2.3.1 Allgemeines

 

Rz. 15

Die Entscheidung über die Aussetzung wird von der Finanzbehörde getroffen, die zur Entscheidung über den Einspruch berufen ist.

 

Rz. 16

Liegen die Voraussetzungen für die Verfahrensaussetzung vor, so kann nach § 363 Abs. 1 AO die Finanzbehörde die Aussetzung anordnen. Die Aussetzungsentscheidung liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde. Bei der Ermessensentscheidung ist das Interesse an der zügigen Verfahrensdurchführung gegen das ­Interesse an einer einheitlichen Sachentscheidung abzuwägen.[1]

 

Rz. 17

Die Finanzbehörde kann die Aussetzungsentscheidung von Amts wegen treffen. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Ein Antrag des Einspruchsführers ist nicht Voraussetzung für die Aussetzung des Verfahrens. Sie kann jedoch auch auf Antrag des Einspruchsführers erfolgen. Ein solcher Antrag bindet die Finanzbehörde bei ihrer Ermessensausübung nicht. Er ist aber als Zustimmung zur Aussetzung zu werten. Über einen Antrag auf Aussetzung muss die Finanzbehörde eine gesonderte Entscheidung treffen. Allerdings hindert der gestellte Antrag die Finanzbehörde nicht, die Einspruchsentscheidung zu erlassen. Die Ablehnung des Antrags kann in diesem Fall zeitgleich mit der Einspruchsentscheidung verbunden erfolgen.[2] Die förmliche Verbindung mit der Einspruchsentscheidung berührt die rechtliche Selbstständigkeit der Ablehnung nicht.

 

Rz. 18

Die Aussetzung des Einspruchsverfahrens ist – anders als die Anordnung des Ruhens – nicht abhängig von der Zustimmung des Beteiligten.[3] Sie kann gegen den ausdrücklichen Willen des Beteiligten erfolgen. Eine gleichwohl vom Beteiligten gegebene Zustimmungserklärung ist jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufbar.[4]

[1] Birkenfeld, in HHSp, AO/FGO, § 363 AO Rz. 127.
[3] Birkenfeld, in HHSp, AO/FGO, HHSp, AO, § 363 AO Rz. 125; Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 363 AO Rz. 6.

2.3.2 Rechtscharakter, Form und Inhalt

 

Rz. 19

Die Aussetzungsentscheidung ist ein verfahrensgestaltender selbstständiger Verwaltungsakt.[1] Auf diesen finden grundsätzlich die allgemeinen Bestimmungen des Gesetzes nach § 118ff. AO Anwendung. Dies gilt auch für die Ablehnung einer beantragten Verfahrensaussetzung.

 

Rz. 20

Entgegen § 119 Abs. 2 AO ist aber aus Gründen der Verfahrenssicherheit stets eine ausdrückliche Regelung über die Aussetzung bzw. Nichtaussetzung erforderlich.[2] Die Schriftform oder elektronische Form ist stets geboten, wenn die Entscheidung nur teilweise ausgesetzt wird.

 

Rz. 21

Hängt die Einspruchsentscheidung inhaltlich nur teilweise von den anhängigen Verfahren ab, so ist regelmäßig nur eine Teilaussetzung ermessensgerecht. Für den nicht ausgesetzten Teil des Einspruchsverfahrens hat die Finanzbehörde i. S. d. Beschleunigungsgebots in angemessener Zeit eine Teileinspruchsentscheidung nach § 367 Abs. 2a AO zu treffen.[3]

 

Rz. 21a

Die Aussetzung der Einspruchsentscheidung kann nach § 363 Abs. 1 AO "bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung des Gerichts oder der Verwaltungsbehörde" erfolgen, sie ist also mit einer entsprechenden Befristung oder Bedingung i. S. d. § 120 Abs. 2 Nr. 1 bzw. 2 AO zu versehen.[4]

2.3.3 Widerruf und Fortführung des Verfahrens

 

Rz. 22

Die Aussetzung der Einspruchsentscheidung endet nach § 124 Abs. 2 AO – aufgrund der Befristung – automatisch mit der "Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung des Gerichts oder der Verwaltungsbehörde".[1]

 

Rz. 22a

Die Finanzbehörde kann die Aussetzung außerdem nach § 131 AO widerrufen.

 

Rz. 22b

Bei der Fortführung des Einspruchsverfahrens und vor Erlass einer Einspruchsentscheidung ist dem Einspruchsführer nach § 91 AO rechtliches Gehör zu gewähren und Gelegenheit zu geben, sich zur Sache zu äußern.[2]

[1] Werth, in Gosch, AO/FGO, § 363 AO Rz. 18; Koenig/Cöster, AO, 3. Aufl. 2014, § 363 Rz. 32.

2.3.4 Rechtsschutz

 

Rz. 23

Gegen die Aussetzungsentscheidung der Finanzbehörde, die keine finanzbehördliche Verfahrenshandlung, sondern ein Verwaltungsakt ist, ist der Einspruch nach § 347 Abs. 1 S. 1 AO statthaft. Die Zulässigkeit des Einspruchs wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass ggf. auch die Voraussetzungen für eine Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 1 FGO erfüllt sind. Das Rechtsschutzbedürfnis für den Einspruch ist schon durch die unterschiedliche Kostenlast im Fall des Unterliegens im finanzgerichtlichen Klageverfahren gegeben.[1] Erst die tatsächliche Erhebung der Untätigkeitsklage lässt das Rechtsschutzbedürfnis für den Einspruch entfallen.

 

Rz. 23a

Der Einspruchsführer kann Rechtsschutz auch durch eine Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 1 FGO erlangen. In diesem Klageverfahren kann überprüft werden, ob die Voraussetzungen für die Aussetzung vorliegen.[2]

 

Rz....

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