Rz. 12

Die Anfechtungsklage richtet sich gegen einen Verwaltungsakt[1]. Nur wenn die behauptete Rechtsverletzung auf einem Verwaltungsakt beruht, kann ein Tenor nach § 100 FGO ergehen. Form und Inhalt des Verwaltungsakts spielen keine Rolle. Wenn die übrigen Voraussetzungen vorliegen, können die FG jeden Verwaltungsakt, der nach § 33 FGO vor ihnen angefochten werden kann, gem. § 100 FGO aufheben oder ändern. Regelmäßig geht einer Anfechtungsklage ein außergerichtliches Vorverfahren voraus[2]. Bei Verwaltungsakten, die den Regeln der AO unterliegen, ist das das Einspruchsverfahren nach §§ 347ff. AO. In solchen Fällen ist Gegenstand der Anfechtungsklage der angefochtene ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf gefunden hat[3]. Im Steuerprozess ist daher regelmäßig der Steuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben oder zu ändern. Zur Aufhebung allein der Einspruchsentscheidung s. Rz. 36f.

1.3.1 Mehrere und teilbare Verwaltungsakte

 

Rz. 13

Richtet sich die Klage gegen mehrere Verwaltungsakte (Klagehäufung), ist jeder einzelne Verwaltungsakt gesondert zu betrachten und jeweils nach § 100 FGO aufzuheben oder zu ändern. Das ist z. B. der Fall, wenn sich eine Klage gegen verschiedene aufgrund einer Betriebsprüfung geänderte Steuerbescheide richtet, oder wenn verschiedene Kläger, die jeweils negative Feststellungsbescheide erhalten haben, gemeinsam Klage erheben. Gleiches gilt, wenn die Behörde auf einem Papier mehrere Verwaltungsakte zusammenfasst. Hier handelt es sich materiell um verschiedene Verwaltungsakte, die jeder für sich mit einer Anfechtungsklage angegriffen werden können. Nur aus prozessökonomischen Gründen werden sie in einem Verfahren zusammengefasst[1]. Entsprechend sind im Tenor des Urteils die einzelnen angefochtenen Verwaltungsakte getrennt zu behandeln.

 

Rz. 14

Wird dagegen ein Verwaltungsakt angefochten, der eine aus verschiedenen Teilen bestehende Regelung enthält, muss auch bei nur teilweiser Rechtswidrigkeit grundsätzlich der gesamte Verwaltungsakt aufgehoben werden. Ist ein Verwaltungsakt mit einer unselbstständigen Nebenbestimmung versehen[2], kann demgemäß der Verwaltungsakt bei Rechtswidrigkeit der unselbstständigen Nebenbestimmung nur insgesamt aufgehoben werden[3]. Nur wenn ein Verwaltungsakt in der Weise teilbar ist, dass ein Teil entfallen oder geändert werden kann, ohne dass der gesamte Verwaltungsakt betroffen ist, kann bei teilweiser Rechtswidrigkeit der selbstständige Teil aufgehoben werden.

 

Rz. 15

Soweit ein Bescheid mehrere selbstständige Teile enthalten kann, sind diese Teile jeweils unabhängig voneinander zu betrachten. Dies kann beispielsweise bei Gewinnfeststellungsbescheiden der Fall sein, die mehrere einzelne Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen umfassen, z. B. die Art der Einkünfte, das Bestehen einer Mitunternehmerschaft oder auch die Höhe des Gesamtgewinns[4]. Dann können einzelne Teile des Feststellungsbescheids rechtswidrig sein und insoweit aufgehoben bzw. geändert werden, ohne dass damit der Bescheid insgesamt hinfällig wird. Ein normaler Steuerbescheid, in dem die Höhe einer bestimmten Steuer für einen Stpfl. und für einen bestimmten Besteuerungszeitraum in einem Geldbetrag festgesetzt wird, ist immer teilbar. Ein Geldbetrag kann beliebig geteilt werden. Die in dem Verwaltungsakt enthaltene Regelung, die festsetzt, dass für einen bestimmten Stpfl. eine Steuerpflicht in dem betreffenden Jahr in bestimmter Höhe besteht, kann teilweise rechtswidrig sein. Ist die Steuer der Höhe nach nicht dem Gesetz entsprechend festgesetzt, ist der Bescheid insoweit rechtswidrig. Da dem Gericht durch den Gesetzgeber die Änderungsmöglichkeit besonders eingeräumt ist (s. Rz. 6, 71ff.), geht in diesem Fall entsprechend dem Begehren des Klägers sein Antrag auf Änderung des Steuerbescheids, den das Gericht zu prüfen hat.

1.3.2 Scheinverwaltungsakt

 

Rz. 16

Ein Urteilstenor nach § 100 FGO setzt die Anfechtung eines Verwaltungsakts voraus. Liegt kein Verwaltungsakt vor, kann die Anfechtungsklage nicht zulässig und begründet sein[1]. Eine sonstige, keinen Verwaltungsakt darstellende Maßnahme der Behörde wäre mit einer Feststellungsklage bzw. mit einer allgemeinen Leistungsklage zu erzielen. Probleme entstehen, wenn nicht nur streitig ist, ob ein Verwaltungsakt rechtswidrig ist, sondern daneben auch, ob überhaupt ein Verwaltungsakt erlassen wurde oder ob der erlassene Verwaltungsakt nichtig ist. Ein nichtiger Verwaltungsakt ist kein Verwaltungsakt, da durch eine solche Maßnahme der Behörde nichts geregelt wird. Aber ein nichtiger Verwaltungsakt kann den Rechtsschein einer Regelung erzeugen. Dem von einem solchen Rechtsschein Betroffenen muss ein Rechtsschutzbedürfnis zur Beseitigung dieses Rechtsscheins zugebilligt werden, das mit der Feststellungsklage[2] verfolgt wer...

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