Rz. 304

Der Eintritt der Straffreiheit setzt nach § 371 Abs. 3 S. 1 AO, entsprechend dem Gedanken des "Ablasses" (vgl. Rz. 8), die Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten (steuerlichen) Schadens[1] voraus. Folglich muss der Tatbeteiligte die zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern sowie – in der seit dem 1. 1. 2015 geltenden Fassung des § 371 Abs. 3 S. 1 AO – die Hinterziehungszinsen nach § 235 AO und die Zinsen nach § 233a AO, soweit sie auf die Hinterziehungszinsen nach § 235 Abs. 4 AO angerechnet werden, innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nachentrichtet.

 

Rz. 305

Die Einbeziehung der Zinsen ist im Zusammenhang mit der Erweiterung der Berichtigungspflicht auf zehn Jahre in § 371 Abs. 1 AO (Rz. 109ff.) zu sehen: Es soll sichergestellt werden, dass der durch die Tat verursachte Schaden, zu dem auch der Zinsverlust gehört, vor dem Eintritt der Straffreiheit vollständig wiedergutgemacht wurde. Durch die Änderung des § 371 Abs. 1 AO erstreckt sich aber nun die Erklärungspflicht auch bei einfacher Steuerhinterziehung unabhängig von der Strafverfolgungsverjährung auf mindestens zehn Jahre, sodass gerade im Hinblick auf lang zurückliegende Steuerhinterziehungen die zu zahlenden Zinsen erheblich sind (Zur Nachzahlungspflicht für strafrechtlich verjährte Zeiträume vgl. Rz. 332a ff.). Diese dem Staat durch die Selbstanzeige neu erschlossene Einnahmequelle lässt sich aber nur vollumfänglich sichern, wenn auch die Zinsen in § 371 Abs. 3 S. 1 AO einbezogen werden.

 

Rz. 306

Der staatliche Strafanspruch ist hiernach auflösend bedingt durch die fristgerechte Nachentrichtung.[2] Die vor dem Eingreifen eines Ausschlussgrundes abgegebene Selbstanzeigeerklärung führt somit zu einem Schwebezustand, da bis zur fristgerechten und vollständigen Nachentrichtung von Steuern und Zinsen nur eine Anwartschaft auf Straffreiheit besteht.

 

Rz. 307

Daraus, dass der Eintritt der Straffreiheit nach § 371 Abs. 3 S. 1 AO nicht nur von der bloßen Berichtigungshandlung abhängig ist, sondern der Gesetzgeber das Erfordernis der Wiedergutmachung mit der ab dem 1.1.2015 geltenden Fassung des § 371 AO noch erheblich ausgebaut hat, ergibt sich, dass neben dem kriminalpolitischen und strafrechtlichen Aspekt der Regelung, also einem Anreiz für die Rückkehr zur Steuerehrlichkeit und gesetzmäßigem Verhalten auch der Erschließung und Sicherung verborgener Einnahmequellen eine erhebliche Bedeutung zukommt.[3] Der Gesetzgeber dürfte insoweit nicht mit dem BGH übereinstimmen, nach dessen Ansicht der Honorierung der Rückkehr zur Steuerehrlichkeit deutlich mehr Gewicht zukommt als dem fiskalischen Zweck der Erschließung unbekannter Steuerquellen.[4]

Es wird allerdings deutlich, welche große Bedeutung im Rahmen des § 371 AO der Wiedergutmachung i. S. eines strafbefreienden Tatausgleichs zukommt. Ist der Erfolg der Steuerhinterziehung bereits eingetreten, so ist die Wiedergutmachung durch eine Nacherklärung i. S. d. § 371 Abs. 1 AO eben nicht ausgeschlossen, um in der Person des wirtschaftlich Begünstigten das Strafbedürfnis entfallen zu lassen. Vielmehr ist die Aufhebung des staatlichen Strafanspruchs erst gerechtfertigt, wenn auch die Wiedergutmachung des Erfolgsunrechts i. S. d. § 371 Abs. 3 AO vollständig erfolgt ist, da erst dann eine vollständige Rückkehr in die Steuerehrlichkeit gegeben ist.

 

Rz. 308

Es gibt allerdings Ausnahmen von diesem Grundsatz: Bei dem Versuch der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 2 AO bewirkt in Ermangelung eines eingetretenen und somit auszugleichenden Schadens allein die Selbstanzeigeerklärung die Straffreiheit.[5] Darüber hinaus sind gem. § 371 Abs. 3 S. 2 AO im Fall von Umsatzsteuervor- und Lohnsteueranmeldungen lediglich die hinterzogenen Steuerbeträge nachzuentrichten, nicht hingegen die Zinsen. Diese Ausnahme gilt allerdings nicht für Jahreserklärungen.[6]

 

Rz. 309

Die verbreitete und auch hier in der Folge gewählte Bezeichnung als "Nachentrichtungspflicht" ist strafprozessual nicht korrekt. Die Verpflichtung zur Nachentrichtung hat zwar strafrechtlichen Rechtscharakter (vgl. Rz. 24ff.), ist aber keine strafrechtliche Pflicht, sondern nur eine strafrechtliche Obliegenheit. Die Erfüllung kann im Strafverfahren nicht gesondert erzwungen werden, sondern es entstehen nur aus der Nichterfüllung bzw. unvollständigen Erfüllung strafrechtliche Nachteile durch den Verlust der bestehenden Anwartschaft auf Straffreiheit.

 

Rz. 310

Die Nachentrichtungspflicht i. d. S. ist keine höchstpersönliche Pflicht. Wesentlich ist nur ihre Erfüllung, nicht aber, dass der Selbstanzeigende die Leistung persönlich und/oder aus eigenen Mitteln erbringt. Es genügt die Erfüllung der Pflicht durch Dritte (Rz. 375).

 

Rz. 311

Die Nachentrichtungspflicht bezieht sich nach dem Wortlaut des § 371 Abs. 3 AO auf die "aus der Tat" zugunsten des Tatbeteiligten hinterzogenen Steuern und die in § 371 Abs. 3 S. 1 AO aufgeführten Zinsen. Die Nachentrichtungspflicht besteht also für jede einzelne Tat, d. h. für jede einzelne zur Selbstanzeige gebrachte Steuerhi...

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