der angestrebten Rechtsfolge zugrunde liegende Tatsachenstoff ausführlich vorgetragen und vom FG lückenlos festgestellt wird. Denn die Revision ist ohne Erfolgsaussicht, wenn die tatsächlichen Feststellungen die abgeleitete Rechtsfolge decken[11], es sei denn, es können schlüssig Verfahrensfehler, insbes. mangelnde Sachaufklärung, des FG bei der Tatsachenfeststellung und deren Würdigung gerügt werden. Insbes. ist im Verfahren vor dem FG durch eindeutigen Tatsachenvortrag darauf hinzuwirken, dass das FG die festgestellten Tatsachen zutreffend würdigt und so zu der richtigen Tatsachengrundlage gelangt. Denn die logisch folgerichtige Tatsachenwürdigung des FG ist unangreifbar, auch wenn eine andere Tatsachenwürdigung möglich gewesen wäre.[12]

Da der BFH an die Zulassungsentscheidung des FG gebunden ist (Abs. 3), empfiehlt es sich, bereits im FG-Verfahren für den Fall des – gänzlichen oder teilweisen – Unterliegens auf die Zulassung der Revision hinzuwirken. Auch wenn das FG über die Revisionszulassung von Amts wegen zu befinden hat, sollte deshalb hilfsweise die Revisionszulassung ausdrücklich beantragt werden. Erfahrungsgemäß neigen die FG gelegentlich zu einer großzügigeren Handhabung der Zulassungskriterien als der BFH und lassen bei einem explizit gestellten Zulassungsantrag die Revision eher zu, als wenn darauf nicht besonders hingewiesen wird. Dadurch kann das mit nicht geringen formellen Hürden und auch mit dem Kostenrisiko belastete besondere Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nach § 116 FGO vermieden werden.

Auch wenn der Schwerpunkt des Finanzrechtsstreits im Verfahren vor dem FG, d. h. in der Tatsacheninstanz, liegt, ist die Kenntnis des Revisionsrechts auch im erstinstanzlichen Verfahren von grundlegender Bedeutung. Denn die Möglichkeit der Rechtsmitteleinlegung durch den unterlegenen Beteiligten gewährleistet, dass das FG die verfahrensrechtlichen und materiell-rechtlichen Grundsätze nach den Kriterien beachtet, die vom BFH in einem möglicherweise nachfolgenden Rechtsmittelverfahren angelegt werden. Der Sachvortrag im FG-Verfahren hat sich daher daran zu orientieren, unter welchen Gesichtspunkten der BFH die Auffassung des FG kritisch beurteilen könnte.

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