Rz. 41

Strafgrund der Steuerhinterziehung ist der Verstoß gegen die steuerliche Wahrheitspflicht (s. Rz. 3, 37). Bestraft wird nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, wer (s. Rz. 16) den Finanzbehörden oder anderen Behörden (s. Rz. 48, 49) über steuerlich erhebliche Tatsachen (s. Rz. 46) unrichtige oder unvollständige Angaben (s. Rz. 44, 45) macht.

Die Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO kann nur durch aktives Tun (s. Rz. 16) verwirklicht werden, nicht jedoch durch pflichtwidriges Unterlassen[1].

 

Rz. 42

Angaben i. d. S. sind Informationen über Tatsachen. Hierzu sind alle wahrnehmbaren äußeren oder inneren Umstände (s. zum Begriff § 88 AO Rz. 11) zu rechnen, die Merkmal oder Teil eines steuerlichen Tatbestands sind.

 

Rz. 42a

In den Steuererklärungen wird die Angabe über Tatsachen z. T. in Form geläufiger oder erläuterter Rechtsbegriffe verlangt. Der Erklärungspflichtige muss in diesen Fällen schon eine rechtliche Würdigung und Einordnung der eigentlichen Tatsachen vornehmen (s. Vor §§ 149153 AO Rz. 9). In die Angabe der Tatsachen einfließende unzutreffende Rechtsansichten erfüllen den Tatbestand der Steuerhinterziehung dann, wenn sie nach allgemeiner, auch laienhafter Rechtsauffassung völlig unvertretbar erscheinen[2]. Der Stpfl. ist jedoch nicht gehindert, jede Rechtsauffassung zu vertreten, selbst wenn er weiß, dass die Finanzverwaltung oder die Finanzgerichtsbarkeit dieser Auffassung nicht folgen wird oder sie bei objektiver Betrachtung völlig absurd sein sollte; er muss der Finanzverwaltung nur durch entsprechende Hinweise in der ­Erklärung Gelegenheit geben, sich hiermit auseinanderzusetzen. Eine weitgehende Offenbarungspflicht wird nach der Rspr. für solche Sachverhalte angenommen, deren steuerrechtliche Relevanz objektiv zweifelhaft ist, und wenn die vom Stpfl. vertretene Auffassung über die Auslegung von Rechtsbegriffen oder die Subsumtion bestimmter Tatsachen von der Rspr., den Richtlinien der Finanzverwaltung oder der regelmäßigen Verwaltungspraxis abweicht[3].

 

Rz. 42b

Die Angaben müssen in der Erklärung (s. Rz. 50, 51) gemacht werden. Die Tathandlung des § 370 AO ist die Abgabe der Erklärung (s. Rz. 142). Eine Steuerhinterziehung liegt aber auch dann vor, wenn ein Amtsträger keine gesonderte Erklärung erstellt, um eine fiktive Steuerakte anzulegen, sondern erfundene Daten unmittelbar in die Datenverarbeitung eingibt[4].

 

Rz. 42c

Werden mehrere Angaben in einer Erklärung gemacht, z. B. enthält die ESt-Erklärung unrichtige Angaben für den Gewinn aus Gewerbebetrieb und fehlen außerdem die Angaben hinsichtlich der Einkünfte aus Kapitalvermögen, so liegt gleichwohl nur eine Tathandlung und damit nur eine Steuerhinterziehung hinsichtlich eines Steueranspruchs (s. Rz. 2) vor. Dies gilt auch für die USt-Erklärung, wenn der Täter unrichtige Angaben sowohl hinsichtlich der getätigten Umsätze als auch hinsichtlich der Vorsteuerbeträge[5] macht[6]. Für die Festsetzung der USt (s. Rz. 96) bilden beide Angaben jeweils unselbstständige Besteuerungsgrundlagen[7].

 

Rz. 43

Angaben macht, wer (s. Rz. 16) die Tatsache gegenüber den Behörden (s. Rz. 48, 49) bekundet, also die Erklärung für sich selbst oder für einen anderen (s. Rz. 18) abgibt[8]. Hierbei ist es unerheblich, ob der Erklärende die Angaben aufgrund einer steuerrechtlichen Verpflichtung, im Rahmen eines Antrags oder aber freiwillig ohne besonderen steuerlichen Grund macht (s. Rz. 17). Die Form der Erklärung ist unerheblich.

 

Rz. 44

Unrichtige Angaben liegen vor, wenn die Tatsachen nicht wahrheitsgemäß (s. Rz. 41) erklärt werden[9].

Strafrechtlich relevant sind unter diesem Gesichtspunkt Scheingeschäfte, um Besteuerungsgrundlagen (s. Rz. 46) vorzutäuschen[10]. Unrichtig sind aber auch Angaben, wenn die Existenz eines Unternehmens mit angeblichen Geschäftsvorfällen vollständig vorgetäuscht wird und dann ohne Bezug zu realen Vorgängen fingierte Steuererklärungen abgegeben werden, um Steuererstattungen zu erlangen[11].

 

Rz. 45

Unrichtig sind auch unvollständige Angaben, wenn also zu erklärende steuerlich erhebliche Tatsachen ganz oder teilweise nicht benannt werden. So erfüllt z. B. die Nichtangabe der abweichenden Adresse eines getrennt lebenden Ehepartners, um die Zusammenveranlagung zur EStG nach § 26 EStG zu erreichen, das Tatbestandsmerkmal[12]. Eine als umsatzsteuerfreie Ausfuhrleistung erklärte Lieferung ist dann unvollständig und damit unrichtig erklärt, wenn die erforderlichen Ausfuhrnachweise nicht "eindeutig und leicht nachprüfbar" i. S. v. §§ 8, 13 UStDV erbracht sind[13]. Ein Antrag auf Herabsetzung der Vorauszahlungen (s. Rz. 51, 278), der mit der Hingabe eines Berlin-Darlehens begründet wurde, ist unvollständig, wenn gleichzeitig die Verbesserung der Einkommenssituation unerwähnt bleibt[14].

 

Rz. 46

Die Angaben müssen über steuerlich erhebliche Tatsachen gemacht werden. Sie müssen sich auf eine Steuer (s. Rz. 2, 80) beziehen. Die in den Steuererklärungen geforderten Angaben für statistische Zwecke[15] sind für die Steuerhinterziehung ohne Bedeutung. Die N...

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