Rz. 36

Für die Beurteilung der Straferwartung kommt es in erster Linie auf die Höhe der verkürzten Steuern an.[1] So liegt ein besonders schwerer Fall der Steuerverkürzung in der Regel vor, wenn der Täter durch die Tat Steuern i. H. v. mindestens 50.000 EUR hinterzogen hat[2], ohne dass es darauf ankommt, ob er eine Steuererstattung in dieser Höhe vom Fiskus erhalten hat, oder ob er durch die Tat eine zu niedrige Steuerfestsetzung in dieser Höhe bewirkt hat.[3] Seine frühere Rechtsprechung, wonach der BGH zwischen einer Wertgrenze von 50.000 EUR bei ungerechtfertigt erlangten Zahlungen und 100.000 EUR bei verschwiegenen Einnahmen differenzierte, hat er zugunsten einer einheitlichen Wertgrenze von 50.000 EUR aufgegeben.[4] Bei einem besonders schweren Fall ist i. d. R. eine Freiheitsstrafe zu verhängen, bei einer Verkürzung in Millionenhöhe, kommt eine Aussetzung zur Bewährung grundsätzlich nicht mehr in Betracht.[5]

 

Rz. 37

Wurden mehrere Steuerverkürzungen begangen, wie es in der Praxis oftmals der Fall ist, so wird eine Gesamtstrafe nach § 54 StGB gebildet. Dabei wird für jede Tat im prozessualen Sinne[6] eine Einzelstrafe gebildet und anschließend zu einer Gesamtstrafe zusammengefasst. Dabei muss die Gesamtstrafe sich in einem Rahmen bewegen, der oberhalb der höchsten Einzelstrafe, der Einsatzstrafe, und unterhalb der Summe der Einzelstrafen liegt. In der Regel gelten am selben Tag abgegebene falsche Steuererklärungen als tateinheitlich begangene Tat i. S. d. § 52 StGB, bei denen für die Strafzumessung die verkürzten Steuern addiert werden. Anders ist es bei tatmehrheitlich begangenen Steuerverkürzungen, bei denen zum Zwecke der Strafzumessung keine Addition der einzelnen verkürzten Steuern in Betracht kommt, sondern jeweils eine Einzelstrafe verhängt wird.

Ist es bei der Steuerstraftat nicht zur Vollendung gekommen, so wird die Tat als versuchte Tat bestraft.[7] Dies wird erfahrungsgemäß bei der Strafzumessung mildernd berücksichtigt.[8] Diese bewegt sich regelmäßig innerhalb eines Rahmens zwischen 50 % und 66 % dessen, was für die Tat im Falle der Vollendung verhängt worden wäre.

 

Rz. 38

Bei der Prüfung der Auswirkungen einer überlangen Verfahrensdauer auf das Strafmaß ist zu differenzieren: hat die Verfahrensdauer einen Grad erreicht, in dem die Verzögerung rechtsstaatswidrig ist, so kommt die Vollstreckungslösung des Bundesgerichtshofs[9] zum Tragen. Danach wird die Strafe in voller Höhe ermittelt. Anschließend stellt das Gericht die rechtsstaatswidrige Verzögerung fest und kann zusätzlich einen Teil der Strafe als vollstreckt betrachten. Dies kommt dem Angeklagten zwar insoweit zugute, dass er nicht die volle Strafe verbüßen muss. Insbesondere bei Grenzwerten[10] kann sich diese Vorgehensweise faktisch zulasten des Täters auswirken.

Erreicht der Grad der Verzögerung nicht den Bereich der Rechtsstaatswidrigkeit, kommt eine Strafmilderung auf der Strafzumessungsebene in Betracht.

Mit der Einführung des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren[11] hat der Bundesgesetzgeber auf zahlreiche Verurteilungen der Bundesrepublik durch den EGMR reagiert und Beschuldigten im Ermittlungsverfahren eine Rechtsschutzmöglichkeit geschaffen.[12] Danach kann der Beschuldigte bei unangemessen langer Verfahrensdauer entweder eine Entschädigung in Geld erhalten oder alternativ wird die unangemessene Verzögerung festgestellt.[13] Dies gilt gem. § 199 GVG auch für eine Verzögerung, die die Finanzbehörde verursacht hat, soweit sie die Ermittlungen in eigener Zuständigkeit führt. Eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung liegt auch dann vor, wenn das Gericht aufgrund hoher Belastung eine Strafsache mehr als zwei Jahre unbearbeitet lässt, selbst wenn der Angeklagte in dieser Zeit nicht in Haft ist.[14]

 

Rz. 39

In der Praxis ziehen die Bußgeld- und Strafsachenstellen für die Strafzumessung Strafmaßtabellen heran, die entweder von den Oberfinanzdirektionen oder den Staatsanwaltschaften stammen. Durch solche Tabellen wird zwar einerseits eine gewisse Gleichmäßigkeit bei der Strafzumessung erreicht. Andererseits widerspricht eine unreflektierte Anwendung solcher Straftaxen dem Gedanken des individuellen Schuldrechts.[15] Schlimmstenfalls wendet die Finanzbehörde solche Tabellen konsequent an, wobei individuelle Strafzumessungsfaktoren[16] nicht ausreichend oder nur floskelhaft berücksichtigt werden. Eine solche "Mathematisierung"[17] ist dem Strafrecht jedoch fremd und kann zur Rechtswidrigkeit führen.

 
Verkürzungsbetrag Zu erwartende Sanktion
bis etwa 800 EUR bei erstmaligem Verstoß Einstellung ohne weitere Konsequenzen für den ­Beschuldigten nach § 398 AO, bei besonders gelagerten Fällen auch bei höheren Beträgen nach § 153 StPO mit Zustimmung des Gerichts
bis ca. 5.000 EUR Einstellung gegen Geldauflage nach § 153a StPO
bis 50.000 EUR Strafbefehl mit Geldstrafe
ab 50.000 EUR bei einer strafprozessualen Tat Besonders schwerer Fall der Steuerverkürzung, Anklage zum Strafrich...

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