Rz. 42

Gem. § 30 OWiG kann unter bestimmten Voraussetzungen nicht nur gegen den Täter einer Ordnungswidrigkeit selbst, sondern auch gegen juristische Personen und Personenvereinigungen eine Geldbuße verhängt werden, obwohl diese nicht selbst, sondern nur durch ihre Vertreter und Organe handeln können. Dadurch wird die Gleichbehandlung von juristischen Personen/Personenvereinigungen mit natürlichen Personen ermöglicht, da ohne § 30 OWiG für das pflichtwidrige Handeln eines Organs nur dieses selbst, nicht aber die juristischen Personen/Personenvereinigungen belangt werden könnte, der jedoch meist der aus der Tat erlangte wirtschaftliche Vorteil zugeflossen ist. Die in § 30 OWiG geregelte Verbandsgeldbuße dient somit vor allem der Abschöpfung der durch die Straftat oder Ordnungswidrigkeit zugunsten der juristischen Personen/Personenvereinigungen erlangten Gewinne. Darüber hinaus wird der generalpräventive Zweck verfolgt, dass die Verantwortlichen der juristischen Person/Personenvereinigung selbst im Bewusstsein der nachteiligen Folgen, die ihr Handeln auch für die Gesellschaft haben kann, auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften achten sollen bzw. sie entsprechend sorgfältig ausgewählt und überwacht werden.[1]

 

Rz. 43

Nach § 30 OWiG kann gegen eine juristische Person/Personenvereinigung eine Geldbuße verhängt werden, wenn

  • eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen wurde,
  • eine juristische Person/Personenvereinigung i. S. d. § 30 Abs. 1 Nrn. 1-5 OWiG vorliegt,
  • der Täter der Straftat oder Ordnungswidrigkeit als Vertreter, Organ oder als sonstige Leitungsperson handelte,
  • durch die Tat Pflichten verletzt worden sind, welche die
  • juristische Person/Personenvereinigung treffen, oder die juristische Person/Personenvereinigung bereichert worden ist oder werden sollte.

Es handelt sich somit bei § 30 OWiG nicht um einen eigenständigen OWiG-Tatbestand. Durch die Vorschrift wird vielmehr das Delikt, das eine natürliche Person begangen hat, auf die juristische Person/Personenvereinigung "übertragen", um es auch bei dieser im Wege der Festsetzung einer Geldbuße sanktionieren zu können.[2]  Die Verhängung der Geldbuße gem. § 30 OWiG ist neben der Verfolgung der handelnden natürlichen Person möglich. Kann der Täter nicht ermittelt werden, so besteht gem. § 30 Abs. 4 OWiG auch die Möglichkeit, dass es ausschließlich zu einer Sanktionierung der juristischen Person/Personenvereinigung im Wege der selbstständigen Festsetzung der Geldbuße kommt.

 

Rz. 44

Juristische Personen i. S. d. § 30 OWiG sind alle Organisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit, also die AG, die GmbH, die KGaA, die GmbH, die Genossenschaft, der eingetragene Verein und die selbstständige Stiftung sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts.[3]

Der nicht rechtsfähige Verein sowie die rechtsfähigen Personengesellschaften sind als Personenvereinigungen den juristischen Personen gleichgestellt.[4]

Die Vorgründungsgesellschaft einer juristischen Person stellt regelmäßig eine GbR dar, sodass § 30 OWiG auch auf sie Anwendung findet.[5] Kommt es zu einem Wechsel der Rechtsform, nachdem ein Organ einen Bußgeldtatbestand verletzt hat, schließt dies die Ahndung nach § 30 OWiG nicht aus, wenn das Unternehmen der Sache nach dasselbe geblieben ist.[6]

 

Rz. 45

Als mögliche Täter der Anknüpfungstat kommen in Betracht

  • bei juristischen Personen gem. § 30 Abs. 1 Nr. 1 OWiG die Angehörigen der vertretungsberechtigten Organe (Vorstand oder Vorstandsmitglieder, persönlich haftender Gesellschafter der KGaA, Geschäftsführer der GmbH und sein Stellvertreter),
  • bei nichtrechtsfähigen Vereinen gem. § 30 Abs. 1 Nr. 2 OWiG die Mitglieder des Vorstands,
  • bei Personengesellschaften die vertretungsberechtigten Gesellschafter[7],
  • gem. § 30 Abs. 1 Nr. 4 OWiG der Generalbevollmächtigte oder in der leitender Stellung befindliche Prokurist oder Handlungsbevollmächtigter einer juristischen Person/Personenvereinigung oder
  • sonstige Personen, die für die Leitung des Betriebs oder Unternehmens der juristischen Person/Personenvereinigung verantwortlich handeln, wozu u. a. auch die Überwachung der Geschäftsführung oder die sonstige Ausübung von Kontrollbefugnissen in leitender Stellung gehört.[8]  Dabei handelt es sich u. a. um Mitglieder des Aufsichtsrats oder Mitglieder eines Kontroll- oder Aufsichtsgremiums innerhalb der juristischen Person/Personenvereinigung, sofern sie die Möglichkeit zur Einflussnahme auf die Verwaltung haben.

Die Feststellung, welcher Angehörige des Organs seine Pflichten verletzt hat, ist nicht notwendige Voraussetzung für die Anwendung des § 30 OWiG.[9]

 

Rz. 46

Pflichtverletzungen i. S. d. § 30 Abs. 1 OWiG sind nur solche, die in den besonderen Wirkungskreis des Unternehmens fallen, also betriebsbezogene Pflichten, wie z. B. die Steuerpflicht, die sich aus der Position des Arbeitgebers, Gewerbetreibenden, Ein- oder Ausführers oder Auskunfts- oder Meldepflichtigen ergebenden Pflichten, die Aufsichtspflicht nach § 130 OWiG sowie die Vermögensbetreuungspflicht nach § 266 StGB.[1...

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