Rz. 35

§ 380 AO ist ein Sonderdelikt, denn Täter kann nur derjenige sein, dem eine gesetzliche Abzugsverpflichtung auferlegt ist.[1] Diese Verpflichtung besteht sowohl für jeden durch die Einzelsteuergesetze unmittelbar Verpflichteten als auch für jeden gesetzlichen oder gewillkürten Vertreter.

 

Rz. 36

Mithin gehören auch gesetzliche Vertreter i. S. d. § 34 AO sowie Verfügungsberechtigte i. S. d. § 35 AO zum Kreis der tauglichen Täter. Bei den gesetzlichen Vertretern i. S. d. § 380 AO handelt es sich insb. um Geschäftsführer und Vorstände juristischer Personen[2], Treuhänder[3] und sonstige Vermögensverwalter i. S. d. § 34 Abs. 3 AO. Es ist jedoch im Einzelnen umstritten, ob sie über § 34 AO oder über § 9 Abs. 1 OWiG erfasst werden.

 

Rz. 36a

Dem gesetzlichen Vertreter gleichgestellter Verfügungsberechtigter i. S. d. 35 AO ist jeder, der kraft Gesetzes oder infolge eines zugrunde liegenden Auftragsverhältnisses im weiteren Sinne bevollmächtigt ist, wirtschaftlich über die Mittel zu verfügen, die einem anderen gehören, und entsprechend nach außen auftritt.[4] Der Verfügungsberechtigte muss im Außenverhältnis wirksam handeln können, wobei eine mittelbare rechtliche Verfügungsbefugnis ausreichend ist. Mithin ist verfügungsberechtigt i. S. d. § 35 AO, wer aufgrund seiner Stellung die Pflichten des gesetzlichen Vertreters erfüllen kann oder durch die Bestellung entsprechender Organe erfüllen lassen kann, so dass auch die Stellung eines faktischen Geschäftsführers insoweit ausreichend ist.[5] Dasselbe gilt, wenn die Möglichkeit besteht, den Vertretenden auf Basis eines Rechtsverhältnisses zu steuern oder – begrenzt auf einen Geschäftsbereich – der Geschäftsherr einem Dritten für diesen bestimmten Geschäftsbereich völlig freie Hand läßt.[6]

 

Rz. 37

Gewillkürte Vertreter i. S. d. § 9 Abs. 2 OWiG sind Betriebsleiter[7] sowie Beauftragte. Als "Beauftragter" ist verantwortlich, wer kraft ausdrücklichen Auftrags die eigenverantwortliche Wahrnehmung von Pflichten des Betriebsinhabers übernommen hat.[8] Es kann sich dabei um angestellte Buchhalter, Prokuristen, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte handeln.

Zur Ahndungsmöglichkeit für Organisationsverschulden des Betriebsinhabers nach § 130 OWiG vgl. Vor §§ 377384 AO Rz. 5ff.

 

Rz. 38

Sowohl im Rahmen des § 34 AO wie auch im Rahmen des § 9 OWiG kann eine Delegation bzw. Geschäftsverteilung zu einer Pflichtenbegrenzung führen.[9]

Dritte können sich an den Taten nur nach Maßgabe des § 14 Abs. 1 OWiG beteiligen.[10]

[1] Jäger/Ebner, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 380 AO Rz. 30; Heerspink, in Flore/Tsambikakis, Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2016, § 380 AO Rz. 21; Matthes, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, 59. Lfg. 11/2017, § 380 AO Rz. 15.
[3] RFH v. 6.4.1932, VI A 1150/31, RStBl 1932, 517.
[5] BFH v. 7.4.1992, VII R 104/90, BFH/NV 1993, 213; Jäger/Ebner, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 380 AO Rz. 32; Rolletschke, in Rolletschke/Kemper, Steuerstrafrecht, 110. Lfg. 04/2018, § 380 AO Rz. 20.
[9] BGH v. 10.11.1999, 5 StR 221/99, wistra 2000, 137; OLG Hamburg v. 16.9.1986, 3 Ss 26/86 OWi, NStZ 1987, 79; vgl. aber auch BGH v. 20.4.1982, VII R 96/79, BStBl II 1982, 521, wonach die Pflichtverletzung nicht damit entschuldigt werden kann, dass der verantwortliche Geschäftsführer einen zuverlässigen Angestellten beauftragt habe, die Stundung der LSt bei der Finanzbehörde zu beantragen.

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