Rz. 3a

§ 391 Abs 1 S. 1 AO regelt die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts bei Steuerstraftaten. Diese Regelung gilt erst nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens im Erkenntnisverfahren[1], also ab Anklageerhebung im Zwischen- und Hauptverfahren[2] bzw. ab Beantragung des Erlasses eines Strafbefehls.[3] Die Regelung über die örtliche Zuständigkeit setzt die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts nach den allgemeinen Regeln voraus.[4]

[1] Randt, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 391 AO Rz. 14; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 391 AO Rz. 8.
[2] Bülte, in HHSp, AO/FGO, § 391 AO Rz. 38.
[3] Hilgers-Klautzsch, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 391 AO Rz. 15; Klein/Jäger, AO, 16. Aufl. 2022, § 391 Rz. 10.
[4] Klein/Jäger, AO, 16. Aufl. 2022, § 391 Rz. 5; Randt, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 391 AO Rz. 5.

2.1.1 Sachliche Zuständigkeit der Gerichte

 

Rz. 4

Die sachliche Zuständigkeit des Gerichts wird gem. § 1 StPO durch das GVG bestimmt. Sie ist im Hinblick auf das Gebot des gesetzlichen Richters eine notwendige Verfahrensvoraussetzung, die stets von Amts wegen – auch in der Rechtsmittelinstanz – überprüft werden muss.[1]

2.1.1.1 Abgrenzung Zuständigkeit Amtsgericht – Landgericht

 

Rz. 4a

Im Steuerstrafverfahren kommen als erstinstanzliche Gerichte das Amtsgericht und das Landgericht in Betracht.

Ausgangspunkt ist die umfassende sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts.[1] Nur wenn nach § 24 GVG das Amtsgericht sachlich nicht zuständig ist, ergibt sich im Steuerstrafverfahren nach § 74 Abs. 1 GVG die erstinstanzliche Zuständigkeit des Landgerichts, anderenfalls verletzt die fehlerhafte Verfahrenseröffnung durch das Landgericht das verfassungsrechtliche Gebot des gesetzlichen Richters und ist im Beschwerdeverfahren aufzuheben.[2]

 

Rz. 5

Für die Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit des Landgerichts ist in erster Linie auf die im Einzelfall zu erwartende Strafe abzustellen. Die Strafgewalt des Amtsgerichts ist nach § 24 Abs. 2 GVG insoweit begrenzt, als es u. a. nicht auf eine höhere Freiheitsstrafe als vier Jahre erkennen darf. Ist für die angeklagte Tat eine höhere Freiheitsstrafe zu erwarten, so ergibt sich die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts.[3]

Die Entscheidung hierüber liegt bei dem Gericht, das über die Eröffnung des Hauptverfahrens beschließt[4] bzw. in der Hauptverhandlung das Verfahren abgibt.[5] Die Adressierung der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft bzw. des Strafbefehls durch die Finanzbehörde bindet das bezeichnete Gericht nicht und kann die sachliche Zuständigkeit nicht begründen.[6]

 

Rz. 5a

Das Amtsgericht ist nach § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG ferner auch dann nicht zuständig, wenn von der Staatsanwaltschaft wegen der besonderen Bedeutung der Sache Anklage beim Landgericht erhoben wird. Allerdings kann hier die Zuständigkeit des Amtsgerichts dadurch begründet werden, dass das Landgericht das Hauptverfahren vor dem Amtsgericht eröffnet.[7]

[1] § 24 Abs. 1 GVG; s. Barthe, in KK-StPO, 9. Aufl. 2023, § 24 GVG Rz. 1.
[6] Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl. 2022, § 209 StPO Rz. 1.

2.1.1.2 Strafrichter – Schöffengericht – Strafkammer

 

Rz. 6

Soweit das Landgericht als erstinstanzliches Gericht sachlich zuständig ist, entscheidet nach §§ 74 Abs. 1, 76 Abs. 1 GVG die Große Strafkammer. Diese ist in der Hauptverhandlung nach § 76 Abs. 2, 3 GVG[1] i. d. R. mit drei Berufsrichtern und zwei Schöffen besetzt, da Steuerstraftaten der Wirtschaftskammer beim Landgericht zugewiesen sind. Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung, z. B. der Eröffnungsbeschluss, werden stets ohne Schöffen durch die Berufsrichter getroffen.[2] Soll im Rahmen einer Hauptverhandlung eine Nachtragsanklage zugelassen werden, so muss dies zwingend durch die drei Berufsrichter erfolgen, im übrigen ist der Beschluss unwirksam und revisibel.[3]

 

Rz. 6a

Soweit das Amtsgericht sachlich zuständig ist, kommen unterschiedliche Spruchkörper in Betracht:

  • Gemäß § 28 GVG entscheidet das Schöffengericht in der Besetzung mit einem Berufsrichter und zwei Schöffen[4], sofern nicht der Strafrichter entscheidet.
  • Nach § 25 Nr. 2 GVG entscheidet in Steuerstrafsachen der Strafrichter als Einzelrichter, wenn die Staatsanwaltschaft Anklage vor dem Einzelrichter erhebt und keine über zwei Jahre hinausgehende Freiheitsstrafe zu erwarten ist.
[1] In der Fassung des Gesetzes über die Besetzung der großen Straf- und Jugendkammern in der Hauptverhandlung und zur Änderung weiterer gerichtsverfassungsrechtlicher Vorschriften sowie des Bundesdisziplinargesetzes v. 6.12.2011, BGBl I 2011, 2554 m. W. v. 1.1.2012.
[4] § 29 Abs. 1 GVG bzw. nach § 29 Abs. 2 GVG um einen Berufsrichter erweitert.

2.1.2 Funktionelle Zuständigkeit der Gerichte – Instanzenzug

 

Rz. 7

Die funktionelle Zuständigkeit verteilt die verschiedenen richterlichen Aufgaben in einer Strafsache auf die verschiedenen Rechtspflegeorgane. Zur funktionellen Zuständigkeit gehört bei Kollegialgerichten die Aufgabenverteilung innerhalb des Spruchkörpers, ferner d...

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