Rz. 55

Während die Steuerbescheide in §§ 155ff. AO und die Feststellungsbescheide in §§ 179ff. AO eingehend gesetzlich geregelt sind, enthält die AO für die Grundlagen- und Folgebescheide nur zwei Legaldefinitionen: in § 171 Abs. 10 AO für den Grundlagenbescheid, in § 182 Abs. 1 AO für den Folgebescheid. An einer zusammenfassenden Regelung fehlt es; insbesondere ergibt sich der gesetzliche Grund für die Bindung des Folgebescheids an den Grundlagenbescheid nur aus den Einzelgesetzen. § 182 Abs. 1 AO, der das Prinzip dieser Bindung enthält, gilt nach seinem ausdrücklichen Wortlaut und nach seiner systematischen Stellung nur für die Feststellungsbescheide der §§ 179ff. AO, nicht für andere Grundlagenbescheide.

 

Rz. 56

Ein Grundlagenbescheid liegt vor, wenn das Gesetz ausdrücklich bestimmt, dass er Geltung für einen anderen Bescheid (Feststellungsbescheid, Steuermessbescheid, Steuerbescheid oder Steueranmeldung – Folgebescheid, vgl. § 182 Abs. 1 AO) erhält und sein Tenor damit als "präjudiziell" in den des Folgebescheids ohne erneute Prüfung einzugehen hat. Eine solche Bindung entfaltet die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, also die Feststellungsbescheide nach § 179 AO.[1] Grundlagenbescheide können aber auch andere Bescheide als Feststellungsbescheide sein.

 

Rz. 57

Grundlagenbescheid, aber kein Feststellungsbescheid sind der Bescheid über die Maßstabsteuer für die Zuschlagsteuern nach § 51a Abs. 5 EStG und der Bescheid über die ESt für die KiSt.[2]

 

Rz. 58

Ein dem Grundlagen- und Folgebescheid ähnliches Verhältnis liegt vor zwischen Stundungsverfügung und Zinsbescheid; auf den Zinsbescheid sind §§ 171 Abs. 10, 175 Abs. 1 Nr. 1 AO anzuwenden. Entsprechendes gilt, wenn die Steuerschuld herabgesetzt wird; auch dann ist der Zinsbescheid anzupassen.[3]

 

Rz. 59

Kein Grundlagenbescheid ist der ESt- oder KSt-Bescheid für die GewSt. Gewerbesteuerlich wird der Gewerbeertrag selbstständig, wenn auch in Anlehnung an die einkommensteuerlichen Vorschriften, errechnet. § 35b GewStG eröffnet nur die formelle Möglichkeit einer Anpassung des GewSt-Bescheids, enthält aber keine materielle Bindung an den ESt- oder KSt-Bescheid. Bestünde eine solche Bindung, wäre § 35b GewStG insoweit überflüssig, da dann § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO anwendbar wäre. Demgegenüber ist § 35b GewStG jedoch eine eigenständige Vorschrift mit eigenem Regelungsbereich.[4] Umgekehrt besteht auch keine Bindung des ESt- oder KSt-Bescheids an den GewSt-Messbescheid. Der GewSt-Messbescheid ist daher ebenfalls kein Grundlagenbescheid für die Ertragsteuerbescheide, wohl aber für den GewSt-Bescheid.[5]

 

Rz. 60

Kein Grundlagenbescheid sind auch die verbindliche Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO und die verbindliche Zusage nach §§ 204ff. AO. Wegen § 206 Abs. 2 AO ist die Zusage nicht in einem solchen umfassenden Maß für die Steuerfestsetzung verbindlich, wie es ein Grundlagenbescheid erfordert. Es handelt sich um begünstigende Verwaltungsakte, die bestandskräftig werden können, nicht aber für den Stpfl. bindende Grundlagenbescheide, da er der in der Auskunft bzw. Zusage getroffenen Entscheidung nicht folgen muss und mit späteren Einwendungen nicht ausgeschlossen wird.[6] An die Auskunft bzw. Zusage gebunden ist nur die Finanzverwaltung, nicht der Stpfl.; diese eingeschränkte Bindungswirkung widerspricht dem Charakter einer gesonderten Feststellung.

[1] Vgl. § 182 AO; zur Reichweite der Bindungswirkung vgl. Frotscher, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 182 AO Rz. 4.
[2] Vgl. die Kirchensteuergesetze der Länder, z. B. § 14 Abs. 2 KiStG Baden-Württemberg; vgl. auch FG Baden-Württemberg v. 23.1.1992, 9 V 2/90, EFG 1992, 245.
[4] Frotscher, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 172 AO Rz. 79; BFH v. 21.12.1993, VIII B 197/93, BStBl II 1994, 300.
[6] Giloy, FR 1983, 528, 530; a. A. FG Hamburg v. 8.7.1988, II 161/85, EFG 1989, 80.

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