Rz. 6

Das Strafverfahrensrecht ist formelles Recht zur Durchsetzung des materiellen Strafrechts. Weil das Verfahren der staatlichen Organe der Rechtspflege geregelt wird, ist es seiner Rechtsnatur nach Teil des öffentlichen Rechts. Das Strafverfahren ist ein besonderes öffentlich-rechtliches Verfahren, aber kein Verwaltungsverfahren.[1]

 

Rz. 6a

Ermittlungsmaßnahmen der Strafverfolgungsorgane im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren sind demgemäß keine Abgabenangelegenheiten i. S. v. § 347 Abs. 2 AO, sodass der Finanzrechtsweg hierfür nicht gegeben ist,[2] sondern es ergibt sich die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte.[3]

 

Rz. 6b

Soweit die Finanzbehörde Funktionen im Strafverfahren wahrnimmt, ist sie ihrem Charakter nach nicht Verwaltungsbehörde, sondern Strafverfolgungsorgan,[4] sodass auch im Steuerstrafverfahren der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben ist.[5]

Der Rechtsweg bei Ermittlungsmaßnahmen der Steuer- bzw. Zollfahndung richtet sich danach, in welcher Verfahrensart, im Besteuerungs- oder im Strafverfahren, Maßnahmen ergriffen worden sind.[6]

2.3.1 Strafverfahren im weiteren Sinn

 

Rz. 7

Das Strafverfahren i. w. S. gliedert sich in zwei Verfahrensabschnitte:

  • Der erste Hauptabschnitt ist das Erkenntnisverfahren, in dem der Sachverhalt durch die Strafverfolgungsorgane festgestellt und durch das Strafgericht die Rechtsfolge ausgesprochen wird.[1]
  • Der zweite Hauptabschnitt ist das Vollstreckungsverfahren, in dem der gerichtliche Strafausspruch realisiert wird.[2] Mit Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung schließt sich dieses im Fall der Verurteilung an das Erkenntnisverfahren an.
[1] Erkenntnisverfahren zur Feststellung des Sachverhalts in Abgrenzung zum Vollstreckungsverfahren, Schmitt-Leonardy/Klarmann, JuS 2022, 210 (213).

2.3.2 Strafverfahren im engeren Sinn

 

Rz. 8

Das Strafverfahren i. e. S. ist das Erkenntnisverfahren, in dem der zugrunde liegende Sachverhalt festgestellt wird und in dem wiederum zwei Verfahrensabschnitte zu unterscheiden sind:

2.3.2.1 Behördliches Ermittlungsverfahren

 

Rz. 8a

Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wird im ersten Verfahrensabschnitt durch die Strafverfolgungsbehörden geführt. Es ist grundsätzlich Aufgabe der Staatsanwaltschaft.[1] Die erforderlichen Ermittlungen kann der Staatsanwalt entweder selbst vornehmen oder durch das Amtsgericht bzw. durch Ermittlungspersonen vornehmen lassen. Die Aufgabe der Staatsanwaltschaft wird im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren auch von der Finanzbehörde i. S. v. § 386 AO als Strafverfolgungsorgan wahrgenommen.[2]

 

Rz. 8b

Der Beginn des Ermittlungsverfahrens erfolgt durch die Einleitung des Strafverfahrens, mithin sobald die Finanzbehörde, die Polizei, die Staatsanwaltschaft, eine ihrer Ermittlungspersonen oder der Strafrichter eine Maßnahme trifft, die erkennbar darauf abzielt, gegen jemanden wegen einer Steuerstraftat strafrechtlich vorzugehen.[3]

Der Abschluss des Ermittlungsverfahrens ist abhängig vom Ermittlungsergebnis. Das Verfahren endet durch:

  • Einstellung des Verfahrens[4],
  • Absehen von der Strafverfolgung nach § 398a AO in den Fällen der Selbstanzeige, in denen der verkürzte Betrag oder der Steuervorteil pro Tat einen Betrag von 25.000 EUR übersteigt[5],
  • Erhebung der Anklage. Diese erfolgt entweder durch Übersendung der Anklageschrift durch die Staatsanwaltschaft an das Gericht mit dem Antrag auf Anberaumung der Hauptverhandlung oder durch einen Strafbefehlsantrag.[6]
[1] Nr. 1 RiStBV v. 8.11.2021, BAnz AT 24.11.2021 B1.
[2] Randt, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 386 AO Rz. 22ff.

2.3.2.2 Gerichtliches Verfahren

 

Rz. 9

An das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren schließt das gerichtliche Verfahren beim Strafgericht[1] an, in dem wiederum zwei Verfahrensabschnitte zu unterscheiden sind.

2.3.2.2.1 Zwischenverfahren

 

Rz. 9a

Nach Eingang der Anklageschrift entscheidet das Strafgericht über die Zulassung der Anklage.[1] Dieses Zwischenverfahren endet entweder mit der Ablehnung der Eröffnung des Verfahrens,[2] mit einem Einstellungsbeschluss[3] oder mit einem Eröffnungsbeschluss.[4] Ferner kann das Gericht mit den Verfahrensbeteiligten schon im Zwischenverfahren die Möglichkeit einer Verfahrensabsprache erörtern.[5] Im Strafbefehlsverfahren[6] prüft der Richter, ob er den von der Staatsanwaltschaft, bzw. der Finanzbehörde,[7] beantragten Strafbefehl erlässt oder die Hauptverhandlung anberaumt.[8]

[5] § 202a StPO, wobei eine solche Absprache zwingend aktenkundig zu machen ist.

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