Rz. 20

Nach der Aufhebung des § 97 Abs. 2 AO a. F.[1] m. W. zum 30.6.2013 wurde das Auswahlermessen der Finanzbehörde deutlich vereinfacht, da aufgrund der gestrichenen Subsidiaritätsklausel des § 97 Abs. 2 S. 1 AO die – das Besteuerungsverfahren unnötig verkomplizierende – Vorfrage, ob eine Auskunft vorrangig einzuholen ist[2], – entfiel. Danach sollte die Vorlage von Urkunden i. d. R. erst dann verlangt werden, wenn[3]

  • eine Auskunft, obwohl nach § 93 AO darum ersucht worden ist, nicht erteilt wurde. Aus welchen Gründen der Betroffene geschwiegen hatte, spielte keine Rolle;
  • die erteilte Auskunft unzureichend war, etwa weil die Auskunftsperson die von der Finanzbehörde gestellten Fragen nur teilweise oder fragmentarisch beantwortet hat;
  • gegen die Richtigkeit der erteilten Auskunft Bedenken bestanden, z. B. weil die Auskunftsperson unglaubwürdig oder unzuverlässig war bzw. die erteilte Auskunft von der Finanzbehörde für unwahrscheinlich gehalten wurde.
 

Rz. 21

Die Auskunftspflicht ging der Vorlagepflicht aufgrund der geringeren Eingriffsintensität in allen typischen Fällen vor. Die Finanzbehörde sollte sich grundsätzlich mit der erteilten Auskunft zufrieden geben. Nur in atypischen – am Zweck der Vorschrift zu messenden – Ausnahmefällen durfte sie von der zwingenden Reihenfolge der Beweismittel abweichen.[4] Die Grundentscheidung, dass eine Auskunft für den Stpfl. die gegenüber der Vorlage von Urkunden und Unterlagen weniger schwerwiegende Maßnahme darstellt, ist aus guten Gründen aufgegeben worden. Zum einen stellte der Vorrang eine die Verifikation erheblich verkomplizierenden Umstand dar, wenn im Vorwege zunächst die naturgemäß verblassende Gedächtnisleistung des Stpfl. in Anspruch zu nehmen war. Zum anderen ist kaum nachvollziehbar, warum die schlichte Vorlage einer Urkunde eine größere Belastung für den Stpfl. darstellt.

 

Rz. 22

Nach § 97 Abs. 2 S. 2 AO a. F. griff die Subsidiaritätsklausel gegenüber Beteiligten und diesen gleichgestellten Personen (vgl. Rz. 9) in den folgenden drei Fällen nicht:

  • Nach der 1. Alternative konnte die Finanzbehörde unmittelbar die Urkundenvorlage verlangen, soweit eine steuerliche Vergünstigung geltend gemacht wurde. Der Begriff "steuerliche Vergünstigung" war untechnisch und umfassend zu verstehen, sodass davon alle steuerlichen Vorteile erfasst wurden, für die der Beteiligte nach den Regeln der objektiven Beweislast (vgl. § 88 AO Rz. 29ff.) darlegungspflichtig gewesen wäre. Zu den steuerlichen Vergünstigungen zählten deshalb alle den Steueranspruch aufhebenden oder mindernden Tatbestände, wie z. B. Betriebsausgaben, Werbungskosten, Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen, Steuerbefreiungen, -ermäßigungen, -abzugsbeträge und -freibeträge sowie Stundung und Erlass.[5]
  • Die 2. Alternative erklärte die Subsidiaritätsklausel für unanwendbar, wenn die Finanzbehörde eine nach §§ 193ff. AO an sich zulässige Außenprüfung nicht durchführen wollte. § 97 Abs. 2 AO a. F. galt im Außenprüfungsverfahren nicht.[6] Wenn die Finanzbehörde zur Anordnung einer Außenprüfung befugt gewesen wäre, sollte sie sich zur Sachaufklärung auch ungehindert mit einem milderen Mittel begnügen dürfen. Anderenfalls wären ihre Ermittlungsbefugnisse sinnwidrig eingeengt worden. Maßgebend für die Absicht, keine Außenprüfung durchführen zu wollen, war der Zeitpunkt des Vorlageersuchens-[7] Die Finanzbehörde verlor aber nicht das Recht, entgegen ihrer zunächst bestehenden Absicht später gleichwohl eine Außenprüfung bei dem Beteiligten durchzuführen-[8] Auch berührte die spätere Durchführung einer Außenprüfung nicht die Zulässigkeit des Urkundenbeweises.
  • Das Erfordernis eines vorherigen Auskunftsersuchens entfiel ferner, wenn die Finanzbehörde wegen der erheblichen steuerlichen Auswirkungen eine baldige Klärung für geboten hielt. Diese 3. Alternative setzte die Zulässigkeit einer Außenprüfung nicht voraus. Nach Schuster, in HHSp, AO/FGO, § 97 AO Rz. 29, handelte es sich bei dieser – restriktiv auszulegenden – Ausnahmevorschrift um eine Art Auffangtatbestand. Ob das Merkmal der Erheblichkeit gegeben war, hing vom jeweiligen Einzelfall ab.[9]

Schließlich verdrängten auch die sich mit Vorlagepflichten von Beteiligten und Dritten befassenden Sondervorschriften in den Einzelsteuergesetzen[10] die Subsidiaritätsklausel des § 97 Abs. 2 S. 1 AO a. F.

 

Rz. 23

Aus dem Zusammenspiel von § 97 Abs. 2 S. 1 AO a. F. mit §§ 93 Abs. 1 S. 3, 94, 95 Abs. 1 S. 2 und 100 AO ergab sich folgende Reihenfolge der Beweismittel[11]:

  • Auskünfte der Beteiligten,
  • Urkundenvorlage durch Beteiligte,
  • Vorlage von Wertsachen durch Beteiligte,
  • Auskünfte anderer Personen,
  • Urkundenvorlage durch andere Personen,
  • Vorlage von Wertsachen durch andere Personen,
  • eidesstattliche Versicherung der Beteiligten,
  • eidliche Vernehmung anderer Personen.
[1] Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz – AmtshilfeRLUmsG) v. 26.6.2013, BGBl I 2013, 1809.
[2] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 97...

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