1 Allgemeines

1.1 Zweck und Bedeutung der Vorschrift

 

Rz. 1

Seinem Inhalt nach betrifft § 73 AO die haftungsrechtliche Inanspruchnahme von abhängigen Organgesellschaften. Diese haften für solche Steuern des Organträgers, für welche die Organschaft zwischen ihnen steuerlich von Bedeutung ist. Organträger kann eine Kapitalgesellschaft, eine sonstige Körperschaft, eine Personengesellschaft oder ein Einzelunternehmen sein. Organgesellschaften sind solche, die jeweils die Voraussetzungen nach den Vorschriften des UStG, des GewStG und des KStG erfüllen.[1] Für die grunderwerbsteuerliche Organschaft hat § 73 AO wegen der Regelung in § 13 Nr. 5 GrEStG keine Bedeutung.

Mit Wirkung ab 1.1.2001 sind für die KSt die wirtschaftliche und die organisatorische Eingliederung nicht mehr erforderlich.[2]

 

Rz. 2

Auch die Voraussetzungen der umsatzsteuerlichen Organschaft müssen rechtssicher bestimmbar sein.[3] Hier haben sich allerdings aufgrund der Rechtsprechung des EuGH[4] und der Anpassung an diese durch den V. und XI. Senat des BFH[5] insofern Änderungen ergeben, dass unter besonderen Voraussetzungen auch Personengesellschaften Organe sein können. Wenn auch die Organschaft in den drei Steuergebieten in Voraussetzungen und Folgen unterschiedlich ausgestaltet ist (vgl. Rz. 12ff.), so ist ihnen gemein, dass alle bzw. fast alle USt, GewSt oder KSt vom Organträger geschuldet werden, auch soweit sie ihre Ursache bei der Organgesellschaft haben. Insoweit werden die Organgesellschaften trotz ihrer weiterbestehenden rechtlichen Selbstständigkeit nicht selbst Steuerschuldner, obgleich durch ihr Verhalten der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis begründet bzw. erhöht begründet wird.[6] Zu beachten ist allerdings, dass die umsatzsteuerliche Organschaft sich gem. § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 2 UStG auf die Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt. Insoweit muss die Haftung nach § 73 AO auch auf diesen Bereich begrenzt bleiben. Allerdings hat der EuGH angedeutet, dass unter bestimmten Voraussetzungen Organschaftsfälle auch über die Grenze bestehen können. Hierzu bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten.

 

Rz. 3

Der Haftungstatbestand soll verhindern, dass durch die Konstruktion der Organschaft das Gesellschaftsvermögen des eigentlichen Verursachers der Steuer dem Zugriff der Finanzbehörden praktisch entzogen wird. Die Vorschrift bringt also eine annähernde Anpassung der Situation für die Durchsetzung des Steueranspruchs an diejenige der Steuerverursachung. Sie soll Steuerausfälle verhindern, die durch die Nutzung des Rechtsinstituts der Organschaft bei einer wirtschaftlichen Schwäche des Organträgers eintreten könnten.[7]

Allerdings führt die weite Fassung des § 73 AO dazu, dass die Haftung weit über die Steuern hinausgeht, für die der Organträger steuerliche Ergebnisse der Organgesellschaft schuldet.

Die Haftung nach dieser Vorschrift ist in der Praxis besonders wichtig für Fälle der Betriebsaufspaltung, bei der gewerbesteuerlich eine Organschaft vorliegen kann[8] und umsatzsteuerlich eine Organschaft meist angenommen wird.[9]

 

Rz. 4

Inhaltlich wurde § 73 AO durch das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 12.12.2019[10] mit Wirkung vom 18.12.2019 um einen neuen Satz 2 ergänzt: "Haftet eine Organgesellschaft, die selbst Organträger ist, nach Satz 1, haften ihre Organgesellschaften neben ihr ebenfalls nach Satz 1." Der bisherige Satz 2 wurde zu Satz 3.

Dieser Änderung vorausgegangen war die Entscheidung des BFH[11], dass nach § 73 AO nur die unmittelbare Organgesellschaft für nicht entrichtete Körperschaftsteuern des Organträgers haftet, soweit die konkrete Organschaft zwischen ihnen steuerlich von Bedeutung ist. Die Haftung nachrangiger Organgesellschaften sollte vom Wortlaut des § 73 AO nicht erfasst sein. Diese Regelungslücke wurde durch den neuen § 73 S. 2 AO geschlossen.

Mit der Neuregelung wird künftig sichergestellt, dass ein Haftungsbescheid gegenüber der (nachrangigen) Organgesellschaft erlassen werden kann, die eine Steuerschuld wirtschaftlich verursacht hat bzw. bei der ein Haftungsanspruch durchsetzbar erscheint. § 73 AO regelt die Haftung der Organgesellschaften für Steuern des Organträgers. Die Haftungsvorschrift findet ihre Rechtfertigung auch weiterhin darin, dass bei steuerlicher Anerkennung einer Organschaft die vom Organträger zu zahlende Steuer auch die Beträge umfasst, die ohne diese Organschaft von der Organgesellschaft geschuldet worden wären. Sofern die Organschaft im betroffenen Einzelsteuergesetz nur als zweipersonales Organschaftsverhältnis definiert wird, umfasst die von einem Organträger zu entrichtende Steuer bei mehrstufiger Organschaftskette auch Beträge, die ohne die wirksamen Organschaftsverhältnisse von weiteren Organträgern in der Organschaftskette, die zugleich Organgesellschaften sind, oder von einer Organgesellschaft geschuldet worden wären.

An dem vom Gesetzgeber vorgesehenen Regelungsziel des § 73 AO hat sich nichts geändert, so dass – auch wegen mögl...

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