Rz. 268

Der Gesetzeswortlaut lässt es offen, von wem die Tat entdeckt worden sein muss. Hieraus ist zu schließen, dass regelmäßig jede Person Entdecker i. S. v. § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO sein kann, sofern sie nicht Tatbeteiligter ist.[1] Aus Sinn und Zweck des Ausschlusstatbestands ergibt sich aber die Einschränkung, dass durch den Entdecker eine konkrete Aufdeckungsgefahr begründet werden muss. Es muss damit zu rechnen sein, dass der Entdecker seine Kenntnis an die Finanzbehörde weitergibt. Die Entdeckerperson muss somit zur Information der Finanzbehörde verpflichtet oder willens sein[2], sodass sich das Entdeckungsrisiko bereits konkretisiert hat. Weitere Einschränkungen werden durch den Gesetzeswortlaut nicht gerechtfertigt.

 

Rz. 269

Als Entdeckerperson i. S. v. § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO kommen demgemäß alle Amtsträger, auch außerhalb der Finanzbehörde, in Betracht, die im Rahmen ihrer Dienstgeschäfte von der Tat Kenntnis erlangen, soweit sie aufgrund ihrer Rechtsstellung nach § 116 AO zur Information der Finanzbehörde oder aufgrund des Legalitätsprinzips nach §§ 152 Abs. 2, 163 Abs. 1 StPO zur Verfolgung der Straftat verpflichtet sind.[3] Bei Amtsträgern ausländischer Behörden in Fällen der internationalen Rechtshilfe ist maßgeblich darauf abzustellen, ob mit einer Rechtshilfegewährung zu rechnen ist, sodass im Fall von bestehenden Abkommen die Tatentdeckung zu bejahen ist.[4] Ebenso kann sich die ausreichende für die Weitergabe der Informationen sprechende Wahrscheinlichkeit auch aus einem besonderen Medieninteresse an einem Fall und seiner besonderen Tragweite ergeben.[5]

 

Rz. 269a

Der maßgebliche Zeitpunkt für die Tatentdeckung ist allerdings nicht derjenige, in dem sich die ausländischen Behörden zur Bewilligung der Rechtshilfe entschließen oder die Erkenntnisse den deutschen Behörden übermittelt werden, sondern es kann schon derjenige sein, in dem die Informationen erlangt wurden, wenn bereits in diesem Zeitpunkt die Gewährung der Rechtshilfe wahrscheinlich ist.[6] Darüber hinaus müssen die ausländischen Behörden nicht von sich aus die gewonnenen Erkenntnisse an die deutschen Ermittlungsbehörden weitergeben, sondern es ist ausreichend, wenn sie dies auf ein Ersuchen der deutschen Ermittlungsbehörden voraussichtlich tun würden.[7] Es ist somit ausreichend, wenn damit zu rechnen ist, dass die deutschen Behörden – z. B. aus den Medien – Kenntnis von dem jeweiligen Fall erlangen und auf ihr Verlangen hin die entsprechenden Informationen von den ausländischen Behörden erhalten würden.

 

Rz. 269b

Daraus, dass der BGH in seinen bisherigen Urteilen auf den Begriff der Rechtshilfe abstellt, wird man jedoch nicht im Umkehrschluss die Schlussfolgerung ziehen dürfen, dass die steuerliche (internationale) Amtshilfe im Hinblick auf die Tatentdeckung keine Rolle spielt.[8] Maßgeblich ist nicht die rechtliche Grundlage des Informationsaustausches, sondern allein, dass durch die Kenntniserlangung die Aufdeckungs- und Verurteilungswahrscheinlichkeit im konkreten Fall steigt. Folglich ist es z. B. ausreichend für die Entdeckung der Tat, wenn Beamte der Finanzbehörde im Rahmen der steuerlichen Amtshilfe von der Tat Kenntnis erlangen, da sie aufgrund des Legalitätsprinzips nach §§ 152 Abs. 2, 163 Abs. 1 StPO in jedem Fall zur Verfolgung der Straftat verpflichtet sind. Dafür spricht einerseits auch, dass der Tatentdecker nicht notwendig den gleichen Grad an Überzeugung von der schuldhaften Tatbegehung erlangen muss, wie er für die Verurteilung vom Gericht zu gewinnen wäre (vgl. Rz. 256), und andererseits die Finanzbehörden zwischenstaatliche Amtshilfe sowohl zur Verfolgung einer Steuerstraftat als auch zur Gewährleistung gesetzmäßiger Besteuerung in Anspruch nehmen können.

 

Rz. 270

Auch bei privater Kenntniserlangung von der Tat durch Amtsträger oder bei Kenntniserlangung durch Privatpersonen ist eine Entdeckung i. S. v. § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO möglich.[9] Hier ist aber zu differenzieren:

  • Beteiligt sich die Privatperson nach Kenntniserlangung von dem Geschehen durch Beihilfe oder Begünstigung oder durch sonstige Nutznießung, z. B. ein Erpresser, an der Tat, so liegt mangels Aufdeckungsgefahr keine Tatentdeckung i. d. S. vor.
  • Deckt der Tatbeteiligte die Tat seinem steuerlichen oder rechtlichen Berater zwecks Beratung über die Rechtslage auf, so liegt in dieser Offenbarung keine Tatentdeckung.[10] Die Information eines Dritten, damit dieser die Selbstanzeige erstattet, führt nicht zur Tatentdeckung durch den Dritten.[11]

    Gleiches gilt für andere Personen, die aufgrund ihrer beruflichen Stellung oder aufgrund der Einbeziehung in die Vertrauenssphäre des Tatbeteiligten, z. B. Angehörige, ein gesetzliches Aussageverweigerungsrecht haben[12] und zur Ausübung dieses Rechts und damit zur Geheimhaltung rechtlich verpflichtet oder aus Gewissensgründen gehalten sind.[13] Diese Personen stehen "im Lager" des Stpfl., sodass nicht damit zu rechnen ist, dass sie ihr erlangtes Wissen an die Finanzbehörden weitergeben. In diese Gruppe können au...

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