1 Grundlagen

 

Rz. 1

Der für den Bereich der Steuer- bzw. Zollordnungswidrigkeiten geltende § 377 AO ist die Parallelbestimmung zu dem für den Bereich der Steuer- bzw. Zollstraftaten geltenden § 369 AO. § 377 Abs. 1 AO enthält die Definition der "Steuerordnungswidrigkeiten (Zollordnungswidrigkeiten)" so wie § 369 Abs. 1 AO den Begriff der "Steuerstraftaten (Zollstraftaten)" definiert. In den Abs. 2 der beiden Vorschriften wird jeweils geregelt, welche allgemeinen Vorschriften anwendbar sind, da die AO sowohl im Bereich der Bußgeldvorschriften als auch im Bereich der Strafvorschriften lediglich lückenhafte Regelungen trifft. Gemäß § 377 Abs. 2 AO gelten deshalb die allgemeinen Vorschriften des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG), soweit nicht im 8. Teil der AO spezielle Vorschriften enthalten sind.

2 Begriff der Steuerordnungswidrigkeit

2.1 Ordnungswidrigkeit

 

Rz. 2

In § 1 Abs. 1 OWiG wird die Ordnungswidrigkeit allgemein als "eine rechtswidrige und vorwerfbare Handlung" definiert, "die den Tatbestand eines Gesetzes verwirklicht, das die Ahndung mit einer Geldbuße zulässt". Folglich ist die Ordnungswidrigkeit von einer Straftat im Hinblick auf die angedrohte Strafe abzugrenzen.[1]  Mit dem Verzicht auf Kriminalstrafe stuft der Gesetzgeber ausgehend vom materiellen Gehalt der Rechtsverletzung bestimmte außerhalb des Kernbereichs des Strafrechts liegende Verhaltensweisen anders ein als Straftaten. Die Kriminalstrafe soll den Fällen vorbehalten bleiben, die eine solche Strafe als schärfste Form der staatlichen Reaktion auf ein rechtswidriges Verhalten erforderlich und angemessen erscheinen lassen.[2]

 

Rz. 3

Das OWiG gilt gem. § 2 OWiG für alle Ordnungswidrigkeiten nach Bundes- und Landesrecht. Es enthält neben den diesbezüglichen Verfahrensvorschriften in den §§ 111ff. OWiG auch einzelne Ordnungswidrigkeitentatbestände, von denen insb. § 130 OWiG auch Bedeutung in Steuerstrafverfahren zukommt.[3]

[1] BVerfG v. 16.7.1969, 2 BvL 2/69, BVerfGE 27, 18, 30.
[2] Göhler/Gürtler, OWiG, 17. Aufl. 2017, Vor § 1 OWiG Rz. 6ff.

2.2 Steuerordnungswidrigkeit

 

Rz. 4

§ 377 Abs. 1 AO definiert als Steuerordnungswidrigkeiten alle diejenigen Zuwiderhandlungen, die nach den Steuergesetzen mit Geldbuße geahndet werden können und nimmt somit gegenüber § 1 Abs. 1 OWiG eine erhebliche Einschränkung vor. Steuergesetz i. S. d. § 377 Abs. 1 und Abs. 2 AO ist nach allgemeiner Ansicht jede steuerlichen Zwecken dienende Rechtsnorm[1], unabhängig davon, ob sie im Zusammenhang mit der Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen oder der Durchsetzung von Steueransprüchen steht.[2] Rechtsnorm i. d. S. sind somit auch untergesetzliche Normen, d. h. Verordnungen und Satzungen. Neben der Abgabenordnung – mit den dort in den §§ 378383 AO geregelten Ordnungswidrigkeiten – enthalten auch die Einzelsteuergesetze zahlreiche Steuerordnungswidrigkeiten. Auch Zollordnungswidrigkeiten stellen begrifflich stets "Steuerordnungswidrigkeiten" i. S. d. § 377 Abs. 1 dar.[3]

 

Rz. 4a

Obwohl es sich nach einhelliger Meinung auch bei der Abgabenordnung um ein Steuergesetz i. S. d. § 377 Abs. 1 und Abs. 2 AO handelt, sah es der Gesetzgeber im Rahmen des Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 17.7.2017 als notwendig an, in Abs. 1 und Abs. 2 des § 377 AO die Wörter "nach den Steuergesetzen" durch die Wörter "nach diesem Gesetz oder den Steuergesetzen" zu ersetzen. Dadurch sollte – ohne dass dafür irgendeine Notwendigkeit bestand – klargestellt werden, dass auch Ordnungswidrigkeiten nach der AO Steuerordnungswidrigkeiten darstellen und die Vorschriften des Ersten Teils des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten auch für die Bußgeldvorschriften der AO gelten.[4] Auch wenn diese neue Diktion der in den ebenfalls durch das Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 17.7.2017 eingefügten §§ 2a, 32i Abs. 3 S. 1 AO entspricht, erscheint diese Änderung doch im günstigsten Fall als überflüssig.

Es dürfte aber in jedem Fall unzulässig sein, aus den (mißlungenen) Bemühungen des Gesetzgebers um begriffliche Klarheit den – eigentlich naheliegenden – Umkehrschluss zu ziehen, dass es sich bei der Abgabenordnung selbst nicht um ein Steuergesetz im Sinne der AO handelt, wie z. B. anhand der Formulierung der §§ 2 Abs. 1, 27 S. 1, 29a S. 1, 33 Abs. 1, 41 Abs. 1 S. 2, 42 Abs. 1 S. 1, 43 S. 1, 88 Abs. 3 S. 1, 88 Abs. 5 S. 5, 93c Abs. 1, 93c Abs. 4 S. 1, 140 AO deutlich wird. Dies gilt auch im Hinblick auf den achten Teil der AO, wie sich aus § 369 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 AO ergibt. Es dürfte sich bei der Formulierung "nach diesem Gesetz oder den Steuergesetzen" lediglich um eine gut gemeinte, aber verunglückte sprachliche Fassung mit einer verfehlten Begründung handeln.

 

Rz. 5

Als Steuerordnungswidrigkeiten sind neben den Tatbeständen der AO z. B. der Verstoß gegen umsatzsteuerliche Ordnungsvorschriften[5], der Verstoß gegen Mitwirkungspflichten gem. §§ 50e Abs. 1, 50f und 96 Abs. 7 EStG und der Verstoß gegen § 33 Abs. 4 ErbStG anzusehen.[6] Für die Qualifizierung als S...

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