Rz. 62

Mit der AdV kann vorläufiger Rechtsschutz gegen angefochtene Verwaltungsakte erlangt werden (s. Rz. 2, 66). Der AdV-Antrag setzt also die Anhängigkeit eines zulässigen Rechtsbehelfsverfahrens (Einspruch bzw. Anfechtungsklage) gegen den die Leistungspflicht begründenden Verwaltungsakt voraus, andernfalls ist ein entsprechender Antrag unzulässig.[1] Die Anhängigkeit der Hauptsache ist inhaltlich nur gegeben, wenn eine Identität des Verfahrensgegenstands in beiden Verfahren vorliegt. Die AdV ist nur hinsichtlich des Verwaltungsakts zulässig, der Gegenstand der Anfechtung ist.[2]

Wenn der ursprünglich angefochtene Verwaltungsakt geädert wird, so wird er gem. § 365 Abs. 3 AO auch Gegenstand des AdV-Verfahrens.[3]

Die Anhängigkeit einer Verfassungsbeschwerde anstelle eines Einspruchs- oder Klageverfahrens bzw. nach einem solchen Verfahren begründet nicht die Zulässigkeit einer AdV.[4]

 

Rz. 63

Der AdV-Antrag kann gleichzeitig mit der Anfechtung gestellt werden. Ohne Anfechtung des Verwaltungsakts kommt eine AdV nicht in Betracht. Die nachträgliche fristgerechte Einlegung des Einspruchs heilt die Unzulässigkeit eines vorzeitigen AdV-Antrags, der zunächst unzulässige AdV-Antrag wächst dann in die Zulässigkeit.[5]

Teilweise wird vertreten, dass wenn ein AdV-Antrag vor Einlegung des Einspruchs gestellt wird, im Zuge der Auslegung zu unterstellen sei, dass inzident auch Einspruch eingelegt sei.[6]

Auch ein Änderungsantrag nach § 164 Abs. 2 S. 2 AO bzw. § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a AO rechtfertigt nicht die AdV.[7]

 

Rz. 64

Unmaßgeblich für die Zulässigkeit des AdV-Antrags ist das Stadium des anhängigen Einspruchs- oder Klageverfahrens, eine AdV kann auch im Revisionsverfahren vor dem BFH beantragt werden, insofern gibt es keine (eigene) Frist für den AdV-Antrag.[8] Erforderlich ist auch nicht die Zulässigkeit des Verfahrens in der Hauptsache. Die Unzulässigkeit führt lediglich zur Unbegründetheit des AdV-Antrags.[9]

[5] Kraus, NWB 2009, 853, 854f; Koenig/Cöster, AO, 4. Aufl. 2021, § 361 Rz. 34.
[6] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 361 AO Rz. 4; Dißars, in Zugmaier/Nöcker/Dißars, AO, § 361 AO Rz. 22 ggf. sei ein ohne Einspruch gestellter Antrag auf AdV auch als ein Stundungsantrag auszulegen.
[8] § 121 FGO; Gräber/Ratschow, FGO, 9. Aufl. 2019, § 121 Rz. 1.
[9] FG Hamburg v. 13.5.2005, I 130/05, EFG 2005, 1282; a. A. Klein/Rätke, AO, 16. Aufl. 2022, § 361 Rz. 13.

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