Rz. 1

§ 39 AO ist eine Vorschrift des materiellen Steuerschuldrechts[1], die – mit Ausnahme des zum 1.1.2024 angefügten § 39 Abs. 2 Nr. 2 S. 2 AO – die persönliche Zurechnung von Wirtschaftsgütern regelt. Diese bestimmt darüber, welche Person oder Personenvereinigung Steueransprüche zu erfüllen hat, die aus der Herrschaft über das Wirtschaftsgut hergeleitet werden.[2] Für die Beurteilung der objektiven Seite der steuerrechtlichen Tatbestandsverwirklichung ist die Vorschrift ohne Bedeutung.[3]

Die Zurechnungsregelungen des § 39 AO sind nach dem Regel-Ausnahmeprinzip aufgebaut.

Abs. 1 stellt den Grundsatz auf, dass Wirtschaftsgüter dem Eigentümer zuzurechnen sind.

Abs. 2 normiert unter verschiedenen Gesichtspunkten Abweichungen von diesem Grundsatz. Nr. 1 regelt die Fälle, in denen Wirtschaftsgüter wegen des Auseinanderfallens von rechtlicher und wirtschaftlicher Sachherrschaft einem anderen als dem Eigentümer zuzurechnen sind. Nr. 1 S. 1 umschreibt die Voraussetzungen für eine abweichende Zurechnung in allgemeingültiger Form. Danach ist in dem Fall, dass ein anderer als der Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausschließen kann, das Wirtschaftsgut diesem zuzurechnen. Nr. 1 S. 2 konkretisiert diese Regelung für drei praktisch besonders wichtige Fälle. Danach sind bei Treuhandverhältnissen die Wirtschaftsgüter dem Treugeber, beim Sicherungseigentum dem Sicherungsgeber und beim Eigenbesitz dem Eigenbesitzer zuzurechnen. Nr. 2 ordnet in S. 1 an, dass Wirtschaftsgüter, die mehreren zur gesamten Hand oder rechtsfähigen Personengesellschaften zustehen, den Beteiligten oder Gesellschaftern anteilig zugerechnet werden, soweit eine getrennte Zurechnung für die Besteuerung erforderlich ist. S. 2 fingiert, dass rechtsfähige Personengesellschaften für Zwecke der Ertragbesteuerung als Gesamthand und deren Vermögen als Gesamthandsvermögen gelten. Diese Vorschrift stellt keine Zurechnungsregelung dar, sondern soll sicherstellen, dass der Regelungsgehalt ertragsteuerlicher Vorschriften, die Personengesellschaften als Gesamthand und deren Vermögen als Gesamthandsvermögen ansprechen, trotz des mit der Neuregelung des Personengesellschaftsrechts zum 1.1.2024 verbundenen Wegfalls des Gesamthandsprinzips unverändert bleibt.

 

Rz. 2

Die in § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 und Nr. 2 S. 1 AO getroffenen Regelungen waren bereits in § 11 StAnpG enthalten. Lediglich der Grundsatz der Zurechnung auf den (zivilrechtlichen) Eigentümer (Abs. 1) und die generalklauselartige Umschreibung des wirtschaftlichen Eigentums in Abs. 2 Nr. 1 S. 1 wurden mit dem Inkrafttreten der AO 1977 neu in das Gesetz aufgenommen.

Auf § 11 StAnpG geht auch die Verwendung der Begriffe "Eigentümer" und "Eigenbesitzer" zurück, die den Anwendungsbereich der Vorschrift bei buchstäblicher Auslegung auf Sachen i. S. d. § 90 BGB verengen würde, weil nur an diesen Eigentum und Eigenbesitz bestehen kann.

Durch das Kreditzweitmarktförderungsgesetz vom 22.12.2023[4] wurde Abs. 2 Nr. 2 durch Änderung des S. 1 und Anfügung des S. 2 an die zivilrechtlichen Änderungen durch Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts vom 10.8.2021[5] angepasst.

[1] Ebenso BFH v. 6.9.1995, II R 128/91, BFH/NV 1996, 197; Fu, in Gosch, AO/FGO, § 39 AO Rz. 3.
[4] Gesetz zur Förderung geordneter Kreditzweitmärkte und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/2167 über Kreditdienstleister und Kreditkäufer sowie zur Änderung weiterer finanzrechtlicher Bestimmungen, BGBl I 2023 Nr. 411.
[5] Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG, BGBl I 2021, 3436.

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