Rz. 85

Für den Inhalt der Selbstanzeige verlangt § 371 Abs. 1 AO die vollständige Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung der fehlerhaften oder unterlassenen Angaben zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart der letzten zehn Kalenderjahre. Es müssen also ausschließlich Angaben gemacht werden, die für die Besteuerung erheblich sind.[1] Durch die Selbstanzeigeerklärung soll inhaltlich die Tathandlung des § 370 Abs. 1 AO kompensiert und die daraus resultierende Steuerverkürzung bzw. der Steuervorteil i. S. d. § 370 Abs. 4 AO beseitigt werden. Die zutreffenden Besteuerungsgrundlagen einer Steuerart müssen folglich dergestalt dargelegt werden, dass die Finanzbehörde aufgrund dieser Angaben in der Lage ist, die Steuer für die gem. § 371 Abs. 1 AO nachzuerklärenden Zeiträume richtig zu veranlagen oder eine bereits erfolgte Veranlagung zu berichtigen.[2] Unter diesem Gesichtspunkt können einerseits an den Inhalt der Selbstanzeige keine höheren Anforderungen gestellt werden als an die ursprünglich vorzunehmenden Mitwirkungshandlungen im nachzuerklärenden Zeitraum.[3] Andererseits erfüllen aber geringere Angaben die Anforderungen an den Inhalt der Selbstanzeige nicht.

Eine Materiallieferung i. S. e. Lieferung neuen oder zumindest im Glauben des Anzeigenden neuen Materials ist nach dem Wortlaut des § 371 Abs. 1 AO nicht erforderlich.[4]

 

Rz. 86

Ein über diese Mindestanforderungen hinausgehender Inhalt kann als Wirksamkeitsvoraussetzung für die Straffreiheit nicht verlangt werden. Insbesondere ist der Erklärende nicht gehalten, seine Motive für die Vornahme der Selbstanzeige darzustellen.[5] Eine Selbstbezichtigung, ein Hinweis auf die strafrechtliche Bewertung des vorherigen Fehlverhaltens, etwa durch die Verwendung des Wortes "Selbstanzeige" oder durch die Verweisung auf § 371 AO, ist nicht geboten.[6] Durch einen solchen Hinweis begründet der Erklärende nur den für die Einleitung des Steuerstrafverfahrens erforderlichen Anfangsverdacht, indem er einräumt, dass zuvor der Straftatbestand des § 370 AO erfüllt worden ist.[7] Umgekehrt ist der Hinweis auf einen versehentlichen Fehler oder gar das Bestreiten oder Leugnen einer strafbaren Handlung unschädlich, da es nur darauf ankommt, dass die Besteuerungsgrundlagen dargestellt sind.[8]

 

Rz. 87

Inhaltlich erfordert die Selbstanzeige eine Darstellung der Besteuerungsgrundlagen. Diese Darstellung muss soweit konkretisiert sein, dass es der Finanzbehörde möglich ist, das Besteuerungsverfahren aufgrund dieser Angaben durchzuführen. In dieser Selbstanzeige sind die Angaben somit in einer Art und Weise zu berichtigen, zu ergänzen oder nachzuholen, die es den Finanzbehörden ohne größere weitere Ermittlungen ermöglicht, die zutreffende Steuer zu ermitteln und festzusetzen.[9] Genügen die Angaben diesen Anforderungen nicht[10], so liegt nur die strafrechtlich unbeachtliche "Ankündigung" einer Selbstanzeige vor, die nicht zur Straffreiheit, sondern zur Begründung eines Anfangsverdachts und damit zum Ausschluss einer wirksamen Selbstanzeige führt (Rz. 96).

 

Rz. 88

Für die Rechtswirksamkeit der Selbstanzeige kommt es allein darauf an, dass der Finanzbehörde durch die Selbstanzeige der Beginn oder die Fortführung des Besteuerungsverfahrens ermöglicht wird. Nicht erforderlich ist, dass die Finanzbehörde auch tatsächlich die Steuerfestsetzung bzw. deren Korrektur aufgrund der Selbstanzeige vornimmt.[11]

 
Praxis-Beispiel

A hat die Umsatzsteuer-Voranmeldungen 1/14 und 5/14 wissentlich falsch abgegeben. Im Dezember 14 korrigiert er die falschen Erklärungen. Die Finanzbehörde will die einzelnen Festsetzungen nicht berichtigen, sondern den Eingang der USt-Jahreserklärung abwarten.

Dieses Verhalten der Finanzbehörde berührt die Wirksamkeit der Selbstanzeige nicht.

Unschädlich ist auch, dass die Finanzbehörde vor der Durchführung der Steuerfestsetzung in strafrechtliche Ermittlungen hinsichtlich der Richtigkeit der Selbstanzeige eintritt.[12]

 

Rz. 89

Durch die Selbstanzeigeerklärung sollen die zutreffenden Besteuerungsgrundlagen aufgedeckt werden. Bei der Steuerhinterziehung durch die Abgabe unrichtiger oder unvollständiger Steuererklärungen[13] muss die Korrektur somit nur die Angaben betreffen, auf die sich die Steuererklärungspflicht inhaltlich erstreckt. Soweit also die Tat durch Angabe falscher Zahlen als Besteuerungsgrundlage begangen wurde, muss die Selbstanzeigeerklärung regelmäßig in der Lieferung eines neuen Zahlenwerks bestehen.[14]

 

Rz. 90

Als Selbstanzeigeerklärung reichen unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Anforderungen an den Inhalt demgemäß nicht:

  • die einfache Mitteilung, dass die abgegebene Steuererklärung unzutreffend sei[15];
  • die einfache Erklärung, Selbstanzeige zu erstatten, ohne weitere Angaben[16];
  • die stillschweigende Nachentrichtung ohne erläuternde Erklärung[17];
  • der Hinweis, dass bestimmte Angaben unrichtig seien[18];
  • die Ankündigung der späteren Berichtigung[19];
  • die Erklärung, dass bestimmte Beträge nachakt...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Gold. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge