Rz. 19

Die Verurteilung zum Erlass des begehrten Verwaltungsakts ist nur möglich, wenn zuvor seitens der Behörde der Erlass abgelehnt oder unterlassen wurde. Das setzt zunächst einen erfolglosen Antrag des Klägers bei der Finanzbehörde voraus. Danach bestehen mehrere Möglichkeiten, den beantragten Verwaltungsakt mithilfe des Gerichts zu erstreiten. Der Grundfall ist gem. § 44 Abs. 1 FGO die Verpflichtungsklage nach Ablehnung des beantragten Verwaltungsakts, nachdem der gem. § 347 Abs. 1 S. 1 AO gegen die Ablehnung eingelegte Einspruch durch Einspruchsentscheidung gem. § 367 AO zurückgewiesen wurde. Entscheidet die Behörde ohne zureichenden Grund innerhalb angemessener Frist nicht über den Einspruch, kann Verpflichtungsklage in Form der Untätigkeitsklage gem. § 46 Abs. 1 FGO erhoben werden. Unterlässt es die Behörde, über den Antrag auf Erlass eines Verwaltungsakts überhaupt zu entscheiden, fehlt es also an einer Ablehnung des Antrags, ist zunächst Untätigkeitseinspruch gem. § 347 Abs. 1 S. 2 AO einzulegen. Daraufhin ist dann Verpflichtungsklage entweder nach Einspruchsentscheidung oder unmittelbar als Untätigkeitsklage gem. § 46 Abs. 1 FGO zu erheben. Nur in den Fällen, in denen gem. § 348 Nr. 3 und 4 AO ein Einspruch nicht gegeben ist, kann wegen der Unterlassung eines Verwaltungsakts unmittelbar Verpflichtungsklage in Form der Untätigkeitsklage gem. § 46 Abs. 2 FGO erhoben werden.

2.1.1 Rechtswidrigkeit – Rechtsverletzung des Klägers

 

Rz. 20

Die Rechtswidrigkeit des ablehnenden oder unterlassenen Verwaltungsakts und die dadurch bedingte Rechtsverletzung des Klägers allein können nicht zum Erlass eines Verpflichtungsurteils im eigentlichen Sinn[1] führen. Vielmehr muss darüber hinaus bei rechtmäßigem Verwaltungshandeln gerade der begehrte Verwaltungsakt zu erlassen sein, der Kläger also einen Rechtsanspruch auf den begehrten Verwaltungsakt haben. Denn das Gericht ist nach dem Gewaltenteilungsgrundsatz allein auf eine Rechtmäßigkeitskontrolle beschränkt, sodass es die Finanzbehörde nur im vorgenannten Fall verpflichten kann, den begehrten Verwaltungsakt zu erlassen. Das Gericht muss für eine Verurteilung zur Verpflichtung der Behörde auf Erlass des begehrten Verwaltungsakts feststellen, dass gerade der Kläger alle formellen und materiellen Voraussetzungen des Tatbestands einer begünstigenden Rechtsnorm erfüllt.

2.1.2 Maßgeblicher Zeitpunkt

 

Rz. 21

Grundsätzlich kann das Gericht zum Erlass des begehrten Verwaltungsakts nur verurteilen, wenn seine Ablehnung oder Unterlassung zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung rechtswidrig ist.[1] Das ergibt sich schon aus dem in § 100 Abs. 1 S. 4 FGO geregelten und im Rahmen der Verpflichtungsklage analog anwendbaren Institut der Fortsetzungsfeststellungsklage.[2] Dadurch wird deutlich, dass der Gesetzgeber für die Verpflichtung zum Erlass von Verwaltungsakten durch das Gericht die Rechtswidrigkeit deren Ablehnung zum Zeitpunkt der Entscheidung voraussetzt. Das bedeutet, dass ein Kläger nicht nur dann, wenn der Verwaltungsakt sich erledigt, sondern auch dann, wenn die Ablehnung des begehrten Verwaltungsakts während des Prozesses durch irgendein Ereignis rechtmäßig wird, die Hauptsache für erledigt erklären muss, um mit seiner Klage nicht abgewiesen zu werden. Solche Fälle dürften im Steuerrecht nur selten vorkommen, etwa wenn die Gesetzeslage sich mit verfassungsrechtlich zulässiger Rückwirkung[3] zum Nachteil des Klägers ändert oder wenn ein Gesetz für eine Entscheidung auf einen bestimmten, vor der Entscheidung des Gerichts liegenden Zeitpunkt abstellt[4] oder wenn während des Prozesses ein Grundlagenbescheid ergeht, der den Rechtsanspruch des Klägers vernichtet. Die Behörde kann daher während des Prozesses weitere Gründe für ihre Ablehnung nachschieben, solange dadurch der Inhalt der Regelung nicht verändert wird.[5]

 

Rz. 22

Eine Ausnahme vom Grundsatz, dass es für die Frage des Rechtsanspruchs auf Erlass des begehrten Verwaltungsakts auf den Zeitpunkt der Entscheidung durch das Gericht ankommt, ist allgemein für die Überprüfung von Ermessensentscheidungen anerkannt.[6] Hier ist grds. auf den Zeitpunkt des letzten Verwaltungshandelns abzustellen, denn die Ermessensentscheidung der Behörde kann vom Gericht nur eingeschränkt überprüft werden.[7] Das Gericht kann wegen des Gewaltenteilungsgrundsatzes nicht seine Ermessensentscheidung an die Stelle der Verwaltung setzen. Ein Verpflichtungsurteil kommt daher grds. nicht in Betracht. Die Verwaltung muss Gelegenheit erhalten, ihre Ermessensentscheidung unter Vermeidung des rechtswidrigen Fehlers erneut zu treffen, sodass regelmäßig nur zur Neubescheidung zu verurteilen ist.[8] Lediglich wenn sich das Ermessen nach Beseitigung der Rechtswidrigkeit auf Null reduziert, kann das Gericht, nunmehr unter Abstellen auf den Zeitpunkt seiner Entscheidung, ein Verpflichtungsurteil erlassen.[9]

[1] Stapperfend, in Gräber, FGO, 8. Aufl. 2015, § 101 FGO Rz. 2; Lange, in HHSp, AO/FGO, § 101 FGO Rz. 25.
[2] S. Rz. 16f.

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