Rz. 9

Die Finanzbehörde informiert die Berufskammer über die Vorwürfe, die gegen den Berufsangehörigen erhoben werden, und über die beabsichtigten bußgeldrechtlichen Maßnahmen, indem sie die Bußgeldakten (Hauptakten) zur Einsicht vorlegt.[1] Die Akte ist zu versehen mit einem zusammenfassenden wesentlichen Ermittlungsergebnis und einer rechtlichen Würdigung.[2] Auch die Teile der Akten, die den Stpfl. oder einen sonst Beteiligten betreffen, werden der Berufskammer vorgelegt, wenn sie für die Beurteilung des Falles von Bedeutung sind.[3]

Diese Informationsweitergabe ist mit dem Steuergeheimnis vereinbar, da die Offenbarung von § 30 Abs. 4 Nr. 1 und 2 i. V. m. § 411 gedeckt ist.[4] Informationen, die nicht in Verbindung zu dem Bußgeldverfahren wegen der Steuerordnungswidrigkeit stehen, sind von der vorlegenden Finanzbehörde aus der Akte zu entfernen.

Fraglich ist, ob die Berufskammer durch die Finanzbehörde – ggf. auch gegen den Willen des betroffenen Kammermitglieds – beteiligt werden muss. Der Wortlaut des § 411 AO spricht für eine Verpflichtung der Finanzbehörde, da der Verwaltung ausdrücklich kein Ermessen eingeräumt wurde. Auch der Zweck der Norm, den Sachverstand der Berufskammer für die Entscheidung der Behörde nutzbar zu machen, spricht für eine verbindliche Vorlagepflicht. Davon geht auch die Verwaltung aus, denn nach ihrer Ansicht kann auf die Anhörung der zuständigen Kammer auch dann nicht verzichtet werden, wenn der Betroffene dies beantragt.[5]

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Vorlagepflicht nach § 411 AO primär dem Schutz des betroffenen Kammermitgliedes dient. Mithin ist es nur folgerichtig, ihm die Möglichkeit zu geben, auf diesen Schutz mit bindender Wirkung für die Finanzbehörde zu verzichten.[6]

Den schutzwürdigen Interessen der Berufskammern als Aufsichtsorgane kann trotz des Verzichts des Kammermitglieds auf Anhörung der Berufskammer im Rahmen des § 411 AO durch die fortbestehende Mitteilungspflicht gem. § 10 StBerG Rechnung getragen werden.[7]

Um die Problematik des Verzichts auf Anhörung der Berufskammer im Einzelfall zu umgehen, werden in der Praxis die Verfahren mitunter einvernehmlich ohne eine Information der Berufskammer gegen Zahlung einer erhöhten Geldbuße eingestellt[8], oder das Ermittlungsverfahren wird unter Anwendung des lediglich auf Straftaten und nicht auf Ordnungswidrigkeiten anwendbaren § 153a StPO gegen Auflage eingestellt.

[1] Vgl. Nr. 115 Abs. 1 S. 1 AStBV 2014.
[2] Nr. 115 Abs. 1 S. 3 i. V. m. Nr. 89 Abs. 2 AStBV 2014; vgl. auch Hilgers-Klautzsch, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 411 AO Rz. 7 m. w. N.
[3] Nr. 115 Abs. 1 S. 2 AStBV 2014.
[4] Kemper, in Rolletschke/Kemper, Steuerstrafrecht, § 411 AO Rz. 11; Lipsky, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 411 AO Rz. 13; Hilgers-Klautzsch, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 411 AO Rz. 7.
[5] Vgl. Nr. 115 Abs. 3 AStBV 2014.
[6] Ebenso Bilsdorfer, DStR 1983, 27; Kemper, in Rolletschke/Kemper, Steuerstrafrecht, § 411 AO Rz. 12; Hilgers-Klautzsch, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 411 AO Rz. 8; Lipsky, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 411 AO Rz. 10; a. A. Nr. 115 Abs. 3 AStBV 2015; Jäger, in Klein, AO, 12. Aufl. 2014, § 411 AO Rz. 1; Rüping, in HHSp, AO/FGO, § 411 AO Rz. 14f.
[7] Vgl. Rz. 13.

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